Was beinhaltet das Gesetz?
Am 17. April hat das Bundeskabinett das "Geordnete-Rückkehr-Gesetz" beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass in den nächsten drei Jahren ausreisepflichtige Menschen in den gleichen Einrichtungen wie Strafgefangene inhaftiert werden können. Zwar ist in der EU-Rückführungsrichtlinie festgeschrieben: Da es sich bei Ausreisepflichtigen nicht um Straffällige handelt, dürfen sie nicht zusammen inhaftiert werden.
Das Bundesinnenministerium begründet die Gesetzesänderung jedoch damit, dass sich Deutschland aufgrund der vielen Ausreisepflichtigen in einer "Notlage" befände. In diesem Fall erlaubt die Rückführungsrichtlinie, das Trennungsgebot vorübergehend aufzuheben.
Was sagen die Bundesländer?
Schon bevor das Kabinett das Gesetz beschlossen hat, haben die Justizminister und -senatoren der Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen in einer gemeinsamen Stellungnahme dem Gesetzesvorhaben eine Absage erteilt. Auch Fachbeamte der Länder kritisierten die Pläne.
Eine Umfrage des MEDIENDIENSTES unter den Bundesländern zeigt nun: 11 von 16 Bundesländern (Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen und Thüringen) haben nicht vor, das Gesetz umzusetzen.
Das hat mehrere Gründe:
- Baden-Württemberg, Bremen, Brandenburg, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen sagen, das Gesetz sei nicht im Einklang mit dem Europa-, dem Verfassungs- und/oder dem Landesrecht.
- Baden-Württemberg, Bremen und das Saarland sagen, dass es dafür keine Kapazitäten in regulären Hafteinrichtungen gibt.
- Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen geben keine Begründung gegenüber dem MEDIENDIENST an.
Der Bremer Justizsenator Martin Günthner nannte das Gesetzesvorhaben "europa- und verfassungswidrig und eine Gefahr für die Sicherheit des Justizvollzuges". Sein Kollege in Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach, hat in Interviews betont, dass das Gesetzesvorhaben rechtlich problematisch ist und es auf absehbare Zeit keine Plätze im Strafvollzug geben wird. Ähnlich äußerte sich auch das Justizministerium Baden-Württemberg gegenüber dem MEDIENDIENST: "Derzeit fehlen im Justizvollzug des Landes gut 900 Haftplätze. Bei dieser Überbelegung ist es dem Justizvollzug nicht möglich, Abschiebehäftlinge aufzunehmen." Auch das Justizministerium in Brandenburg erteilt dem Gesetzesvorhaben eine klare Absage: "Wir möchten nicht, dass Familien in regulären Haftanstalten untergebracht werden."
Der mecklenburgische Justizminister Lorenz Caffier (CDU) begrüßte hingegen in einer Pressemitteilung die Maßnahme: „Es geht lediglich darum, im Ausnahmefall in derselben Liegenschaft einer Justizvollzugsanstalt auch abzuschiebende Personen, für die ein Richter die Abschiebehaft angeordnet hat, unterzubringen.“
Quelle: Anfrage unter den zuständigen Ministerien der Länder © MEDIENDIENST INTEGRATION 2019
Neun Bundesländer wollen Haftplätze für Ausreisepflichtige ausbauen
Derzeit gibt es bundesweit rund 480 Haftplätze in speziellen Hafteinrichtungen für Ausreisepflichtige. Die meisten sind in Nordrhein-Westfalen (140) und Bayern (131). Neun Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) haben vor, die Aufnahmekapazitäten in Abschiebungshafteinrichtungen zu erweitern, wie die Umfrage des MEDIENDIENSTES zeigt. Insgesamt sollen dabei mehr als 500 neue Haftplätze entstehen.
Von Joseph Bauer und Fabio Ghelli
Sie sind Journalist*in und haben weitere Fragen oder suchen Fachleute zum Thema? Dann können Sie uns gern kontaktieren. Wir helfen schnell und unkompliziert. Unsere Texte und Grafiken können kostenfrei unter den Regeln der Creative Commons und unserer Namensnennung verwendet werden. Dies gilt nicht für Bilder und Fotos, die wir von Dritten erworben haben.