An deutschen Schulen kommen immer weniger neu zugewanderte Schüler an. Ende 2016 waren es noch rund 137.000 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 18 Jahren, die neu nach Deutschland zugewandert waren. Das heißt, sie sind im Laufe des Jahres 2016 nach Deutschland gekommen. Gemessen an der Gesamtzahl aller Schüler in Deutschland geht ihr Anteil zurück: Zum Höhepunkt der Flüchtlingszuwanderung im Jahr 2015 lag der Anteil neu zugewanderter Schüler zeitweise bei 2 Prozent . Im Jahr 2016 bei unter 1,6 Prozent. Das liegt daran, dass insgesamt weniger Menschen nach Deutschland kommen.
Nicht alle diese Schüler waren Geflüchtete. Wie hoch ihr Anteil war, lässt sich nur vermuten: Rund 45 Prozent der neu zugewanderten Kinder und Jugendlichen kamen 2016 aus Syrien, Afghanistan, Irak. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass unter ihnen viele geflüchtete Kinder und Jugendliche waren. Erst dahinter, auf den Plätzen 4 und 5 der häufigsten Herkunftsstaaten, lagen europäische Staaten (Rumänien, Bulgarien). Das geht aus einer Sonderauswertung des Statistischen Bundesamtes hervor, die für den MEDIENDIENST erstellt wurde.
Auch wenn weniger Kinder und Jugendliche neu nach Deutschland kommen, werden Schulklassen vielfältiger. Das zeigen die Schulstatistiken, die jedoch nur "ausländische Schüler" zählen. In Sachsen stieg der Anteil "ausländischer" Schüler innerhalb von zwei Jahren von 3 auf 4 Prozent, in Nordrhein-Westfalen von 8 auf 10 Prozent und im Saarland von 9 auf 12 Prozent (hier die Zahlen für alle Bundesländer).
Mehr Kinder in Regelklassen
Wie viele Kinder und Jugendliche besuchen Vorbereitungsklassen? Der MEDIENDIENST hat nachgefragt bei den 16 Bildungsministerien der Länder. Aber verlässliche Statistiken gibt es kaum, da die Zahlen nicht einheitlich erhoben werden. Aus den Antworten lassen sich aber Tendenzen erkennen. Die Zahl der Kinder in Vorbereitungsklassen geht zurück, nachdem sie durch die Flüchtlingszuwanderung stark gestiegen war. Viele Kinder lernen inzwischen in Regelklassen und bekommen zusätzlich Sprachförderunterricht.
"Das heißt nicht unbedingt, dass sich in der Praxis etwas verbessert hat", betont allerdings die Bildungsforscherin Mona Massumi vom "Institut für LehrerInnenbildung" der Universität zu Köln. Der Wechsel in Regelklassen nach spätestens zwei Jahren sei in vielen Ländern gesetzlich vorgeschrieben. Vor allem wegen dieser Fristen-Regelung besuchten viele geflüchtete Kinder und Jugendliche inzwischen die Regelklassen. Dass Kinder und Jugendliche, die heute nach Deutschland kommen, schneller in Regelklassen wechseln könnten als früher, bezweifelt sie.
Beim Übergang in Regelklassen gibt es noch weitere Probleme: Laut Presseberichten wurden zum Beispiel in Berlin an mehreren Schulen die "Willkommensklassen" einfach in "internationale Klassen" umbenannt. Damit bestehen separierte Klassen für neu Zugewanderte faktisch fort - nur unter einem anderen Namen. In einer Expertise für den MEDIENDIENST hatten Wissenschaftler 2016 den Willkommensklassen noch weitere Probleme bescheinigt.
Die meisten Bundesländer geben an, weiterhin neue Lehrer für die Integration von neu zugewanderten Kindern einzustellen. So hat sich zum Beispiel in Schleswig Holstein die Zahl der Lehrer für "Deutsch als Zweitsprache" in den letzten beiden Jahren nahezu verdoppelt. In Sachsen ist sie in diesem Jahr um ein Drittel gestiegen. Dass Personalstellen geschaffen werden, sei gut, sagt Bildungsforscherin Massumi. Aber es sei nicht sicher, dass diese auch mit Fachkräften besetzt werden könnten. "Es gibt noch immer zu wenig Fachkräfte für Deutsch als Zweitsprache. In der Lehrerausbildung ist das Thema noch immer unterbelichtet." In einer aktuellen Studie zum Thema am Beispiel Bremens wird der Lehrermangel als großes Problem beschrieben.
Was sich verbessert hat: "Der Schreckmoment ist weg", sagt Massumi. Die meisten Lehrer wüssten inzwischen, was zu tun ist, wenn neu zugewanderte Schüler an die Schule kommen. Allerdings müsse Integration, ähnlich wie die Inklusion, als gesamt-schulische Aufgabe für alle Lehrer verstanden werden - nicht nur in den Vorbereitungsklassen. "Sonst bleibt die Arbeit an wenigen Lehrern hängen, die besonders engagiert sind."
Von Lea Hoffmann und Carsten Janke
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