Mehr als 2.000 Menschen sind seit Anfang dieses Jahres in Aufnahmeeinrichtungen der Bundesländer an Covid-19 erkrankt. Das geht aus einer Befragung des MEDIENDIENSTES unter den zuständigen Ministerien der Bundesländer hervor. Die Gesamtzahl der Infizierten könnte jedoch deutlich höher liegen. Brandenburg konnte keine Zahlen nennen. Nordrhein-Westfalen und Hamburg nannten nur Zahlen, wie viele Menschen in den Unterkünften aktuell infiziert sind, aber nicht die Gesamtzahl der Infektionen seit Ausbruch der Pandemie.
Derzeit leben etwa 53.000 Menschen in Aufnahmeeineinrichtungen der Länder – im Früjahr waren es rund 60.000 Menschen.
Wie viele Menschen in Unterkünften der Kommunen leben und wie viele Infektionen es dort gab, geht aus der Umfrage nicht hervor. Diese Zahlen werden nicht systematisch erfasst. Es sind vermutlich viele tausend Infektionen in diesen Einrichtungen. Ein Beispiel: In Bayern gab es in den Einrichtungen des Landes rund 540 Infektionen, in den Einrichtungen der Kommunen zusätzliche 2.300 Ansteckungen.
Schon zu Anfang der Pandemie haben Expert*innen davor gewarnt, dass die Lebensbedingungen in Sammelunterkünften für Geflüchtete dazu führen können, dass sich das Virus besonders schnell verbreiten kann: Bewohner*innen leben hier dicht beieinander. Sie nutzen Gemeinschaftsräume, in denen die Gefahr hoch ist, mit Krankheitserregern in Kontakt zu kommen. Sogenannte "dezentrale" Unterbringungen – Einzelwohnungen und kleine Wohngemeinschaften – seien hingegen besser geeignet, um Abstand zu halten und das Infektionsrisiko zu reduzieren.
Vor diesem Hintergrund haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland in den vergangenen Monaten versucht, Asylbewerber*innen und Geflüchtete verstärkt in kleineren Unterkünften unterzubringen, wie sie auf Anfrage des MEDIENDIENSTES mitteilten.
Mehr Geflüchtete in Sammelunterkünften
Der Anteil der Schutzsuchenden, die in Sammelunterkünften leben, ist zuletzt gestiegen. Das liegt unter anderem daran, dass es für sie schwieriger geworden ist, in Wohnungen und WGs zu ziehen.
Dafür gibt es zwei Hauptgründe, wie eine Pilotstudie im Auftrag des Vereins "Zusammenleben Willkommen" kürzlich festgestellt hat. Zum einen haben die jüngsten Asylreformen dafür gesorgt, dass Asylbewerber*innen länger in Aufnahmeeinrichtungen, Anker- und Ankunftszentren bleiben müssen – bis zu 18 Monate, Menschen aus "sicheren Herkunftsstaaten" noch länger. Zum anderen können viele Geflüchtete auch nach Abschluss ihres Asylverfahrens keine Wohnung finden. Das liegt daran, dass in vielen Regionen die Lage auf dem Wohnungsmarkt sehr angespannt ist.
Sobald ihr Antrag angenommen wird, sollen Flüchtlinge die Möglichkeit haben, in Wohnungen zu leben, so die Theorie. Dass die Realität eine andere ist, zeigt die hohe Quote der sogenannten Überbeleger, die die Autor*innen der "Zusammenleben Willkommen"-Studie festgestellt haben.
In Berlin lebten zum Beispiel im Oktober 2020 rund 19.000 Personen in Gemeinschaftsunterkünften des "Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten" (LAF). Etwa die Hälfte von ihnen hat bereits einen positiven Asylbescheid bekommen, kann allerdings keine bezahlbare Wohnung finden.
Die Wohnungssuche wird durch die sogenannte Wohnsitzauflage zusätzlich erschwert. Seit 2016 müssen anerkannte Flüchtlinge bis zu drei Jahre lang in dem Bundesland wohnen bleiben, in dem ihr Asylverfahren durchgeführt wurde – sofern sie nicht einen Job oder Ausbildungsplatz nachweisen können. Das schränkt ihre Möglichkeiten ein, passende Wohnungen zu finden. Nach Angaben des BAMF hatten Geflüchtete 2018 mehr Erfolg bei der Wohnungssuche, wenn sie ihren Wohnort frei wählen konnten.
Von Fabio Ghelli
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