Auswanderung und die Alterung der Gesellschaft führen dazu, dass die aktive Bevölkerung Thüringens schrumpft. In vielen Bereichen fehlen bereits jetzt Arbeits- und Fachkräfte. Einer Studie zufolge ist das Bundesland langfristig auf Migration angewiesen.Quelle
2022/2023 fehlten in Thüringen rund 16.000 qualifizierte Arbeits- und Fachkräfte. Insbesondere sind Berufe in der Lagerwirtschaft und der Informatik betroffen. Die Bundesagentur für Arbeit nennt als Engpassberufe in Thüringen unter anderem Energietechnik, Lebensmittelherstellung, Bau- und Transportgeräteführung, Gastronomie, besonders betroffen sind auch Pflege- und Gesundheitsberufe.Quelle
Immer mehr Arbeits- und Fachkräfte fehlen
Die Bevölkerung Thüringens nimmt seit Jahren ab. Ein Grund ist die Abwanderung in andere Bundesländer – vor allem von jungen Personen. Hinzu kommt die Alterung der Gesellschaft. Von den Personen, die 2021 in Beschäftigung waren, werden laut einer Studie bis 2035 rund 385.500 in Rente gehen. Eine Berechnung der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die Zahl der Erwerbstätigen in Thüringen bis 2040 um rund ein Fünftel schrumpfen wird – doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt. In kleineren Gemeinden wird ein besonders starker Bevölkerungsrückgang erwartet.Quelle
Der Bevölkerungsrückgang wird zum Teil durch Zuwanderung kompensiert. 2015 und 2022 sind zum Beispiel besonders viele Menschen aus dem Ausland zugezogen. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung lag 2022 bei 7,6 Prozent. Quelle
Ausländische Beschäftigte werden immer wichtiger
Die Anzahl ausländischer Arbeitskräfte in Thüringen hat sich von 2013 (13.500 Personen) bis 2023 (71.100 Personen) mehr als verfünffacht. In Thüringen sind rund neun Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Ausländer*innen.Quelle
Im Vergleich zu anderen Bundesländern, insbesondere den Stadtstaaten und westdeutschen Bundesländern, ist der Anteil an ausländischen Arbeitskräften in Thüringen niedrig.
Die Zahl der deutschen Arbeitskräfte sinkt seit acht Jahren konstant. Seit 2018 verlassen mehr deutsche Arbeitnehmer den Arbeitsmarkt als ausländische dazustoßen: So verringerte sich die Gesamtzahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zwischen 2018 und 2023 um mehr als 10.000 Personen.Quelle
In allen Bundesländern ist die Zahl der ausländischen Beschäftigten gewachsen. In den ostdeutschen Bundesländern und dem Saarland geht die Zahl deutscher Beschäftigter zurück.Quelle
In bestimmten Berufsgruppen sind ausländische Arbeitskräfte deutlich überrepräsentiert: Sie machen etwa 26 Prozent der Beschäftigten in der Logistikbranche aus (2013 lag diese Quote noch bei drei Prozent). In Engpassberufen wie dem Gastgewerbe (22 Prozent) und der Baubranche (13 Prozent) hat sich der Anteil ausländischer Arbeitskräfte in den letzten zehn Jahren mehr als vervierfacht. Quelle
Die meisten Ausländer*innen arbeiten derzeit (Stand: Dezember 2023) als Helfer oder Fachkraft. In beiden Bereichen ist die Zahl der nicht-deutschen Beschäftigte in den vergangenen fünf Jahren um rund 70 Prozent gestiegen. Die Zahl der deutschen Beschäftigten ist hingegen um etwa sieben Prozent geschrumpft.Quelle
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) 2023 herrscht im Westen und Osten ein ähnlich hoher Fachkräftemangel. In den westdeutschen Bundesländern komme der Mangel von einer hohen Arbeitsnachfrage der Unternehmen, in den ostdeutschen Ländern spiele das geringere Arbeitskräfteangebot eine größere Rolle. Die Alterung der Bevölkerung wurde im Westen seit den 1990ern stärker durch Migration aus dem Ausland abgefedert. Quelle
Auch in der Ausbildung ist in vielen Bereichen ein Rückgang deutscher und eine Zunahme ausländischer Auszubildender zu verzeichnen. In der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung hatten 2022 rund ein Viertel aller Azubis keine deutsche Staatsbürgerschaft (2012 waren es noch zwei Prozent). In der Gastronomie betrifft dies 2022 sogar 53 Prozent der Personen in Ausbildung (2012 waren es vier Prozent). In anderen Bereichen wie der IT oder dem Baugewerbe sind diese Entwicklungen jedoch nicht zu beobachten.Quelle
Die Arbeitslosenquote unter Ausländer*innen lag in Thüringen bei 21 Prozent (Stand: Jahresdurchschnitt August 2023 bis Juli 2024), etwas niedriger als in anderen ostdeutschen Bundesländern. In westdeutschen Ländern liegt sie deutlich niedriger (14,4 Prozent). Das liegt unter anderem daran, dass unter den ausländischen Personen mehr Geflüchtete sind. Sie brauchen länger, um auf dem Arbeitsmarkt anzukommen, unter anderem wegen fehlender Sprachkenntnisse.Quelle
Anwerbung ausländischer Fachkräfte
Wie in ganz Deutschland ist in Thüringen die Unternehmenslandschaft stark von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt. Sie machen 99,6 Prozent aller Thüringer Unternehmen aus, Unternehmen mit weniger als neun Mitarbeitenden sogar 89 Prozent. Gerade für kleinere Unternehmen ist es herausfordernd, neben all ihren anderen Aufgaben das Anwerben und Halten von internationalen Fachkräften zu organisieren. Alexander Reuß von der Thüringer Agentur Für Fachkräftegewinnung (ThAFF) zufolge benötigen sie Unterstützung zum Auf- und Ausbau von Willkommensstrukturen. Denn häufig haben Sie keine Personalabteilung, die sich um diese Belange kümmert. "Die Integration wird dann von der Belegschaft übernommen", sagt Reuß.
Thüringen hat mehrere Projekte, um die Aufnahme von Ausbildung oder Arbeit von Ausländer*innen in zu fördern, darunter die „German Professional School“. Zudem fördert das Land Sprachausbildung und die Anwerbung von Auszubildenden aus Drittstaaten sowie Begleitungen für Personen, die nach Thüringen gekommen sind. Quelle
Von Fabian Sugar
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