Im August begann die Pilotphase für die Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren ("Anker-Zentren"). Bis zu 1.500 Personen werden in einer Einrichtung wohnen. Um das Asylverfahren zu beschleunigen, werden in den Zentren mehrere Behörden vertreten sein, darunter das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Polizeibehörden, Gesundheitsämter und Verwaltungsgerichte. In Zukunft sollen nur noch Geflüchtete auf die Kommunen verteilt werden, deren Asylantrag positiv entschieden wird oder als aussichtsreich gilt. Alle anderen sollen direkt aus den Zentren abgeschoben werden oder freiwillig rückkehren.
Zahlreiche Fragen zu den Anker-Zentren sind noch offen: Werden die Verfahren tatsächlich effizienter? Welche Folgen haben die Zentren für Geflüchtete? Und wie wirkt sich die Neuregelung auf die Kommunen aus? Für den MEDIENDIENST haben die Migrationsforscher Sabine Hess, Andreas Pott, Hannes Schammann, Albert Scherr und Werner Schiffauer diese Fragen in einer Kurzstudie untersucht.
Die Kurzstudie können Sie hier herunterladen.
Die zentralen Ergebnisse sind:
- Anker-Zentren werden zu Isolation und Belastungen bei Geflüchteten führen – die soziale und berufliche Integration wird erschwert. Dies wird hohe Folgekosten hervorrufen.
- Anker-Zentren vernachlässigen die Bedeutung lokaler Unterstützungsstrukturen und laufen Gefahr, deren Wissen zu verlieren.
- Anker-Zentren werden als Fremdkörper in den Kommunen wahrgenommen werden. Sie können einen Nährboden für Vorurteile liefern.
- Ob die Asylverfahren beschleunigt werden, ist fraglich.
- Die bisherige Planung der Anker-Zentren berücksichtigt die Situation vulnerabler Gruppen wie Frauen und Kinder nicht ausreichend.
Anker-Zentren verhindern Teilhabe und schüren Vorurteile
Forschungen zeigen, dass die Unterbringung in Sammelunterkünften zu hohen Belastungen bei Geflüchteten führen kann. Denn Asylsuchende finden dort wenig Rückzugsräume und müssen mitunter lange auf die Entscheidung über den Asylantrag warten. Diese Probleme könnten sich mit den Anker-Zentren weiter verschärfen, heißt es in der Kurzstudie. Denn diese sind für bis zu 1.500 Menschen ausgelegt, zudem wird die maximale Aufenthaltsdauer auf 18 Monate verlängert.
Auch erschwerten die Zentren den Integrationsprozess: Da Geflüchtete in Anker-Zentren kaum Zugang zu Integrations- und Sprachangeboten haben werden, nicht arbeiten dürfen und kaum am Alltagsleben teilnehmen können, müsse die Integration im Anschluss „nachgeholt“ werden. Verspätete Maßnahmen seien meist langwierig und kostenaufwendig. In den vergangenen Jahren haben lokale Initiativen einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung von Geflüchteten geleistet, schreiben die Forscher. Die Anker-Zentren aber würden Begegnungen zwischen Geflüchteten und lokalen Gruppen erschweren. Die Forscher waren davor, dass die Flüchtlings- und Integrationspolitik um Jahre zurückgeworfen wird, wenn auf diesen Strukturen nicht aufgebaut wird.
Zudem sei es ist fraglich, ob die Asylverfahren mit den Anker-Zentren beschleunigt werden. Es reiche nicht, dass verschiedene Behörden in den Zentren vertreten sind. Um die Asylverfahren zu verbessern, müssten von Beginn an Rechtsberater und Anwälte in das Verfahren eingebunden werden. Das sei bisher nicht in ausreichendem Umfang geplant.
Welche Alternativen gibt es zu den Anker-Zentren?
Aus migrationswissenschaftlicher Perspektive sei den Anker-Zentren mit großer Skepsis zu begegnen, so das Fazit der Forscher. Sie schlagen andere Maßnahmen vor: In den vergangenen Jahren seien erfolgreiche Konzepte der Unterbringung in Wohnungen entwickelt worden. Diese erleichterten den Kontakt zur Gesellschaft vor Ort und ermöglichten eine selbstbestimmtere Lebensführung. Weiterhin plädieren die Forscher dafür, die Asylverfahren an die Bundesländer abzugeben. Denn dezentrale Strukturen hätten sich in der Vergangenheit bewährt.
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