Dieser Artikel ist ursprünglich am 19. Juli 2021 erschienen.
Am 22. Juli 2016 tötete ein Attentäter in München neun Menschen und verletzte fünf weitere. Alle Todesopfer hatten Migrationsbiografien oder gehörten zur Minderheit der Sinti und Roma.Quelle
Factsheet zu "5 Jahre OEZ-Attentat" hier (pdf).
Einschätzungen von Fachleuten zum Anschlag hier (Artikel).
Der Ablauf des Anschlags
21./ 22. Juli 2016
- Der spätere Attentäter fordert auf Facebook andere Nutzer dazu auf, in die McDonald‘s-Filiale am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) zu kommen. Er hält sich dort ab 17 Uhr auf.
17.51 bis 17.59 Uhr
- Der Attentäter beginnt im Restaurant auf Menschen zu schießen, tötet fünf Jugendliche und verletzt einen weiteren schwer. Dann verlässt er das Restaurant.
- Auf der Straße schießt er auf Fußgänger*innen und vorbeifahrende Autos. In der Nähe einer Tiefgarage erschießt er zwei Menschen und verletzt drei weitere Personen schwer.
- Ein weiteres Opfer tötet der Attentäter in der Nähe des U-Bahnhofs „Olympia-Einkaufszentrum“.
- Sein letztes Opfer tötet er im Einkaufszentrum.
18.04 Uhr
- Danach läuft der Attentäter auf das Parkdeck eines angrenzenden Parkhauses und schießt auf Anwohner*innen. Später versteckt er sich im Fahrradraum eines Wohnhauses.
ab 19.00 Uhr
- Wegen der unklaren Situationen und Gerüchten auf Social Media kommt es an verschiedenen Orten in der Stadt zu Panik. Zahlreiche Personen werden dabei verletzt. Insgesamt erhält die Polizei 71 Meldungen wegen vermeintlicher Schüsse.
20.26 Uhr
- Der Attentäter verlässt sein Versteck. Er trifft auf Polizist*innen, die ihn auffordern, seine Waffe niederzulegen. Der Attentäter erschießt sich.Quellen
Amoklauf oder rassistisches Attentat?
Bereits kurz nach der Tat ließen die bayerischen Sicherheitsbehörden verlauten, dass Mobbing-Erfahrungen des Täters "tatauslösend" gewesen seien und nicht eine politische Motivation. Damit galt die Tat lange als Amoklauf und nicht politisch motiviert. Aus Sicht der Behörden gab es dafür mehrere Hinweise:
- dass er von der 5. bis zur 8. Klasse Mobbing durch Mitschüler erlebt hatte,
- dass der Täter zeitweise in psychiatrischer Behandlung war und
- dass er sich mit dem Thema "Amoklauf" beschäftigt hatte.Quelle
An dieser Einschätzung gab es schon früh Kritik. Denn es gab zahlreiche Anhaltspunkte dafür, dass die Tat rassistisch motiviert war. Einige Beispiele:
- Das Datum des Anschlags: Es war der fünfte Jahrestag des rechtsextremen Anschlags in Oslo und Utøya am 22.7.2011.
- Gefundene Beweisstücke, darunter ein „Manifest“, in dem der Attentäter von „ausländischen Untermenschen“ spricht sowie ein weiteres am Tattag erstelltes Dokument mit dem Titel „Ich werde jetzt jeden Deutschen Türken auslöschen egal wer.docx".Quelle
- Der Attentäter wählte seine Opfer nach rassistischen Zuschreibungen aus. Er hatte keine persönlichen Verbindungen zu den Opfern.Quelle
- Die Gesinnung des Täters: Er äußerte sich mehrfach rassistisch.Quelle
- Online-Verhalten: Der Attentäter vernetzte sich unter anderem über Gaming Plattformen mit anderen Rassist*innen und Rechtsextremen. So war er laut Medienberichten auf der Plattform "Steam" u.a. im "Anti-Refugee Club" aktiv und hatte dort auch Kontakt mit einem Mann, der später in den USA ein rassistisches Attentat beging.Quelle
Erst spät als rassistisches Attentat eingestuft
Wegen der anhaltenden Diskussion um die Einstufung der Tat gab es mehrere Gutachten: Ein Gutachten im Auftrag der Polizei kam 2018 zu dem Schluss, dass es sich um einen Amoklauf gehandelt habe (Bannenberg). Die Stadt München gab insgesamt drei Gutachten in Auftrag (Hartleb, Quent, Kopke), die alle zu dem Schluss kamen, dass der Täter rassistische Motive gehabt habe und es sich um eine politisch motivierte Tat gehandelt habe. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass sich eine psychische Erkrankung und eine politische Tatmotivation nicht ausschließen müssen.
Nach einer langen öffentlichen Debatte stuften die bayerischen Sicherheitsbehörden im Oktober 2019 die Tat als politisch motiviert ein. Die langjährige Einstufung der Tat als Amoklauf führte dazu, dass kaum politische Konsequenzen gezogen wurden. Anders als bei den Anschlägen in Hanau oder Halle gab es nur wenig öffentliche Debatten. Die Staatsregierung verstärkte ihre Präventionsarbeit gegen Amokläufe.Quelle
Von Carsten Janke und Donata Hasselmann
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