Die Frage, wie Minderheiten in den Medien als Journalisten vertreten sind, sorgt in Großbritannien immer wieder für Debatten. So zum Beispiel 2001, als Greg Dyke, der damalige Generaldirektor der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt BBC, bei einem Weihnachtsessen des Managements die Institution als “furchtbar weiß” beschrieb. Vor kurzem rief der renommierte schwarze britische Comedian Lenny Henry die Minderheitsbevölkerung des Landes dazu auf, die Fernsehgebühren zu boykottieren, bis in der Belegschaft mehr Menschen aus Minderheiten arbeiten.
In den Medienhäusern wird die Forderung begrüßt, die herkunfts- und religionsbezogene Vielfalt der Mitarbeiter zu erhöhen. Um dem Nachdruck zu verleihen, brauchen wir Initiativen, die eine vielfältigere Medien-Belegschaft fordern. Dabei sollten die Diskriminierungserfahrungen und Vorurteile, denen Mitarbeiter mit Migrationshintergrund in Redaktionen begegnen, thematisiert werden. Aber führt eine vielfältigere Belegschaft automatisch zu einer aufgeklärteren oder zumindest weniger schädlichen Darstellung von Minderheiten?
Minderheiten als exotisch oder bedrohlich dargestellt
In gewisser Hinsicht tauchen mehr nicht-weiße Menschen denn je zuvor in britischen Medien auf, vor allem im Fernsehen. Aber: Quantität ist nicht gleich Qualität. So zeigen Studien, dass Minderheiten kontinuierlich stereotyp dargestellt und die vielfältigen Erfahrungen damit auf rassistische Klischees reduziert werden. Zwar sind einige Minderheiten vor der Kamera gegenwärtiger, doch fast ausschließlich in Nebenrollen. Und wenn kulturelle Vielfalt es doch schafft, im Mittelpunkt zu stehen, geht es meist um Terrorismus, Gewalt, Konflikte oder Karneval. Der Journalist Abdul Rehman-Malik, der sich mit Islamophobie in den Medien beschäftigt, erklärt: „Tatsache ist, dass wir keine wirkliche Vielfalt von muslimischen Erfahrungen sehen. Was wir sehen sind Bärte, Kopftücher, Halalfleisch, Terroristen und Zwangsheirat.“
Dr. ANAMIK SAHA ist Medienwissen-schaftler. Er forscht und lehrt am Institut für Medien und Kommunikation am Goldsmiths College der University of London. Zu seinen Schwerpunkten gehört die Frage der Vielfalt in Medien- und Kulturbetrieben, insbesondere die Darstellung der britisch-asiatischen Minderheit.
Der Schwerpunkt meiner Forschung liegt darauf, wie Briten mit südasiatischem Hintergrund in den Medien dargestellt werden. Fast immer sind sie auf einen Gegensatz zwischen Sehnsucht und Angst festgelegt. So werden sie entweder als "exotisch Andere" dargestellt: farbenfrohe Hochzeiten, zeitlose Spiritualität, scharfe Curry-Speisen und Bollywood-Tänze. Oder sie werden als primitiv und bedrohlich herabgestuft, etwa mit Themen wie Terrorismus, Zwangsheirat und Scharia-Gesetz. Noch beunruhigender ist, wie oft diese Darstellungen von Menschen dieser Minderheit selbst produziert werden!
Um zu verstehen, warum ethnische und religiöse Gruppen medial dermaßen reduziert dargestellt werden und um Strategien dagegen zu entwickeln, müssen wir uns die Produktionsbedingungen genauer anschauen, denn sie zwingen Medienschaffende dazu, stereotype Bilder und Geschichten zu produzieren.
Der Zwang, zu vereinfachen
In letzter Zeit verfolgt der britische öffentlich-rechtliche Rundfunk eine neue Strategie: weg vom Fokus auf spezifische Bedürfnisse eines bestimmten vernachlässigten Publikums, hin zur Strategie, die Minderheiten in das Mainstream-Programm zu integrieren. Einer Aussage der BBC zufolge sei „die Förderung ethnischer Minderheiten äußerst wichtig bei der Auftragsvergabe. Somit werden Abteilungen, die sich speziell an bestimmte Minderheitengruppen wenden, nicht mehr benötigt“.
Vor einigen Jahren nahm ich an einer Veranstaltung der Vielfaltsbeauftragten des privaten Senders Channel 4 teil, die sich speziell an aufstrebende schwarze und asiatische Produzenten, Regisseure und Autoren richtete. Aber anstatt die Belange von Minderheiten zu diskutieren, wurde darüber geredet, wie Aufträge vergeben werden. Um produziert zu werden, müssten solche Ideen "gut, packend und energievoll" sowie "kurz und prägnant" vorgestellt werden. Wie ein Kommissionsmitglied sagte: „Es ist wichtig, dass man etwas sehr schnell versteht.“ Und ein anderer sagte: “Wenn du es als Spruch auf ein T-Shirt schreiben kannst, hast du wahrscheinlich eine sehr gute Idee.“
Der Zwang zu stark vereinfachenden, sensationslüsternen Programmen wird in meinem Interview mit Aaqil Ahmed, dem Leiter des multikulturellen Programms von Channel 4, deutlich. Er ist ein pakistanischer Muslim, in Großbritannien geboren. Sein Ziel, und auch das des Senders, war es, muslimisch-religiöse Mainstream-Programme zu machen, auch während der Hauptsendezeit. Aber da solche Geschichten keine hohen Einschaltquoten erzielen, müssen die Produzenten Aufsehen erregen.
„Aus meiner Perspektive bekommen wir keine hohen Einschaltquoten, so sehr wir es auch versuchen. Deshalb wollen wir, dass das Programm anders wahrgenommen wird. Wir wollen, dass darüber geschrieben wird, wir wollen Preise gewinnen. Wir müssen Aufsehen erregen, wie man so sagt.“ Wenn man nur kurz die Namen der Sendungen durchschaut, die er in Auftrag gegeben hat, versteht man, wie Aufmerksamkeit erregt werden soll: "Im Kopf eines Selbstmordattentäters", "Der Kult der Selbstmordattentäter", "Dschihad: nur für Frauen" , "Der Fundamentalist", „Putting the ‚Fun’ in Fundamental“.
Wege zu einer anderen Berichterstattung
Dass Minderheiten in den Medien sehr eingeschränkt dargestellt werden, wird oft den privilegierten sozialen Klassen zugeschoben, die die oberen Ränge der Medienbranche dominieren. Ohne Zweifel muss das Topmanagement dringend gemischter werden. Doch die konstante Wiederholung rassistischer Stereotype ist auch der zunehmend kommerzialisierten Medienproduktion geschuldet.
Wie können wir gegen diesen Prozess angehen? Ich schlage dazu zwei Wege vor: zum einen brauchen wir eine bessere Regulierung. Öffentliche Rundfunkanstalten müssen von Marktkräften geschützt werden. Sie sollten keinen Druck verspüren mit kommerziellen Sendern konkurrieren zu müssen. Einschaltquoten sollten zweitrangig sein. An erster Stelle sollte sichergestellt werden, dass Sender ihren öffentlichen Auftrag erfüllen, um auch die Minderheiten im Land anzusprechen. Zusätzlich muss Machtkonzentration reduziert, kontrolliert und entfernt werden, damit mehr Stimmen zu Wort kommen. Das verringert Zugangsbarrieren und sichert eine gesunde, unabhängige Branche.
Zum anderen müssen Medienschaffende ein kritisches Verständnis entwickeln. Wenn wir Minderheiten weniger vereinfacht, und mehr aufgeklärt dargestellt haben wollen, braucht es mehr als nur mehr Vielfalt in der Belegschaft. Wir müssen die Medienabläufe selbst kennen und verändern, um jegliches emanzipatorisches Potenzial zu nutzen, das die Medien haben können.
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