Die Bundesregierung kündigte Anfang März an, einen "Kabinettausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus" einzurichten. Das Gremium soll Maßnahmen ergreifen, um Rechtsextremismus, Rassismus, Antisemitismus und weitere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen. Die erste Sitzung ist für den 20. Mai geplant.
In einer Expertise für den MEDIENDIENST schreiben Timo Reinfrank und Fabian Schroers von der Amadeu Antonio Stiftung, was die Bundesregierung bislang gegen Rechtsextremismus unternommen hat – und was der neue Ausschuss leisten müsste.
Die vollständige Expertise finden Sie hier.
Welche Maßnahmen gibt es?
Seit den 2000er Jahren hat die Bundesregierung mehrere Maßnahmen ergriffen, um Rechtsextremismus zu bekämpfen. Dazu gehören etwa die Programme "Demokratie leben!" und "Zusammenhalt durch Teilhabe", mit denen die Bundesregierung Projekte fördert, die sich gegen Extremismus einsetzen. 2019 beschloss das Kabinett ein "Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität". Geplant ist unter anderem, das Waffenrecht zu verschärfen und Hasskriminalität im Netz besser zu verfolgen.
Trotz dieser Maßnahmen: Das Problem des Rechtsextremismus sei lange verharmlost worden, schreiben die Autoren. Das räche sich nun. Denn angesichts der Radikalisierung von rechts bleibe nicht mehr viel Zeit, um wirksame Maßnahmen zu entwickeln. Der Druck auf den Kabinettausschuss sei daher hoch.
Was sollte der Kabinettausschuss tun?
Laut Timo Reinfrank und Fabian Schroers sollte der Kabinettausschuss vor allem folgende Aufgaben wahrnehmen:
- Er sollte ein übergeordnetes Konzept gegen Rechtsextremismus entwickeln. Bislang fehle eine strategische Ausrichtung. Auch sei nicht bekannt, was die bisherigen Maßnahmen gebracht haben. "Der Kabinettausschuss muss eine Evaluation anstoßen und erfolgreiche Initiativen in einer Bundeskonzeption bündeln, die alle Ressorts einbezieht und regelmäßig weiterentwickelt wird."
- Der Ausschuss sollte sicherstellen, dass Polizei und Justiz in Ermittlungen die Perspektive von Betroffenen einbeziehen. Potentielle Opfer rechter Gewalt müssten umgehend von den Sicherheitsbehörden informiert werden, wenn es Erkenntnisse zu konkreten Gefahren gibt. Das Veröffentlichen von "Feindeslisten" sollte unter Strafe gestellt werden, so die Autoren.
- Der Ausschuss sollte schnellstmöglich ein "Demokratiefördergesetz" auf den Weg bringen, um Projekte gegen rechts dauerhaft abzusichern. Viele Projekte würden nur befristet gefördert. Bei den Engagierten führe das zu immer stärkeren Ermüdungserscheinungen, schreiben die Autoren.
- Ebenso wichtig sei eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts. Seitdem Attac seine Gemeinnützigkeit verloren hat, seien viele Initiativen verunsichert. Demokratiearbeit und das Engagement gegen Rassismus müssten dringend als Voraussetzungen für eine Gemeinnützigkeit anerkannt werden.
- Radikalisierungsverläufe von Rechtsextremen werden bislang nicht dauerhaft erfasst. Der Kabinettausschuss sollte hier nachbessern und Frühwarnsysteme einführen.
- Die Forderungen der NSU-Untersuchungsausschüsse sollten evaluiert und umgesetzt werden. Besonders wichtig sei die Einrichtung von Staatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit Hasskriminalität befassen.
- Um Hass im Netz zu begegnen, plant die Bundesregierung eine Reform des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes. Timo Reinfrank und Fabian Schroers sehen die Reform jedoch kritisch: Für eine langfristige Prävention von Hate Speech brauche es andere Maßnahmen wie etwa dauerhafte Investitionen in Medienkompetenz.
Offenlegung: Die Amadeu Antonio Stiftung gehört zu den Förderern des MEDIENDIENSTES.
Von Jennifer Pross
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