Ohne ausländische Arbeitskräfte geht kaum noch etwas in der Fleischindustrie. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hat jeder dritte Beschäftigte eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Neue Stellen werden fast nur noch mit ausländischen Arbeitskräften besetzt. Experten berichten, dass in Rumänien und Bulgarien vermehrt um Arbeitskräfte geworben wird, die dann für einen Job in der Fleischbranche nach Deutschland kommen.Quelle
Für ihre Arbeitsbedingungen steht die Fleischindustrie schon lange in der Kritik. Die Arbeit in den Schlachtbetrieben ist anstrengend und monoton, berichtet Ursula Mense-Petermann. Die Soziologin von der Universität Bielefeld war für ein Forschungsprojekt in Fleischbetrieben unterwegs. "Selbst in einer gepolsterten Jacke friert man nach zwei Stunden. Manche Beschäftigte schlachten und zerlegen aber bis zu zehn Stunden am Tag."
Beschäftigte, die aus dem Ausland stammen, arbeiten in den Schlachtbetrieben oft unter besonders prekären Bedingungen. Nicht selten müssen sie unbezahlte Überstunden leisten. In kleineren Betrieben sind sie oft bei Subunternehmern angestellt, die keine Sozialabgaben für sie zahlen.
Was hat sich verbessert?
In den letzten Jahren haben sich die Arbeitnehmerrechte verbessert. Ein Großteil der Beschäftigten, die einen ausländischen Pass haben, arbeitet inzwischen mit einem deutschen Arbeitsvertrag. Zuvor waren sehr viele als Beschäftigte von ausländischen Subunternehmer angestellt gewesen – mit geringerem Lohn und weniger Rechten als deutsche Arbeitnehmer.
Viele große Unternehmen hatten sich 2015 zu dieser Änderung bereiterklärt, nachdem Gewerkschaften und Öffentlichkeit lange Kritik geäußert hatten. Seitdem wurden auch die Kontrollen verstärkt, um die Einhaltung der Arbeitsverträge zu überprüfen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung schätzt, dass sich die Situation für rund 15.000 ausländische Arbeitskräfte dadurch verbessert hat. Auch deshalb ist der Ausländeranteil stark gestiegen, weil viele Beschäftigte einen deutschen Arbeitsvertrag bekommen haben und somit erstmals in der Statistik auftauchen. Quelle
Außerdem wurden die gesetzlichen Regeln verschärft. Seit 2017 gilt in der Fleischbranche die "Nachunternehmerhaftung". Das heißt: Schlachtbetriebe müssen darauf achten, dass ihre Subunternehmer auch Sozialabgaben für die Beschäftigten zahlen. Diese Regelung, die bislang nur in der Fleischindustrie und in der Baubranche gilt, könnte in Zukunft auch auf die Paketbranche übertragen werden, erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im März.Quelle
Experten-Statements: Wo gibt es noch Probleme in der Fleischindustrie?
Prof. Dr. Ursula Mense-Petermann, Soziologin von der Universität Bielefeld
Billigfleisch wäre ohne ausländische Arbeitskräfte unmöglich. Besonders hart ist es für Arbeiter, die über Werkverträge bei Subunternehmern angestellt sind. Sie berichten von Betrug und Ausbeutung. Bis zu 60 Arbeitsstunden pro Woche sind die Regel, Überstunden werden nicht immer wie vorgeschrieben bezahlt.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Eine Zeit lang war der Zuzug osteuropäischer Arbeitskräfte beschränkt. In dieser Phase wurden sie oft zeitlich begrenzt "entsendet", häufig unter extrem prekären Bedingungen. Inzwischen sind diese Beschränkungen weggefallen. Viele Arbeitskräfte kommen heute auf Dauer mit ihren Familien und haben hier sozialversicherungspflichtige Jobs.
Thomas Bernhard, Referatsleiter für Fleischwirtschaft bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
In großen Betrieben in der Fleischindustrie haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren durchaus verbessert. Da wo der Zoll regelmäßig kontrolliert, hat es keine schlimmeren Ausfälle mehr gegeben. Stärkere Regulierungen und Kontrollen haben aber nicht überall geholfen. In kleineren, regionalen Schlachthöfen sind die Bedingungen noch immer problematisch. Die Werkverträge müssen weg aus den Kern-Arbeitsbereichen der Unternehmen. Subunternehmer haben in diesen Bereichen nichts zu suchen.
Kontakte
Prof. Dr. Mense-Petermann, Soziologin an der Universität Bielefeld / Kontakt
Thomas Bernhard, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) / Kontakt
Wichtige Quellen
Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu ausländischen Beschäftigten in der Fleischindustrie / pdf
Branchenmonitor zur Fleischindustrie der Hans-Böckler-Stiftung, November 2018 / Link
Von Carsten Janke
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