Ausbildung
Junge Erwachsene mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Woran liegt das? Und welche Erfahrungen machen Unternehmen, die Jugendliche aus Einwandererfamilien ausbilden? Wichtige Studien und Statistiken haben wir hier zusammengefasst:
Wie viele Auszubildende haben Migrationshintergrund?
Noch nie zuvor gab es so wenige neue Auszubildende wie im Corona-Jahr 2020. Mit einem Rückgang von fast zehn Prozent fiel die Gesamtzahl aller Auszubildenden auf den niedrigsten Stand seit 1977. Im Folgejahr 2021 lag er leicht darüber mit 467.100 Personen, die einen Ausbildungsvertrag abschlossen.Quelle
Wie viele der Auszubildenden einen Migrationshintergrund haben, wird nicht erfasst. Es gibt nur Zahlen zu den Bewerber*innen und "Neu-Auszubildenden". Die Zahlen beziehen sich nur auf Personen, die sich über die Bundesagentur für Arbeit für eine Ausbildung bewerben. Wie viele sich direkt bei Betrieben bewerben, ist nicht bekannt.Quelle
39 Prozent der Jugendlichen, die sich 2021 für eine Ausbildung beworben haben, hatten einen Migrationshintergrund. Ihr Anteil ist in den vergangenen Jahren gestiegen: 2016 lag er noch bei 29 Prozent. Eine Untergruppe davon sind die Bewerber*innen "mit Fluchthintergrund": Ihr Anteil an allen Bewerber*innen lag 2021 bei 7 Prozent.
Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund finden keinen Ausbildungsplatz?
Noch nie zuvor gab es so wenige neue Auszubildende wie in den Corona-Jahren 2020 und 2021. Die Krise traf besonders junge Menschen mit Migrationshintergrund. Nur 29 Prozent der Bewerber*innen mit Migrationshintergrund fanden bis Ende 2021 einen Ausbildungsplatz, im Vergleich zu 43 Prozent bei Bewerber*innen ohne Migrationshintergrund. Gezählt wurde, in wie vielen Fällen eine Bewerbung über die Bundesagentur für Arbeit bis zum Jahresende erfolgreich war.Quellen
Auch wenn das Jahr 2021 durch die Corona-Wirtschaftskrise geprägt war: Die Erfolgsunterschiede zwischen jungen Bewerber*innen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen schon seit Jahren. Auch 2016 konnte nur etwa jede*r vierte Bewerber*in mit Migrationshintergrund eine Ausbildung beginnen (27 Prozent). Bei Gleichaltrigen ohne Migrationshintergrund waren es deutlich mehr (44 Prozent).Quelle
Schulabgänger*innen mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen auf einen Ausbildungsplatz. Das gilt auch wenn man Faktoren wie schulische Voraussetzungen, Herkunftsregion, Bewerbungsverhalten oder Wunschberufe außen vor lässt. Vor allem Jugendliche mit türkischer oder arabischer Herkunft finden seltener einen Ausbildungsplatz – oft auch lange nachdem sie die Schule beendet haben.Quelle
Warum finden Jugendliche mit Migrationshintergrund seltener einer Ausbildung? Mehr zu den Gründen dafür und was Expert*innen sagen, > hier.
Das zeigt sich auch anhand der "Ausbildungsanfängerquote". Sie zeigt, wie viele Jugendlichen in der Bevölkerung insgesamt irgendwann eine Ausbildung begonnen haben. Bei deutschen Jugendlichen lag sie 2020 bei 49,8 Prozent. Zum Vergleich: 47 Prozent begannen ein Studium. Bei Menschen mit einer ausländischen Staatsbürgerschaft lag die "Ausbildungsanfängerquote" 2020 deutlich niedriger, nämlich bei 35,4 Prozent.Quelle
Wie viele Flüchtlinge machen eine Ausbildung?
Wegen der Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie war es für Unternehmen und mögliche Auszubildende seit 2020 schwieriger zusammenzufinden als in den Vorjahren, so die Einschätzung von Unternehmensverbänden und Forscher*innen. Sowohl die Zahl der angebotenen Ausbildungsplätze (Quelle) als auch die der Bewerber*innen ging zurück (Quelle). Inzwischen dürfte sich die Lage wieder verbessern. Generell hatten Geflüchtete in den letzten Jahren bessere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, weil viele Unternehmen Auszubildende suchten.Quelle
Wie viele Flüchtlinge machen eine Ausbildung?
Aktuell befinden sich rund 48.000 Menschen aus den acht häufigsten "Asylherkunftsländern" in einer Ausbildung (Stand: Juli 2021). Während der Corona-Pandemie ist ihre Zahl um rund 15 Prozent zurückgegangen (September 2020: 57.000). Der positive Trend der letzten Jahre wurde damit vorerst gestoppt. Die Statistik erfasst zwar nur die Herkunftsländer und nicht den Flüchtlingsstatus der Auszubildenden; dennoch deutete der starke Anstieg der letzten Jahre darauf hin, dass mehr Flüchtlinge eine Ausbildung beginnen.Quellen
Die Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierte 2020 rund 33.200 Bewerber*innen mit Fluchthintergrund, die als "ausbildungsreif" anerkannt waren. Das sind etwa 5.000 weniger als 2019. Grund sind wohl die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie: Insgesamt ging die Zahl aller Bewerber*innen zurück. Der Anteil von Menschen mit Fluchthintergrund blieb in etwa gleich. Rund 10.400 von ihnen konnten einen Ausbildungsvertrag abschließen, also etwa ein Drittel der gemeldeten Bewerber*innen. Zum Vergleich: Unter "ausbildungsreifen" Bewerbern, die keine Flüchtlinge sind, liegt diese Quote bei rund 50 Prozent. Warum die Quote bei Flüchtlingen niedriger ausfällt, wird zur Zeit vom BIBB erforscht.Quelle
Wer darf eine Ausbildung machen?
Wann Flüchtlinge eine Ausbildung anfangen dürfen, hängt von ihrem Aufenthaltsstatus ab und ist ähnlich wie bei der Arbeitsaufnahme geregelt:
- Anerkannte Flüchtlinge dürfen ohne Einschränkung in Deutschland eine Ausbildung beginnen.
- Asylbewerberinnen und -bewerber können nach drei Monaten eine schulische Ausbildung beginnen. Das gilt jedoch nicht für Asylsuchende aus "sicheren Herkunftsländern": Sie dürfen während des gesamten Verfahrens weder eine Arbeit aufnehmen noch eine Ausbildung beginnen.
- Für Geduldete gilt: Seit dem Inkrafttreten des Integrationsgesetzes im August 2016 haben sie einen Anspruch darauf, für die Zeit einer dreijährigen Ausbildung in Deutschland zu bleiben. Finden sie nach erfolgreichem Abschluss Arbeit, die ihrer Qualifikation entspricht, können sie weitere zwei Jahre bleiben ("3+2-Regelung"). Die Bundesländer sind für die Umsetzung verantwortlich. Bewerber*innen aus "sicheren Herkunftsländern" dürfen auch mit einer Duldung unter Umständen keine Ausbildung beginnen und sind grundsätzlich von der 3+2-Regelung ausgenommen. Quellen
• Regelmäßige aktuelle Zahlen zum Thema bietet die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Publikation "Beschäftigte nach Staatsangehörigkeiten". Sie erscheint quartalsweise, immer mit etwa 6 Monaten Verzögerung.
Diskriminierung bei der Ausbildungssuche
Junge Menschen mit Migrationshintergrund haben schlechtere Chancen bei der Ausbildungssuche als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. Das zeigen mehrere Studien:
- Aus einer Berechnung von 2018 geht hervor: Selbst bei ähnlichen schulischen Leistungen und vergleichbaren Interessen haben Jugendliche mit Migrationshintergrund schlechtere Aussichten auf einen Ausbildungsplatz. Das trifft vor allem auf Menschen mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund zu.Quelle
- Laut einer Studie von 2014 müssen Bewerberinnen und Bewerber mit deutschen Namen im Schnitt fünf Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Bei Bewerberinnen und Bewerbern mit türkischen Namen waren es sieben Bewerbungen. Letztere erhalten außerdem häufiger Absagen.Quelle
- Aus dem Ausbildungsreport 2015 des Deutschen Gewerkschaftsbunds geht hervor: Rund 14 Prozent der Auszubildenden mit Migrationshintergrund empfanden es als schwer, einen Ausbildungsplatz zu finden. Bei Auszubildenden ohne Migrationshintergrund waren es neun Prozent. Rund zwölf Prozent der Auszubildenden mit Migrationshintergrund sagten, dass sie sich bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz wegen ihrer Herkunft oder Staatsangehörigkeit diskriminiert gefühlt haben.Quelle
- Eine Befragung von Ausbildungsbetrieben aus dem Jahr 2015 zeigt, dass es in Unternehmen Vorbehalte gegenüber Auszubildenden mit Migrationshintergrund gibt. Von den Betrieben, die noch keine Azubis aus Einwandererfamilien hatten, befürchteten 38 Prozent Sprachbarrieren. Rund 15 Prozent hatten Sorge, dass "kulturelle Unterschiede" das Betriebsklima "belasten" könnten.Quelle
Welche Statistiken gibt es und was sagen sie aus?
Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit
Die Ausbildungsmarktstatistik erfasst alle Menschen, die sich über die Bundesagentur für Arbeit für eine Ausbildungsstelle bewerben. Sie erhält jedoch nur Angaben zur Staatsbürgerschaft der Bewerberinnen und Bewerber – nicht aber zum Migrationshintergrund.Quellen
BA/BIBB-Bewerberbefragung
Detailliertere Informationen bietet die "Bewerberbefragung" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB). Alle zwei Jahre zieht das Institut dafür eine Stichprobe aller Ausbildungs-Bewerberinnen und -Bewerber. Am Ende des Vermittlungsjahres wird erhoben, wie erfolgreich sie bei der Ausbildungssuche waren. Bei dieser Befragung wird auch der Migrationshintergrund erfasst – wobei die Definition teilweise von der des Statistischen Bundesamtes abweicht. In der Stichprobe enthalten sind auch Geflüchtete, die sich um eine Ausbildung beworben haben. 2018 wurde diese Gruppe erstmals gesondert befragt, in der "BA/BIBB-Fluchtmigrationsstudie". Die Ergebnisse der Befragungen werden im Datenreport zum Berufsbildungsbericht veröffentlicht. Quelle
Mikrozensus
Auch aus dem Mikrozensus wurden bislang Zahlen zur Ausbildung abgeleitet – unter anderem die "Ausbildungsanfängerquote und die " "Ausbildungsabsolventenquote". Für die Jahre nach dem Flüchtlingssommer" 2015 sind diese Zahlen jedoch nur wenig aussagekräftig. Der Grund: Seit 2015 sind viele Geflüchtete nach Deutschland zugewandert, von denen nur wenige kurzfristig einen Ausbildungsplatz gefunden haben. Das führte dazu, dass die "Ausbildungsabsolventenquote" deutlich gesunken ist. Die niedrigere Quote bedeutet aber nicht, dass sich die Bedingungen am Ausbildungsmarkt verschlechtert haben, sondern lediglich, dass sich die Altersgruppe anders zusammensetzt. Inzwischen ist der Effekt schwächer und die Quote wieder etwas aussagekräftiger Quelle
"Spurwechsel": Wie viel Geduldete machen eine Ausbildung?
Geduldete gelten als "ausreisepflichtig", können aber nicht abgeschoben werden. Sie haben nur wenige Rechte und dürfen meist nicht arbeiten. Seit einigen Jahren haben sie aber die Möglichkeit, wegen einer Ausbildung oder Beschäftigung vorläufig in Deutschland zu bleiben ("Spurwechsel").
Nur wenige Geduldete schaffen den "Spurwechsel": 8.000 Menschen verfügen über eine Ausbildungsduldung (Stand: Mai 2021), wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage des Mediendienstes mitteilte. Und rund 1.200 Menschen hatten Ende 2020 eine Beschäftigungsduldung. Zum Vergleich: Insgesamt leben mehr als 220.000 Menschen mit einer Duldung in Deutschland.Quelle
Die Zahl der Ausbildungsduldungen steigt: Seit 2019 hat sich die Zahl der Ausbildungsduldungen mehr als verdoppelt von 3.600 auf über 8.000. Das hat vor allem statistische Gründe. Außerdem steigt der Bedarf bei Unternehmen, die Schwierigkeiten haben, Auszubildende zu finden. Die große Mehrheit der Auszubildenden kommt aus Afghanistan (rund 2.000), aus Gambia, Irak, Iran und Guinea.Quelle
Seit 2016 dürfen Geduldete, die einen Ausbildungsplatz bekommen, für drei Jahre in Deutschland bleiben ("Ausbildungsduldung"). Finden sie nach erfolgreichem Abschluss eine Arbeit, die ihrer Qualifikation entspricht, können sie weitere zwei Jahre bleiben ("3+2-Regelung"). 2020 wurde die Regelung erweitert. Geduldete können nun auch mit einer Beschäftigung in Deutschland bleiben, sofern sie zahlreiche Voraussetzungen erfüllen ("Spurwechsel").Quelle
Was ist eine Duldung?
Mit einer Duldung gilt man als "ausreisepflichtig", kann aber nicht abgeschoben werden. Während dieser Zeit haben Geduldete kaum Rechte und dürfen meist nicht arbeiten, manchmal über Jahre oder sogar Jahrzehnte hinweg. Mit zwei wichtigen Ausnahmen: die Ausbildungsduldung und die Beschäftigungsduldung. Diese erlauben einigen Geduldeten ein "Spurwechsel" in einen dauerhaften Aufenthalt. Mehr...
News Zum Thema: Ausbildung
Hamburg Zehn Jahre Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden
Als Hamburg 2012 einen Staatsvertrag mit muslimischen Verbänden abschloss, war das Bundesland Vorreiter. Aus Sicht von Expert*innen war das ein wichtiger Schritt zu einer rechtlichen Integration des Islam in Deutschland.
Neues Ausbildungsjahr Für viele Geduldete die letzte Hoffnung
Mehr Geduldete als früher schaffen den Sprung in eine Ausbildung – das zeigen erste vorläufige Zahlen zum "Spurwechsel light". Der Optimismus bei Fachleuten und Unternehmen hält sich dennoch in Grenzen.
Ausbildung Warum Bewerbungen oft erfolglos bleiben
Immer mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund bewerben sich um eine Ausbildung – allerdings oft ohne Erfolg. Laut Fachleuten liegt das auch an Vorbehalten in den Unternehmen. Dabei sind Betriebe, die Auszubildende aus Einwandererfamilien einstellen, sehr zufrieden mit deren Arbeit.