Dieser Artikel ist urusprünglich am 8.2.2023 erschienen
Wenn Ausländer*innen in Deutschland eine oder mehrere Straftaten begehen, kann die Ausländerbehörde den Aufenthaltstitel entziehen. In diesen Fällen spricht man von einer "Ausweisung". Ausgewiesene Personen sind verpflichtet, Deutschland zu verlassen. Wenn sie das nicht tun, können sie abgeschoben werden. Auf eine Ausweisung folgt nicht immer eine Abschiebung: Wenn etwa der ausreisepflichtigen Person im Herkunftsland eine Gefahr für Leib und Leben droht, kann es ein sogenanntes Abschiebungsverbot geben.
Welche Regeln gelten für straffällige Ausländer*innen? Können anerkannte Flüchtlinge abgeschoben werden? Der MEDIENDIENST beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.
Wann können ausländische Straftäter*innen ausgewiesen werden?
Nach dem Aufenthaltsgesetz verfügt eine Ausländerbehörde eine Ausweisung, wenn ein*e Ausländer*in "die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder die freiheitliche demokratische Grundordnung" gefährdet. In jedem Einzelfall muss die Behörde prüfen, ob das "Bleibeinteresse" oder das "Ausweisungsinteresse" überwiegt.
Ein starkes "Ausweisungsinteresse" besteht etwa, wenn Ausländer*innen schwere Straftaten begehen oder terroristischen beziehungsweise verfassungsfeindlichen Organisationen angehören. Auch das persönliche Verhalten kann erschwerend wirken: Ein "Ausweisungsinteresse" kann auch bestehen, wenn die Person Drogen konsumiert oder Angehörige zu einer Zwangsehe genötigt hat. Das "Bleibeinteresse" überwiegt hingegen, wenn die Person lange in Deutschland gelebt hat – oder wenn sie persönliche, familiäre oder wirtschaftliche Bindungen zum Land hat.
"Leider sind die Kriterien für das Ausweisungs- beziehungsweise Bleibeinteresse nicht eindeutig", sagt der Rechtsanwalt Julius Becker. Es gebe Fälle, in denen Personen aus geringfügigen Gründen ausgewiesen wurden – etwa wegen wiederholter Ordnungswidrigkeiten oder aufgrund eines reinen Tatverdachts.
Was passiert, wenn Ausländer*innen ausgewiesen werden?
Ausgewiesene Ausländer*innen verlieren ihren Aufenthaltstitel und werden somit "ausreisepflichtig" – das heißt, sie müssen Deutschland binnen eines Monats verlassen. Wenn sie das nicht tun, können sie abgeschoben werden. Sie bekommen zudem ein Einreiseverbot für maximal zehn Jahre. Sie können gegen die Ausweisungverfügung klagen – können aber trotzdem in der Zwischenzeit abgeschoben werden. Ausweisung und Abschiebung erfolgen unabhängig von anderen Strafen. Das heißt: Ein*e straffällig gewordene*r Ausländer*in kann in Deutschland eine Haftstrafe absitzen und im Anschluss abgeschoben werden.
Können Flüchtlinge ausgewiesen werden?
Ja. Es gibt jedoch Einschränkungen. Schutzsuchende im Asylverfahren sowie anerkannte Flüchtlinge können prinzipiell nur "bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung" ausgewiesen werden. Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention genießen zudem einen besonderen Schutz gegen Ausweisung.
Müssen ausgewiesene Flüchtlinge abgeschoben werden?
Wenn eine schutzsuchende Person in Deutschland ausgewiesen wird und somit ihren Aufenthaltstitel verliert, heißt das nicht, dass sie abgeschoben wird. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge muss zunächst prüfen, ob im Herkunftsland das Leben oder die Freiheit der ausreisepflichtigen Person bedroht sind. Wenn das der Fall ist, gilt ein Abschiebungsverbot. "Ein Abschiebungverbot ist eine ganz klare Linie, die nicht überschrtitten werden darf", sagt der Rechtswissenschaftler Constantin Hruschka. "Wenn die grundlegenden Menschenrechte einer Person im Herkunftsland bedroht sind, darf sie nicht abgeschoben werden – unabhängig davon, was sie verbrochen hat." Die Abschiebung kann auch scheitern, wenn Reisedokumente fehlen oder wenn die Identität der ausreisepflichtigen Person nicht geklärt werden kann – das ist zum Beispiel der Fall bei vielen Kriegsflüchtlingen und Staatenlosen.
Was passiert mit ausgewiesenen Personen, die nicht abgeschoben werden können?
Ausländer*innen, die ihren Aufenthaltstitel verlieren und nicht abgeschoben werden, bekommen eine Duldung. Das bedeutet unter anderem, dass sie nicht frei reisen und nicht standesamtlich heiraten können und eingeschränkte Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten haben. Wenn eine Abschiebung voraussichtlich nicht möglich ist, kann die Ausweisung und die damit verbundene Duldung, kontraproduktiv sein – auch bei Straftäter*innen, sagt Rechtsanwalt Becker. Die unsichere rechtliche Lage, die mit der Duldung einhergeht, erschwere die Reintegration von Straftäter*innen. "Es kommt vor, dass Personen, die sich mit großer Mühe eine Zukunftsperspektive in Deutschland erarbeitet haben, diese aufgrund einer Ausweisung verlieren", so Becker.
Von Fabio Ghelli
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