Vor zweieinhalb Jahren trat das "Chancen-Aufenthaltsrecht" in Kraft. Dieses ermöglicht Geduldeten, die zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre oder länger in Deutschland leben, gemeinsam mit ihren Angehörigen eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" für 18 Monate zu bekommen (Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG).
Innerhalb dieser Zeit müssen sie die Voraussetzungen für ein längerfristiges Bleiberecht erfüllen. Dazu gehört, dass sie überwiegend selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, ausreichende Deutschkenntnisse haben und ihre Identität geklärt ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, können sie eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis bekommen – in der Regel nach §25a Aufenthaltsgesetz (für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige) oder §25b bei "nachhaltiger Integration". Wenn sie die Voraussetzungen innerhalb der 18 Monate nicht erfüllen, fallen sie in die Duldung zurück.
Ausgeschlossen vom Chancenaufenthalt sind Geduldete, die wiederholt Falschangaben über ihre Identität gemacht haben oder straffällig geworden sind.
Wie viele Personen haben das Chancenaufenthaltsrecht bekommen?
Als das Chancenaufenthaltsrecht Ende Dezember 2022 in Kraft trat, schätzte die Bundesregierung, dass rund 98.000 Personen einen Antrag stellen würden. Es wurde außerdem geschätzt, dass rund ein Drittel im Anschluss einen weiteren längerfristigen Aufenthaltstitel bekommen würden. Ende April 2025 sieht die Bilanz des Chancenaufenthaltsrechts folgendermaßen aus:
- 84.106 Personen haben einen Aufenthaltstitel nach dem Chancenaufenthaltsrecht bekommen.
- Zum Stichtag 30.4.2025 hatten noch etwa 31.400 Personen diesen Aufenthaltstitel. Die meisten von ihnen kamen aus dem Irak (ca. 5.100 Personen), der Russischen Föderation (3.900 Personen) und Nigeria (2.000 Personen).
- Von den Personen mit Chancenaufenthalt hatten zum 30.4.2025 rund 16.600 Personen eine weitere Aufenthaltserlaubnis (AufenthG 25a/b) bekommen. Das entspricht einer Übergangsquote von rund 20 Prozent.Quelle
- Die restlichen Personen, die einen Aufenthaltstitel nach dem Chancenaufenthaltsrecht hatten, sind in der Regel wieder in der Duldung, sind ausgereist oder haben einen anderen Aufenthaltstitel.
Chancenaufenthaltsrecht hat zur Identitätsklärung beigetragen
Das Chancenaufenthaltsrecht hat dazu beigetragen, die Identität von Geduldeten ohne Dokumente zu klären. Laut einer Analyse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom März 2025 haben besonders viele Personen ohne Identitätsdokumente (die deshalb eine "Duldung Light" hatten) einen Aufenthaltstitel nach dem Chancenaufenthaltsrecht bekommen – und dabei ihre Identität nachgewiesen. Zum Vergleich: Bei Personen ohne Chancenaufenthaltsrecht konnte in etwa einem Drittel der Fälle die Identität geklärt werden. Bei Personen mit Chancenaufenthaltsrecht war das bei knapp der Hälfte der Fall.
Geduldete haben noch bis Ende des Jahres Zeit, einen Aufenthaltstitel nach §104c AufenthG zu beantragen. Die Zahl der erteilten Aufenthaltstitel ging nach einem starken Anstieg 2023 ab Mitte 2024 allmählich zurück, wie das BAMF in seiner Analyse festgestellt hat. Auch variiert das ausgeschöpfte Potential von Bundesland zu Bundesland: Während in Brandenburg rund 80 Prozent der schätzungsweise berechtigten Personen ein Bleiberecht nach §104c AufenthG bekommen haben, waren es im Saarland nur etwa 30 Prozent (Stand: September 2024).
Laut Koalitionsvertrag der schwarz-roten Koalition soll das Chancenaufenthaltsrecht nicht in der bisherigen Form fortgeführt werden. Geplant ist aber ein Aufenthaltstitel für "gut integrierte" Geduldete, die
- zum 31.12.2024 mindestens vier Jahre in Deutschland leben,
- über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen,
- nicht straffällig geworden sind
- und seit mindestens zwölf Monaten sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
Von Fabio Ghelli
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