Alle zwei Jahre geben das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Kultusministerkonferenz der Länder einen Bildungsbericht heraus. Der Schwerpunkt der aktuellen Analyse "Bildung in Deutschland" lag auf der Inklusion von Menschen mit Behinderung. Auch zum Thema Bildung im Einwanderungsland trifft er einige Aussagen. Demnach hat gut ein Drittel aller Kinder unter sechs Jahren mittlerweile einen Migrationshintergrund. In einigen westdeutschen Bundesländern stellen sie sogar bis zu 40 Prozent aller Vorschulkinder.
Bezüglich der Schulabschlüsse stellt der Bericht fest:
- Immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund erwerben die Hochschulreife: 37 Prozent der 30- bis 34-Jährigen haben Abitur, während der Anteil bei den 60- bis 64-Jährigen mit Migrationshintergrund bei nur 24 Prozent liegt.
- Jedoch haben die 30- bis 34-Jährigen mit Migrationshintergrund fünf Mal so häufig keinen allgemeinbildenden Schulabschluss, wie ihre Altersgruppe ohne Migrationshintergrund.
Hinsichtlich der beruflichen Ausbildung zeigt die Datenanalyse, dass noch große Unterschiede zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen.
- Der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ohne beruflichen Bildungsabschluss bei den 30- bis 34-Jährigen ist mit 35 Prozent immer noch drei Mal so hoch wie bei gleichaltrigen Personen ohne Migrationshintergrund (11 Prozent).
- Trotzdem erzielen sie damit einen besseren Durchschnitt als die ältere Generation der Einwanderer.
- Ausländische Jugendliche sind beim Zugang zur Berufsausbildung stark benachteiligt. Fast die Hälfte von ihnen kommt ins sogenannte Übergangssystem, das den Übergang von der Schule in eine Ausbildung erleichtern soll. Bei den Deutschen betrifft dies nur jeden Vierten.
Der Bericht verweist ebenfalls auf Unterschiede bei der frühkindlichen Bildung. So sind Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern und solche ohne Migrationshintergrund vor der Einschulung nicht nur öfter in nicht-elterlichen Spielgruppen oder Kindertageseinrichtungen, sondern werden auch in der Familie stärker gefördert.
Gründe für das schlechtere Abschneiden
Laut einer Studie des SVR-Forschungsbereichs ist besonders in Großstädten Segregation in Schulen eine große Herausforderung im Bildungswesen. Ursache dafür seien vor allem die wohnräumliche Trennung verschiedener Bevölkerungsgruppen und die ungleiche Verteilung von Familien mit Migrationshintergrund im Stadtgebiet. Auch die Schulwahl der Eltern spiele eine Rolle. Ein weiterer Grund für die ungleiche Aufteilung von Schülern an Schulen sind der Studie zufolge ungerechte Übergangsempfehlungen von Grundschulen für Kinder mit Migrationshintergrund. In diese Empfehlungen gingen häufig auch ethnische und soziale Kriterien ein, berichtet Hacı-Halil Uslucan, Mitglied des Sachverständigenrats (SVR) in einem Expertengespräch des Mediendienstes.
Die Soziologin Juliane Karakayali spricht in dieser Runde deshalb sogar von „institutionellem Rassismus“. Demnach erhielten Schüler mit Migrationshintergrund bei gleichen Leistungen oft schlechtere Noten als Herkunftsdeutsche. Probleme von „Migrationshintergründlern“ würden oft durch eine Brille kultureller Vorurteile betrachtet – dabei spielten zum Beispiel stereotype Vorstellungen über den Islam eine Rolle. Eine weitere Beobachtung von Karakayali ist, dass Schüler mit Migrationshintergrund häufig unhinterfragt als „bildungsfern“ gekennzeichnet würden. Die Kategorie „Bildungsferne“ ist laut der Wissenschaftlerin jedoch analytisch nicht klar definiert.
Oft würden diese Schüler dann auch als eine Gefahr für guten Unterricht und für das Image der Schulen betrachtet. Das sei wohl auch einer der Gründe, warum einige Schulen Kinder mit nicht deutsch klingenden Nachnamen nicht aufnähmen, so Karakayali. Besonders die Zwei- oder Mehrsprachigkeit der Schüler werde oft als Beeinträchtigung gesehen. So werden in Berlin Schüler der Kategorie „Nicht-deutscher Herkunftssprache“ (ndH) zugeordnet. Eigentlich geht es dabei um die Umgangssprache, welche die Kinder mit ihren Eltern zu Hause sprechen. In der Praxis bleibt die Kategorie eher schwammig: So entschieden Sekretärinnen häufig eher nach dem Aussehen und den Nachnamen der Schüler. In diesem Zusammenhang merkt Karakayali an, dass es bis in die neunziger Jahre hinein in Berlin sogenannte "Ausländerregelklassen" gab, die ebenfalls zu einer strukturellen Benachteiligung von Kindern aus Einwandererfamilien beigetragen haben.
Von Lea Hoffmann und Jakob Roßa
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