Gesundheit und Migration
Wie steht es um die Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund? Welchen Zugang haben Asylbewerber*innen zum Gesundheitssystem? Und wie ist die Situation von irregulären Migrant*innen? In dieser Rubrik finden Sie wichtige Zahlen und Fakten zum Thema.
Gesundheit von Menschen mit Migrationshintergrund
Daten zur gesundheitlichen Lage von Menschen mit Migrationshintergrund sind lückenhaft. Es lässt sich nicht pauschal sagen, ob sie einen besseren oder schlechteren Gesundheitszustand haben als Menschen ohne Einwanderungsgeschichte.Quelle
Studien deuten auf eine bessere körperliche Gesundheit von Personen mit Migrationshintergrund hin, jedoch zeigen sie höhere Risikofaktoren bei bestimmten chronischen Erkrankungen und Infektionskrankheiten. Das wurde unter anderen während der Corona-Pandemie deutlich. In Befragungen bewerten sie ihren Gesundheitszustand häufig besser oder gleich gut.Quelle
Die Forschung spricht oft von einem „Healthy Migrant Effekt”: Zugewanderte haben demnach tendenziell einen besseren Gesundheitszustand als die Gesamtbevölkerung, jedoch verschlechtert sich dieser, je länger die Personen in Deutschland sind. Erklärt wird das damit, dass eher gesündere Personen migrieren, sich der Zustand aber verschlechtert – etwa wegen der Arbeitsbedinungen oder weil sie weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen.Quelle
Dabei wichtig ist weniger die Migration als die ökonomische und soziale Lage. Menschen mit Migrationshintergrund können von schlechteren Bedingungen häufiger betroffen sein, die sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Dazu gehören:
- Arbeitsbedingungen: etwa schwere körperliche Arbeit oder weniger Möglichkeiten für Home Office
- Wohnsituation: etwa beengter Wohnraum und schlechte Unterbringungsbedingungen
- Geringes Einkommen und Bildungsstand: Können die Möglichkeiten und das Wissen beeinflussen, sich über Vorsorge und Gesundheitsleistungen zu informieren und diese wahrzunehmen
- Sprachliche Barrieren: Fehlende Sprachkenntnisse erschweren es, sich zu informieren und zu verständigen
- Rechtliche Hürden: Asylsuchende haben zu Beginn nur eingeschränkten Zugang zu Gesundheitsleistungen, gleiches gilt für irreguläre Migrant*innen
- Rassismuserfahrungen: Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem können etwa dazu führen, dass Betroffene Besuche bei Ärzt*innen vermeiden oder Krankheiten verschleppen. Das zeigt unter anderem der Nationale Rassismus- und Diskriminierungsmonitor: Personen bewerten ihren Gesundheitszustand schlechter, wenn sie solche Erfahrungen gemacht haben.Quelle
Gesundheitsversorgung von Geflüchteten
Welche Gesundheitsleistung erhalten Asylsuchende?
Asylbewerber*innen erhalten in den ersten 36 Monaten in Deutschland laut Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) eine eingeschränkte medizinische Versorgung für:
- akut behandlungsbedürftige Erkrankungen,
- chronischen Erkrankungen wie Diabetes,
- Schwangerschaft und Geburt,
- die von den gesetzlichen Krankenkassen empfohlenen Vorsorgen und Impfungen sowie
- im Einzelfall Zahnersatz.Quellen
Erst nach 36 Monaten haben Asylbewerber*innen Anspruch auf nahezu dieselbe medizinische Versorgung wie gesetzlich Versicherte. Die Wartezeit wurde 2024 im Rahmen der Asylreform von 18 auf 36 Monate verdoppelt. Einem Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2024 zufolge hat das negative Folgen für die Gesundheit der Betroffenen. Auch für den Staat gebe es Nachteile: Wenn Behandlungen verzögert werden, fallen später mehr Kosten an.Quelle
Die Gesundheitsversorgung von Asylbewerber*innen fällt in den Verantwortungsbereich der Bundesländer und Kommunen, die diese Aufgabe unterschiedlich organisieren:
- Häufig benötigen Asylbewerber*innen für einen Arztbesuch einen Behandlungsschein, den das Sozialamt ausstellt. Teils müssen sie für jeden Arztbesuch einen neuen Schein beantragen, manchmal erstellen die Sozialämter den Schein pauschal für drei Monate. Ausnahmen gelten bei Notfällen.Quellen
- 6 Bundesländer und einzelne Kommunen in drei weiteren Bundesländern (Stand März 2024) sind dazu übergegangen, Asylbewerber*innen eine elektronische Gesundheitskarte auszuhändigen, mit der sie direkt zum Arzt gehen können. Das soll den Zugang zum medizinischen System verbessern und Verwaltungskosten reduzieren. Einem Bericht 2024 zufolge haben auch in diesen Bundesländern noch viele Geflüchtete keinen Zugang zur Karte.Quelle
- Eine Übersicht dazu, wie die Bundesländer die Gesundheitsversorgung organisieren, hat das Institut MIDEM 2022 erstellt.Quelle
Wie ist die gesundheitliche Situation von Geflüchteten?
Zur gesundheitlichen Situation von Geflüchteten gibt es nur wenige Studien. Aktuelle Erhebungen zeigen: Traumatische Erfahrungen vor und während der Flucht, das Leben in Gemeinschaftsunterkünften getrennt von der Familie und unsichere Zukunftsperspektiven können sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Auch die eingeschränkten Leistungen zu Beginn des Aufenthalts, Sprachbarrieren und Rassismuserfahrungen im Gesundheitswesen können sich negativ auf die Gesundheit auswirken, u.a. weil Betroffene seltener zum Arzt gehen.Quelle
Zuletzt wurde häufiger über die Nutzung von Gesundheitsleistungen von Asylsuchenden diskutiert. 2024 zeigte eine Studie der Universität Bielefeld mit Daten für 2018: Geflüchtete nehmen zahnmedizinische Leistungen seltener in Anspruch als die Allgemeinbevölkerung. Laut RKI ist die Inanspruchnahme "sehr niedrig und nicht bedarfsgerecht":Quelle
Psychologische Versorgung von Geflüchteten
Viele Geflüchtete machen belastendende und traumatisierende Erfahrungen auf der Flucht, durch Krieg und Verfolgung, der Trennung von der Familie oder unsicheren Zukunftsperspektiven:
- Die repräsentative IAB-BAMF-SOEP-Befragung 2018 ergab, dass das psychische Wohlbefinden von Geflüchteten, die seit 2013 ankamen, deutlich niedriger ist als im Rest der Bevölkerung.Quelle
- Auch eine Auswertung von mehr als 30 Studien zum Thema lässt darauf schließen, dass Geflüchtete stärker von psychischen Erkrankungen betroffen sind: Rund 30 Prozent zeigten Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), rund 40 Prozent depressive Symptome. Bei einer Interpretation der Ergebnisse sei allerdings Vorsicht geboten: Die Zahlen hängen zum Beispiel stark davon ab, wann man welche Gruppe von Geflüchteten befrage.Quelle
Therapeutische Hilfe zu erhalten, ist für Gelfüchtete sehr schwer. Denn in den ersten 36 Monaten in Deutschland können sie in der Regel nur bei akuten Erkrankungen zum Arzt gehen. Eine Psychotherapie genehmigen die Behörden nur in Ausnahmen.
Anerkannte Geflüchtete und Schutzsuchende, die sich länger als 18 Monate in Deutschland aufhalten, erhalten die regulären Leistungen der Krankenkasse. Die Kassen übernehmen dann auch eine Psychotherapie. Einen Platz zu erhalten und ausreichend versorgt zu werden, ist jedoch schwer. Es fehlen oft Sprachmittlungen, Therapieplätze und Sensibilisierung unter Therapeut*innen, etwa zum Thema Rassismus oder posttraumatischen Belastungsstörungen von Kriegsflüchtlingen.Quelle
Geflüchtete können Unterstützung bei den Psychosozialen Zentren finden. Davon gibt es aktuell rund 50 in Deutschland.
2022 versorgten die Zentren 25.861 Personen: Sie erhielten psychosoziale und asylrechtliche Beratungen oder eine psychotherapeutische Behandlung. Die Zentren gehen davon aus, dass sie nur rund drei Prozent der Geflüchteten versorgen, die Unterstützung benötigen könnten. 2022 warteten Personen in den Zentren im Durchschnitt 5,7 Monate auf einen Therapieplatz und somit länger als Personen in der Regelversorgung.Quelle
Wichtige Quelle
Versorgungsberichte der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren, LINK
Gesundheitsversorgung von illegalisierten Migrantinnen und Migranten
Eigentlich sollten Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, im Falle einer Krankheit zum Arzt gehen können. Sie sind zwar von der regulären Krankenversicherung ausgeschlossen – ihnen steht aber laut Asylbewerberleistungsgesetz eine Basis-Gesundheitsversorgung zu.
Das Problem: De facto können Papierlose diese Gesundheitsversorgung in den meisten Fällen nicht in Anspruch nehmen. Denn die medizinische Leistung müssen sie zunächst beim Sozialamt beantragen. Das Sozialamt unterliegt in diesen Fällen allerdings der Übermittlungspflicht an die Ausländerbehörde. Das heißt: Beantragt eine Person ohne Aufenthaltsstatus beim Sozialamt eine medizinische Leistung, gibt das Amt die Daten an die Ausländerbehörde weiter. Die Ausländerbehörde erlangt dadurch Kenntnis über die aufenthaltsrechtliche Illegalität. Viele Papierlose vermeiden es deswegen, zum Arzt zu gehen, weil sie befürchten, abgeschoben zu werden.Quelle
Eine Ausnahme gibt es nur für medizinische Notfälle. Hier beantragen Papierlose nicht vorher die medizinische Leistung beim Sozialamt, sondern werden direkt behandelt. Für die Kostenerstattung wenden sich anschließend die Ärzte oder das Krankenhaus direkt an die Sozialbehörde. In diesen Fällen unterliegt das Sozialamt dem verlängerten Geheimnisschutz. Das heißt, es darf die Daten nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten. Doch auch hier gibt es Probleme – unter anderem weil die Anforderungen für eine Kostenübernahme hoch sind. Manche Krankenhäuser behandeln Papierlose deswegen auch in Notfällen nicht.Quelle
Was plant die Bundesregierung?
Die Ampel-Koalition sieht in ihrem Koalitionsvertrag vor, den Gesundheitsbereich von der "Übermittlungspflicht" auszunehmen. Konkret würde dies eine Anpassung des § 87 Aufenthaltsgesetz bedeuten. Das gilt bereits im Bereich Bildung. Die Sozialbehörden wären also in Gesundheitsangelegenheiten nicht mehr verpflichtet, die Ausländerbehörde über Personen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität zu informieren. Die Koalitionsparteien haben vergangenen September erste Eckpunkte zu dieser Gesetzesänderung verhandelt.Quelle
Zivilgesellschaftliche Akteure setzen sich schon lange für die Abschaffung der Übermittlungspflicht im Gesundheitsbereich ein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und der Verein Ärzte der Welt argumentieren in einer Studie, dass die Übermittlungspflicht das internationale Menschenrecht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung verletze und daher verfassungswidrig sei.Quelle
Wo finden Papierlose in der aktuellen Situation Hilfe?
Karitative Einrichtungen wie der Malteser Hilfsdienst bieten medizinische Versorgung für Papierlose und Menschen ohne Krankenversicherung an. Hier behandeln Ärzte unter Wahrung der Anonymität. Die bundesweiten Medibüros oder Medinetze vermitteln ebenfalls unter Wahrung der Anonymität Patienten an kooperierende Ärzte. Und auch die Organisation Ärzte der Welt bietet Sprechstunden für Papierlose unter Wahrung der Anonymität in mehrerem Bundesländern an.Quelle
In einigen Bundesländern gibt es zudem erste Projekte, die die Problematik mit einem anonymen Krankenschein zu überbrücken versuchen: In Berlin können Menschen ohne Papiere seit April 2020 solche Scheine bei einer Clearingstelle erhalten. In Thüringen läuft derzeit das Pilotprojekt "Anonymer Krankenschein". Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es Clearingstellen, an die sich Papierlose im Krankheitsfall wenden können.
Pflegebedürftige mit Migrationshintergrund
Genaue Zahlen zu Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund liegen nicht vor. Einer Schätzung zufolge dürfte ihr Anteil unter allen Pflegebedürftigen deutlich zunehmen und sich die Gesamtzahl zwischen 2013 und 2030 verdoppeln: Von rund 250.000 auf rund 481.000 Personen. Eine repräsentative Studie ergab 2016, dass 9 Prozent der Personen in Pflegeeinrichtungen und 10 Prozent der ambulant Versorgten einen Migrationshintergrund haben.Quelle
Häufig werden Personen mit Migrationshintergrund von Familienangehörigen gepflegt, sie nehmen professionelle Pflege seltener in Anspruch. Das liegt Studien zufolge an verschiedenen Hürden: fehlende Deutschkenntnisse machen es schwerer, sich über Leistungen zu informieren. Eine Rolle spielt auch, dass religiöse und kulturelle Bedarfe in der Pflege nicht berücksichtigt werden.Quelle
Rassismus und Gesundheit
Wie viele Menschen erfahren Rassismus im Gesundheitswesen?
- In einer Befragung des Nationalen Diskriminierungs- und Rassismusmonitors (NaDiRa) 2023 berichten viele Menschen von regelmäßigen Rassismuserfahrungen im Gesundheitswesen.Quelle
- Im Afrozensus 2020 wurden Schwarze und afrodiasporische Menschen in Deutschland befragt. Sie berichten von Rassismus vor allem im Bildungs- und Gesundheitswesen. Zwei Drittel der Befragten, die in den letzten zwei Jahren Kontakt zum Gesundheitswesen oder der Pflege hatten, haben dort Diskriminierung erfahren. Wiederum 74,4 Prozent von ihnen gaben an, wegen der Hautfarbe diskriminiert worden zu sein.
- 2022 gingen bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) 263 Anfragen zum Bereich Gesundheit und Pflege ein. Auf Anfrage des MEDIENDIENSTES teilte die ADS mit, dass sich etwa die Hälfte davon auf die Kategorie Behinderung bezogen und ein Drittel auf rassistische Gründe. Betroffene berichten häufig von rassistischer Diskriminierung während einer ärztlichen Behandlung. Sie mussten länger im Warteraum bleiben oder erhielten unangebrachte Fragen und wurden nicht oder falsch behandelt, einige berichten von schweren Behandlungsfehlern und körperlichen Angriffen.Quelle
Welche Folgen haben Rassismuserfahrungen im Gesundheitswesen?
Betroffene verlieren wegen Diskriminierungserfahrungen das Vertrauen in das Gesundheitswesen und suchen aus Angst, schlecht behandelt zu werden, keine Ärztin auf oder wechseln diese häufig ("doctor hopping"). Das kann dazu führen, dass Krankheiten verschleppt oder gar nicht behandelt werden.Quelle
Die NaDiRa-Studie zeigt: Mehr als jede Dritte Person aus den befragten Gruppen gab an, den Arzt gewechselt zu haben, da Beschwerden nicht ernst genommen wurden. Besonders hoch ist der Wert unter muslimischen und asiatischen Frauen. Auch kommt es zur Verschleppung oder Verzögerung einer Behandlung, besonders bei Frauen.Quelle
Die Werte liegen deutlich höher für Personen, die häufig Diskriminierung im Gesundheitswesen erfahren haben. Unter Schwarzen Frauen, die häufig Diskriminierung erlebt haben, geben 48 Prozent an, eine Behandlung verzögert oder vermieden zu haben.
Schwarze, muslimische und asiatisch (gelesene) Personen berichten im NaDiRa deutlich häufiger davon, die Suche nach einem Therapieplatz aufgegeben zu haben. Unter Schwarzen Personen sind es über 40 Prozent. Eine Rolle spielen Erfahrungen mit Therapeut*innen: Im Afrozensus sagen über 60 Prozent der Befragten, dass ihre Rassismuserfahrungen in der Therapie nicht ernst genommen werden.Quelle
Eine Rolle bei negativen Erfahrungen im Gesundheitswesen spielen Scheindiagnosen (wie der "Morbus Bosporus"): Patient*innen wird dabei ein unter- oder übertriebenes Schmerzempfinden zugeschrieben. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Krankheiten falsch therapiert oder erst gar nicht behandelt werden.Quelle
Frauen berichten häufiger von Diskriminierungserfahrungen
Schwarze, muslimische und asiatische Frauen berichten besonders häufig davon, eine Behandlung verzögert zu haben; muslimische Frauen besonders häufig von einem schlechteren Gesundheitszustand. Stereotype gegenüber Frauen – etwa, dass sie ihr Schmerzempfinden überbetonen – und rassistische Stereotype scheinen sich zu vermischen. Studien zeigten dass Frauen bei gleichen Symptomen andere Verschreibungen und Therapieempfehlungen bekommen; und, dass es zu spezifischen Symptomen bei Frauen weniger Forschung gibt (mehr zum "Gender-Health-Gap" hier).Quelle
Fehlende Sensibilisierung in der medizinischen Ausbildung
Auf der Suche nach den Gründen bleiben einige offene Fragen. Zu den Perspektiven und Einstellungen des Gesundheitspersonals gibt es kaum Erkenntnisse. Eine Rolle spielt die Ausbildung: Eine Analyse von Lehrmaterial zeigt, dass in der medizinischen Ausbildung oft nur anhand eines hellen Hauttyps gelehrt wird; abwertende Darstellungen gegenüber einigen Communities – wie ein vermeintlich erhöhter Alkohol- und Drogenkonsum – finden ebenso statt. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Diskriminierung kommt in der Ausbildung nur unzureichend vor, so die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland. Scheindiagnosen wie der "Morbus Bosporus" oder "Morbus Mediterraneus" – die Betroffene eine übertriebene Schmerzbeschreibung unterstellen – kämen in Lehre und Praxis immer noch vor.Quelle
Hinzu kommen verschiedene Hürden:
- Sprachbarrieren: Die Sprache ist eine große Hürde in Arztpraxen und Krankenhäusern: Es fehlen mehrsprachige Informationsangebote, und Ärzt*innen und Patient*innen können sich oft schwer verständigen. Das kann beeinflussen, wie dringlich ein Fall wahrgenommen wird und zu Missverständnissen führen. Oft gibt es keine Sprachmittler*innen, und Patient*innen müssen die Kosten für eine Übersetzung selbst übernehmen. Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) fordert etwa ein Anrecht auf Dolmetscher.Quelle
- Auch bei der Terminvergabe scheint es Hürden zu geben: Ein Experiment mit Terminanfragen bei Praxen der Allgemeinmedizin zeigt: Personen mit nicht-deutschen Namen erhalten seltener eine positive Rückmeldung auf ihre Anfrage etwa bei Allgemeinmedizinerinnen oder Psychotherapeuten.Quelle
- Rechtliche Hürden erschweren, dass Personen überhaupt Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen: Geflüchtete haben zunächst nur eingeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem; besonders schwer ist es für Menschen ohne Papiere, Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die WHO fordert etwa, allen Migrant*innen unabhängig von Aufenthaltsstatus Zugang zum Gesundheitssystem zu geben.
Wichtige Quellen
DeZIM/NaDiRA (2023): "Rassismus und seine Symptome" NaDiRa-Bericht, LINK
Kajikhina (2023): "Rassismus und Diskriminierung im Kontext gesundheitlicher Ungleichheit - ein narratives Review", LINK
Bartig et al. (2021): "Diskriminierungsrisiken und Diskriminierungsschutz im Gesundheitswesen - Wissensstand und Forschungsbedarf für die Antidiskriminierungsforschung", LINK;
Erkranken Menschen mit Migrationshintergrund häufiger an Corona?
Eine umfassende Meta-Studie, die Daten aus 370 Berichten zu 22 Ländern auswertete, kam 2024 zu dem Ergebnis: Geflüchtete, Binnenvertriebene und Migrant*innen waren während der CoVID-19-Pandemie deutlich höheren Gesundheitsrisiken ausgesetzt: Sie hatten ein um 84 Prozent höheres Infektionsrisiko und eine um 46 Prozent erhöhte Sterblichkeit. Sie hatten zwar kein erhöhtes Risiko für eine Krankenhauseinweisung, jedoch verliefen die Erkrankungen häufig schwerer. Gründe sind vor allem enge Wohnverhältnisse, prekäre Arbeitsbedingungen und ein eingeschränkter Zugang zu gesundheitlicher Versorgung.Quelle
Eine Anfang 2023 vom BAMF und dem IAB veröffentlichte Studie ergab für Deutschland: Personen mit Migrationserfahrung hatten bis Oktober 2021 im Vergleich zu Personen ohne Migrationserfahrung knapp doppelt so häufig eine COVID-19-Infektion durchgestanden. Das sei vor allem auf sozio-ökonomische Faktoren wie die Wohnsituation oder die familiäre und berufliche Situation zurückzuführen, nicht auf die Migrationserfahrung. Ob es einen Unterschied bei schweren Verläufen in Deutschland gebe, ist laut Studie unklar. Quelle
Zur MEDIENDIENST-Expertise (2021) "Sind Menschen mit Migrationshintergrund häufiger von Covid-19 betroffen?" >>> LINK
Das "Kompetenznetz Public Health COVID-19" stellte 2021 auf der Basis von internationalen Studien aus mehreren Ländern ein erhöhtes Infektionsrisiko unter Migrant*innen fest. Dies sei unter anderem durch prekäre Arbeitsverhältnisse und enge Unterbringung bedingt. Krankenhauseinweisung von Migrant*innen seien währenddessen seltener. Die Studien zeigen außerdem eine erhöhte Gesamtsterblichkeit bei Migrant*innen; sowohl im Vergleich zu den Jahren vor der Pandemie als auch zur Allgemeinbevölkerung.Quelle
Konkrete Zahlen für Deutschland gibt es für die Übersterblichkeit: Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft starben 2020 und 2021 häufiger an Corona als Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft, so eine Studie für den Mediendienst. Der Anteil von ausländischen Staatsangehörigen an allen Todesfällen ist im Laufe der Pandemie deutlich gestiegen.Quelle
Soziale Lage wichtiger als Migrationshintergrund
Generell traten Corona-Infektionen dort häufiger auf, wo Menschen in schlechterer sozialer Lage wohnen. Menschen, die in sozial benachteiligten Gegenden leben, haben etwa weniger Wohnfläche zur Verfügung, was es erschwert, innerhalb ihres Haushalts Abstand zu halten.Quelle
Sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen haben laut Robert Koch Institut eher schwerere Krankheitsverläufe. Zudem haben Arbeitslose und Menschen in Niedriglohnjobs ein deutlich erhöhtes Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs, möglicherweise wegen häufigeren Vorerkrankungen.Quelle
Riskantere Berufe und seltener Homeoffice
Eingewanderte haben deutlich seltener die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, und sind häufiger auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen. Das geht aus einer OECD-Studie zu den Auswirkungen von Covid-19 hervor.Quelle
Viele Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten im Dienstleistungs- und Pflegebereich, wie Studien zeigen. Sie üben somit Tätigkeiten aus, bei denen man sich schlechter vor Covid-19 schützen kann, als zum Beispiel im Homeoffice. Ein weiterer Risikofaktor sind Berufe mit prekären Arbeitsverhältnissen, wie zum Beispiel in Lagerhäusern, im Sicherheitsdienst, in der Fleisch- oder Bekleidungsindustrie. Auch hier sind Menschen mit Migrationshintergrund häufiger vertreten.Quelle
Wie häufig lassen sich Menschen mit Migrationshintergrund gegen Covid-19 impfen?
Einwanderer*innen und ihre Nachkommen ließen sich im Durchschnitt seltener gegen das Covid-19-Virus impfen, als Menschen ohne Einwanderungsgeschichte, so eine eine Untersuchung des Robert Koch-Instituts (RKI) von Februar 2022. Bei den Menschen mit Migrationsgeschichte gaben etwa 84 Prozent an, mindestens einmal geimpft zu sein, unter den Befragten ohne waren es 92 Prozent. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Anfang 2023 vom BAMF und dem IAB veröffentlichte Studie, der Unterschied war aber geringer bei der zweiten Impfung.Quelle
Die Impfbereitschaft von den ungeimpften Befragten mit Migrationshintergrund war laut der Studie des RKI signifikant höher als bei denen ohne Migrationshintergrund. Entscheidender als der Migrationshintergrund seien laut RKI die Sprachkenntnisse der Befragten. Der Abbau von Sprachbarrieren und ein besserer Zugang zu Informationen rund um das Thema Prävention seien deshalb entscheidend für erfolgreiche Impfkampagnen.Quelle
News Zum Thema: Gesundheit
Neues Dossier Gesundheit und Migration
Viele Menschen berichten von Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitssystem. Welchen Zugang unterschiedliche Gruppen haben und welche Erfahrungen sie machen, haben wir in einem neuen Dossier zusammengefasst.
Corona Gezielte Impfkampagnen können viel bewirken
Die Impfquote bei Menschen mit Migrationshintergrund ist niedriger als bei denjenigen ohne Migrationshintergrund. Viele Ungeimpfte ließen sich aber noch überzeugen. Das zeigt eine neue Studie des Robert Koch-Instituts.
Strukturelle Diskriminierung Ausländische Menschen sterben häufiger an Corona
Eingewanderte und "rassifizierte" Menschen waren in vielen Ländern stark von der Covid-19-Pandemie betroffen. Auch in Deutschland und in der Schweiz scheint ihr Risiko höher zu sein, wie ein Team von Forscher*innen in einer neuen Studie feststellt.