Am 10. September beriet der Bundestag den Haushalt 2015 in erster Lesung. Die Bundeskanzlerin hielt aus diesem Anlass eine Grundsatzrede über zukunftsrelevante Themen. Dazu zählte auch das viel diskutierte Thema Flucht und Asyl, zu dem Angela Merkel beschwichtigende Worte wählte: "Eine menschliche Gesellschaft misst sich auch an ihrem Umgang mit den Schwächsten, mit denen, die unsere Hilfe und Unterstützung brauchen", sagte Merkel. "Das betrifft Menschen, die vor existenzieller Not fliehen. Viele von ihnen suchen Schutz in Europa, nicht wenige auch in Deutschland." Den Entscheidern, die ihre Asylverfahren bearbeiten, sprach sie ihre Hochachtung und ihren Dank aus. Zu ihren Politiker-Kollegen sagte sie: "Es ist ganz wichtig, dass wir behutsam und sehr verantwortungsvoll mit dieser Situation umgehen."
Die Kanzlerin mahnt aus gutem Grund zu einem verantwortungsvollen Umgang. Zum einen steigen die Asylbewerberzahlen in den vergangenen Jahren rapide. Zum anderen kamen in jüngster Zeit gleich mehrere repräsentative Untersuchungen zu bedenklichen Ergebnissen: Sie zeigen, dass die Ablehnung gegenüber Asylbewerbern und einigen anderen Minderheiten in der Bevölkerung hoch ist.
- Zuletzt tat dies im September 2014 die Studie "ZuGleich – Zugehörigkeit und Gleichwertigkeit", des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung. Die Wissenschaftler der Universität Bielefeld kommen darin zu dem Schluss, dass mehr als jeder Fünfte in Deutschland starke Vorurteile und Ablehnung gegenüber Asylbewerbern, Sinti und Roma sowie Muslimen äußerte. Die Befragten werfen Flüchtlingen pauschal vor, sie würden bewusst täuschen, um einen Aufenthaltsstatus zu erlangen.
- Eine Befragungs-Studie, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben wurde, kam kurz zuvor zu ähnlichen Befunden: Asylbewerber werden als fremd (23 Prozent) und problematisch in ihrem Verhalten wahrgenommen – sie provozierten die Feindseligkeit, sagten 41 Prozent der Befragten.
- In der Studie "Die stabilisierte Mitte" von Juni 2014 stellen die Forscher der Universität Leipzig sogar noch höhere Ablehnungswerte fest: "84,7 Prozent der Befragten in den neuen und 73,5 Prozent der Befragten in den alten Bundesländern lehnen die Forderung ab, der Staat solle großzügig bei der Prüfung von Asylanträgen vorgehen. Wirkliche Verfolgung erlitten zu haben oder von ihr bedroht zu sein, gestehen nicht einmal 50 Prozent der Deutschen in Ost wie West den Asylsuchenden zu."
Jeder Dritte findet: Asylpolitik sollte weniger streng sein
Doch es gibt auch positive Signale in aktuellen Bevölkerungs-Befragungen: Aus den Transatlantic Trends 2014, einer internationalen Vergleichs-Umfrage im Auftrag des German Marshall Funds (GMF), geht hervor: Zwei Drittel der Deutschen stehen den Themen Migration und Integration positiv und offen gegenüber. Auch ist jeder Dritte (31 Prozent) der Meinung, dass die Regelungen gegenüber Flüchtlingen in Deutschland gelockert werden sollten. Das ist ein Spitzenwert im Vergleich zu anderen Ländern in Europa. Die Zahl der Deutschen, die die Integration der Nachkommen aus Einwandererfamilien als gelungen einschätzen, ist auf 52 Prozent gestiegen.
Auch die Studie "ZuGleich" der Universität Bielefeld zeigt: Fast jeder Zweite (47 Prozent) befürwortet die wachsende Vielfalt im Land. Und 36 Prozent der Bevölkerung in Deutschland will eine "stärkere Willkommenskultur für Migranten" (31 Prozent sind dagegen).
Der Integrationsbarometer im SVR-Jahresgutachten 2014 misst alle zwei Jahre "die Befindlichkeiten" im Einwanderungsland und das Integrationsklima. Letzteres sei "anhaltend freundlich", erklärte der Sachverständigenrat bei der Präsentation der Studie im April 2014. In Schulnoten umgerechnet gaben Befragte mit und ohne Migrationshintergrund in allen bisherigen Barometern der Integration in Deutschland eine Zwei für "gut".
Von Ferda Ataman und Parissa Hajebi
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