Wer als Jugendlicher nach Deutschland einwandert, hat es schwer, einen guten Schulabschluss zu erreichen. Das deutsche Schulsystem schafft es oft nicht, neuzugewanderte Schüler*innen gut zu begleiten. Andere Länder sind da erfolgreicher. Forscher*innen der Universität Bremen haben drei innovative Schulen in Kanada, Schweden und den USA untersucht. Das Team wollte wissen, wie die Schulen mit Migration und Vielfalt umgehen. Und was Deutschland von diesen Beispielen lernen kann. Eine Menge – so das Fazit der Bildungsforscher*innen Dita Vogel und Torben Dittmer in einer Expertise für den MEDIENDIENST.
Was den Erfolg der Schulen ausmacht? Zum einen ist es ihr Blick auf die neuzugewanderten Schüler*innen. Die Schulen fragen nicht nur, was die Kinder und Jugendlichen nachholen müssen. Sie schauen, was die Kinder bereits können und wie sich darauf aufbauen lässt. Zudem werden Lehrkräfte nicht alleingelassen. Ihnen stehen andere Berufsgruppen zur Seite. Die unterstützen Lehrkräfte, zum Beispiel als Übersetzer*innen und Begleiter*innen im Unterricht.
Die vollständige Expertise finden Sie hier.
Wenn es um zugewanderte Schüler*innen geht, sieht das Forschungsteam drei große Herausforderungen in Deutschland:
- Viele ausländische Schüler*innen verlassen die Schule ohne Abschluss. Gerade wenn sie als Jugendliche zugewandert sind, schaffen Schulen es oft nicht, sie auf einen Abschluss vorzubereiten.
- Neuzugewanderte Schüler*innen können ihre Herkunftssprachen selten im Unterricht etwa für Recherchen verwenden – obwohl das die Sprachen sind, die sie am besten sprechen. Prüfungen müssen sie auf Deutsch ablegen.
- In ihrer Ausbildung werden Lehrer*innen nicht ausreichend darauf vorbereitet, mit Sprachenvielfalt umzugehen. Zudem haben sie zu viele unterschiedliche Aufgaben. Zwar unterstützten Sozialarbeiter*innen sie an einigen Schulen. Oft seien die aber nicht gleichberechtigte Mitglieder des Schulteams. Das erschwere die Zusammenarbeit.
Mehrsprachigkeit nutzen, das Kollegium weiterdenken
Die drei Schulen aus dem Ausland haben laut dem Bremer Forschungsteam gute Ansätze, um auf zugewanderte Schüler*innen einzugehen. So schaffen sie es etwa, dass viele von ihnen einen Abschluss erreichen.
Aus Schweden stellt das Forschungsteam eine Schule in Lidingö vor. Wenn Kinder neu zuwandern, finden die Lehrkräfte zunächst heraus, wie ihr Kenntnisstand in allen Fächern ist. Danach entwickeln sie einen Lehrplan, der individuell auf das Kind abgestimmt ist. Nach einem kurzen Sprachkurs nehmen Schüler*innen am normalen Unterricht teil. In der ersten Zeit steht ihnen eine Lernbegleitung zur Seite, die ihre Sprache spricht. Sie übersetzt falls nötig und unterstützt bei der Vor-und Nachbereitung des Unterrichts.
In New York haben die Forscher*innen eine Schule besucht, die sich an zugewanderte Jugendliche aus einkommensschwachen Familien richtet. Die Schule schafft es, dass viele der Schüler*innen einen High School-Abschluss erreichen. Die Schüler*innen erhalten von Anfang an Unterricht in allen Fächern, nicht nur in Englisch. Denn sie sollen in anderen Fächern nicht zurückbleiben. Obwohl der Unterricht auf Englisch stattfindet, können Schüler*innen alle Sprachen einbringen: Sie können zum Beispiel Bücher in ihrer Sprache lesen und in allen Sprachen recherchieren. Was zum Verständnis der fachlichen Inhalte hilft, ist erlaubt. Lehrkräfte der Schule arbeiten eng mit Sozialarbeiter*innen und Berater*innen zusammen, an die sich sowohl die Jugendlichen als auch die Eltern wenden können.
Auch an der Schule aus Winnipeg in Kanada gibt es neben Lehrer*innen viele weitere soziale Berufe. Zum Beispiel unterstützen mehrsprachige "Intercultural Support Workers" die Schüler*innen bei Hausaufgaben. Das Team soll möglichst viele Sprachen aus dem Stadtteil sprechen. So finden Schüler*innen und Eltern fast immer eine Ansprechperson, die ihre Sprache beherrscht. Bei Bedarf kann die Schule für ein Gespräch mit den Eltern auch mal ein Übersetzungsbüro zuschalten.
Von Andrea Pürckhauer
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.