Wenn es um die Unterbringung von Geflüchteten geht, schlagen Kommunen und Länder immer wieder Alarm. Doch nach Ansicht des Migrationsforschers Hannes Schammann ist das System noch standhaft. "Das Aufnahmesystem steht nicht vor dem Kollaps", sagte der Wissenschaftler von der Universität Hildesheim bei einem Pressegespräch des Mediendienst Integration.
Zwischen der politischen Ebene und der Verwaltung erlebt Schammann bei seinen Gesprächen einen Unterschied in der Einschätzung der Lage. In den allermeisten Fällen sagten ihm die Mitarbeitenden in der Verwaltung: "Wir sind am Anschlag, aber wir können das." Er betonte außerdem, dass es große Unterschiede zwischen den Kommunen gebe. Überfüllte Turnhallen seien "keineswegs die Regel". Wie gut die Unterbringung von Geflüchteten funktioniere, sei meist abhängig davon, wie stark Migrationsthemen seit 2015-2016 in Institutionen verankert wurden.
Gerechte Verteilung auf Länder und Kommunen
Auch der Referatsleiter im rheinland-pfälzischen Integrationsministerium, Elias Bender, sieht die Kommunen und Länder gut gerüstet. "Deutschland und Europa haben ein starkes Aufnahmesystem." Auch wenn es an der ein oder anderen Stelle Herausforderungen gebe, sei er optimistisch für die kommenden Monate. Alle beobachteten die Lage "höchst aufmerksam" und seien bereit, bei Veränderungen der Flüchtlingszahlen sofort zu reagieren. Ob im Winter wieder deutlich mehr Ukrainer*innen in Deutschland Schutz suchen werden, hält Bender allerdings – ebenso wie Migrationsforscher Schammann - für schwer vorhersagbar.
"Match’In", um Verteilung zu optimieren
Die Herausforderung, so Bender, sei insbesondere die faire Verteilung der Geflüchteten auf Länder und Kommunen. In Deutschland werden Geflüchtete nach dem so genannten Königsteiner Schlüssel vom Bund auf die Länder verteilt – und von den Ländern dann weiter auf die Kommunen.
Die Verteilung verbessern will das Pilotprojekt "Match’In" der Universität Hildesheim und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg: Ein neues Verteilverfahren kalkuliert mithilfe von Algorithmen Ressourcen und Bedarfe mit ein. In einem Matching Prozess werden Bedürfnisse der Schutzsuchenden mit den Bedarfen von Kommunen zusammengeführt. Dieser Prozess soll die Integration vor Ort begünstigen, so Sonja Reinhold, wissenschaftliche Mitarbeiterin des "Match’In" Projektes.
"Private Gastgeberschaft gehört in den Instrumentenkoffer einer resilienten Gesellschaft"
Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben sich einige zivilgesellschaftliche Initiativen gegründet, welche bei der Unterbringung von Geflüchteten helfen. Die Initiative "#UnterkunftUkraine" vermittelt privaten Wohnraum. Bisher registrierten sich über 360.000 Menschen, welche insgesamt 160.000 Schlafmöglichkeiten bereitstellten. Projektleiterin Georgia Homann sagte, private Gastgeber*innen seien bereit, in die Lücke zu springen. "Sie wollen aber auch gesehen und unterstützt werden." Dazu gehöre finanzielle Unterstützung und Hilfe bei bürokratischen Prozessen. Homann sprach sich dafür aus, private Initiativen zu verstetigen - auch für andere Krisensituationen wie Waldbrände oder Flutkatastrophen, in denen kurzfristig Unterkünfte benötigt werden. "Private Gastgeberschaft gehört in den Instrumentenkoffer einer resilienten Gesellschaft."
Von Jemima Devendraraj
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