Dieser Text ist auch auf Englisch erschienen.
Dieser Artikel ist erstmals 2019 erschienen. Aus aktuellem Anlass präsentieren wir ihn erneut.
Charlie Beckett von der London School of Economics rät dazu, in Berichten über Rechtsextremismus und rechten Terror möglichst präzise Begriffe zu verwenden. 2016 zeigte er in einer Studie, dass Medien oft auf Beschreibungen wie "einsamer Wolf", "böse" oder "Terrorist" zurückgreifen. Die Begriffe hinterließen vor allem eine emotionale Wirkung bei den Leserinnen und Lesern, seien aber rechtlich nicht definiert und daher nicht präzise genug.
Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung sieht das ähnlich. Zusätzlich empfiehlt sie Medienschaffenden, zu erklären, warum sie bestimmte Begriffe benutzen: "Den Leserinnen und Lesern muss klar werden, was genau an einer Tat rechtsextremistisch, rassistisch oder antisemitisch war."
Wichtig sei auch, rassistische Taten als solche zu benennen und sie nicht als "fremdenfeindlich" zu verharmlosen. Oft würden beide Begriffe synonym verwendet, sagt Rafael: "Rechte Gewalt ist aber nicht fremdenfeindlich, sie richtet sich gegen People of Color, nicht gegen Dänen oder Iren, und sie richtet sich nicht nur gegen 'Fremde', sondern auch gegen in Deutschland geborene Menschen. Das ist Rassismus und sollte so benannt werden."
Anders als bei militant islamistischen Straftaten wird rechtsextremistische Gewalt eher unwillig mit Terrorismus in Verbindung gebracht, sagt die Journalistin und Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke. Laut einer Untersuchung aus dem Jahr 2019 werden islamistische Extremistinnen und Extremisten in Medienberichten dreimal so oft als Terroristen bezeichnet wie Rechtsextreme. "Das suggeriert, dass rechte Straftaten vor allem auf Individualstraftäter zurückgehen – und birgt die Gefahr, das Phänomen im politischen Kontext zu verharmlosen", so Röpke.
Betroffene sichtbar machen
Nach rassistisch motivierten Anschlägen liegt der Fokus oft auf den Tatverdächtigen. Laut Röpke gerät dabei aus dem Blick, welche Folgen rechte Gewalt für die Betroffenen und ihr Umfeld hat. Sie empfiehlt daher, öfter mit Betroffenen zu sprechen und dafür zu sorgen, dass sie Unterstützung erhalten. Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena betont, dass auch die gesellschaftlichen Folgen rechter Straftaten wichtig seien: "Rechte Gewalt wertet ganze Bevölkerungsgruppen ab und verstößt gegen unser soziales Wertesystem. Das muss in den Medien stärker diskutiert werden." Zudem müsse in den Berichten deutlich werden, dass Betroffene keinerlei Schuld dafür tragen, was ihnen passiert ist.
Daneben sollten Medien auch vermeiden, Aussagen von Tatverdächtigen wörtlich wiederzugeben, sagt Charlie Beckett: "Es ist nicht nötig, aus dem ‚Manifest‘ von Terroristen zu zitieren. Denn das birgt die Gefahr, rechtes Gedankengut zu reproduzieren." Nach dem Anschlag in Christchurch haben sich neuseeländische Medien darauf geeinigt, Täter nicht mehr zu zitieren. Zudem wollen sie in der Berichterstattung keine Symbole zeigen, die rechte Ideologie fördern könnten.
Gründlich recherchieren und Klischeebilder vermeiden
"Schneller ist nicht immer besser", warnt Andrea Röpke. Zwar müssten Medien zeitnah auf wichtige Ereignisse reagieren. Sie rät Kolleginnen und Kollegen aber dazu, sich Zeit zu nehmen, um gründlich und unabhängig zu recherchieren, mit Fachleuten zu reden und den gesellschaftlichen Kontext zu analysieren.
Worauf Medien ganz verzichten sollten? "Auf das Klischeebild vom Neonazi in Springerstiefeln", sagt Simone Rafael. "Es zementiert die überholte Vorstellung, dass Rechtsextremismus ein gesellschaftliches Randphänomen ist."
Von Sophia Burton
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