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Menschen ohne Papiere 30.05.2023

Zum Arzt ohne Angst?

Menschen ohne Papiere können in Deutschland nicht ohne Angst vor einer Abschiebung zum Arzt gehen. Die Ampel-Regierung will diese Lücke in der Gesundheitsversorgung schließen.

Mindestens 50.000, möglicherweise sogar bis zu 500.000 Menschen leben ohne Papiere in Deutschland – sie haben also keinen legalen Aufenthaltsstatus. Im Falle einer Krankheit zum Arzt zu gehen, trauen sich viele von ihnen nicht: Denn der Gang zum Arzt erhöht für Papierlose das Risiko einer Abschiebung. Diese Lücke in der Gesundheitsversorgung möchte die Bundesregierung im kommenden Migrations-GesetzespaketDer Gesetzesentwurf zum sogenannten "Migrationspaket II" soll laut Angaben aus den Regierungsfraktionen voraussichtlich bis Herbst 2023 vorliegen. schließen.

Warum trauen sich Papierlose nicht zum Arzt?

Eigentlich sollten Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, im Falle einer Krankheit zum Arzt gehen können. Sie sind zwar von der regulären Krankenversicherung ausgeschlossen – ihnen steht aber laut AsylbewerberleistungsgesetzAsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. §§ 4 und 6 eine Basis-Gesundheitsversorgung zu.

Das Problem: De facto können Papierlose diese Gesundheitsversorgung in den meisten Fällen nicht in Anspruch nehmen. Denn die medizinische Leistung müssen sie zunächst beim Sozialamt beantragen. Das Sozialamt unterliegt in diesen Fällen allerdings der Übermittlungspflicht an die Ausländerbehörde. Das heißt: Beantragt eine Person ohne Aufenthaltsstatus beim Sozialamt eine medizinische Leistung, gibt diese die Daten an die Ausländerbehörde weiter. Die Ausländerbehörde erlangt dadurch Kenntnis über die aufenthaltsrechtliche Illegalität. Viele Papierlose vermeiden es deswegen, zum Arzt zu gehen, da sich dadurch das Risiko einer Abschiebung erhöht.Quelle§ 87 Aufenthaltsgesetz; Informationsportal von Medibüros/Medinetzen: "Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"; Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 4.

Eine Ausnahme gibt es nur für medizinische Notfälle. Hier beantragen Papierlose nicht vorher die medizinische Leistung beim Sozialamt, sondern werden direkt behandelt. Für die Kostenerstattung wenden sich anschließend die Ärzte oder das Krankenhaus direkt an die Sozialbehörde. In diesen Fällen unterliegt das Sozialamt dem verlängerten Geheimnisschutz. Das heißt, es darf die Daten nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten. Doch auch hier gibt es Probleme, unter anderem, da die Anforderungen für eine Kostenübernahme hoch sind. Manche Krankenhäuser behandeln Papierlose deswegen auch in Notfällen nicht.QuelleBundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 5; Katholisches Forum Leben in der Illegalität: "Forderung der Gewährleistung der Gesundheitsversorgung für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland". Positionspapier, S. 5

Was plant die Bundesregierung?

Die Ampel-Koalition sieht in ihrem Koalitionsvertrag vor, den Gesundheitsbereich von den oben beschriebenen Übermittlungspflichten auszunehmen. Konkret würde dies eine Anpassung des § 87 Aufenthaltsgesetz bedeuten: Zu dem bereits von der Übermittlungspflicht ausgenommenen Bereich Bildung würde der Bereich Gesundheit als zweite Ausnahme hinzukommen. Die Sozialbehörden wären also in Gesundheitsangelegenheiten nicht mehr verpflichtet, die Ausländerbehörde über Personen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität zu informieren. Die Koalitionsparteien haben vergangenen September erste Eckpunkte zu dieser Gesetzesänderung verhandelt.Quelle Bundesregierung (2021): "Mehr Fortschritt wagen - Koalitionsvertrag 2021 - 2025", Seite 111.

Zivilgesellschaftliche Akteure setzen sich schon lange für diese Abschaffung der Übermittlungspflicht im Gesundheitsbereich ein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und der Verein Ärzte der Welt argumentieren in einer Studie, dass die Übermittlungspflicht das internationale Menschenrecht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung verletze und daher verfassungswidrig sei. Eine Klage gegen die Übermittlungspflicht ist derzeit vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt anhängig. Das Katholische Forum Leben in der Illegalität hat bereits einen Gesetzesvorschlag für die Anpassung des § 87 Aufenthaltsgesetz erarbeitet.QuelleGesellschaft für Freiheitsrechte; Ärzte der Welt (2021): „Ohne Angst zum Arzt – Das Recht auf Gesundheit von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland.“; Gesellschaft für Freiheitsrechte (2023): Ohne Angst zum Arzt; Katholisches Forum Leben in der Illegalität (2022): "Gesundheitsversorgung ohne Angst in Anspruch nehmen".

Wo finden Papierlose in der aktuellen Situation Hilfe?

Karitative Einrichtungen wie der Malteser Hilfsdienst bieten medizinische Versorgung für Papierlose und Menschen ohne Krankenversicherung an. Hier behandeln Ärzte unter Wahrung der Anonymität. Die bundesweiten Medibüros oder Medinetze vermitteln ebenfalls unter Wahrung der Anonymität Patienten an kooperierende Ärzte.QuelleInformationsportal von Medibüros/Medinetzen: "Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"

In einigen Bundesländern gibt es zudem erste Projekte, die die Problematik mit einem anonymen Krankenschein zu überbrücken versuchen: In Berlin können Menschen ohne Papiere seit April 2020 solche Scheine bei einer Clearingstelle erhalten. In Thüringen läuft derzeit das Pilotprojekt "Anonymer Krankenschein". Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es Clearingstellen, an die sich Papierlose im Krankheitsfall wenden können.

Was bedeutet „irreguläre" oder "illegale Migranten“ oder „Sans-Papiers“?

Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für Menschen, die ohne legalen Aufenthaltsstatus in Deutschland leben:

  • Üblich ist die Bezeichnung "irreguläre Migranten", da die Personen über keinen regulären Aufenthaltsstatus in Deutschland verfügen.
  • Oft wird auch der französische Begriff "Sans-Papiers" verwendet, was "ohne Papiere" bedeutet. Diese Bezeichnung kann irreführend sein, da die Personen meist über andere Papiere verfügen – wie einen ausländischen Pass – nur eben nicht über einen Aufenthaltstitel, der in Deutschland gültig ist.
  • Der Begriff "illegale Migranten" wird häufig verwendet, steht aber in der Kritik: Er sei stigmatisierend und stelle irreguläre Migranten als Kriminelle dar.QuellePICUM (2017): "Warum nicht illegal?", Angenendt (2007): "Irreguläre Migration als internationales Problem", Seite 10.

In rechtlicher Hinsicht spricht man von "Menschen in aufenthaltsrechtlicher Illegalität". Das sind alle Drittstaatsangehörigen ohne Aufenthaltsberechtigung. Grundsätzlich muss in Deutschland jede Person ohne deutsche Staatsbürgerschaft einen gültigen Aufenthaltstitel haben – etwa ein Visum, eine EU Blue Card, eine Aufenthaltsgestattung für Asylsuchende oder eine Duldung.Quelle§ 95 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz

Wie viele irreguläre Migranten leben in Deutschland?

Es gibt keine gesicherten Angaben darüber, wie viele Menschen in Deutschland in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität leben. In einer Annäherung kann man zwischen dem Dunkelfeld und dem Hellfeld unterscheiden:

Tatsächliche Zahl der Irregulären in Deutschland? Ein Dunkelfeld

Die Forscherin Dita Vogel ging in einer Schätzung im Jahr 2014 von einer Zahl zwischen 180.000 und 520.000 Personen in Deutschland aus, die in aufenthaltsrechtlicher Illegalität lebten. Diese Schätzung beruhte auf den Daten der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS).Quelle Vogel (2016): "Umfang und Entwicklung der Zahl der Papierlosen in Deutschland" 

Eine neuere Schätzung, die das Pew Research Center für Deutschland veröffentlicht hat, geht von über einer Million irregulären Migrant*innen aus. Diese Schätzung beruht aber auf einer falschen Methodik, weshalb sie vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) ausdrücklich abgelehnt und widerlegt wurde. So inkludiert das Pew Research Center zum Beispiel Asylsuchende in die Statistik der irregulären Migrant*innen, obwohl Asylsuchende in Deutschland eine Aufenthaltsgestattung bekommen und sich somit gerade nicht irregulär im Land befinden.Quelle Hosner (2020): "One Million Irregular Migrants in Germany?" und PEW Research Center: "Europe's Unauthorized Immigrant Population", S.10.

Registrierte Zahl der Irregulären in Deutschland: Das Hellfeld

Die Mindestzahl der Menschen, die irregulär in Deutschland aufhältig sind, beläuft sich derzeit auf rund 56.000 (Stand: Dezember 2022). Hierbei handelt es sich um dokumentierte ausreisepflichtige Personen. Unter den "Ausreisepflichtigen" gibt es etwa abgelehnte Asylbewerber oder ausländische Studenten, Arbeitnehmer und Touristen, deren Visum abgelaufen ist. Zum Stichtag 31. Dezember 2022 waren 304.308 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Allerdings besitzen rund 82 Prozent der "Ausreisepflichtigen" eine Duldung. Das heißt: Sie wurden aufgefordert, das Land zu verlassen, können aber "aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen" nicht abgeschoben werden. Die Duldung ist zwar kein echter Aufenthaltstitel, aber dennoch eine Bescheinigung über den legalen Aufenthalt in Deutschland. Geduldete fallen somit nicht unter die Kategorie der Papierlosen/ Irregulären. Die Zahl der "unmittelbar Ausreisepflichtigen" – also Personen, die tatsächlich irregulär sind – beläuft sich auf 56.163 (Stand: Dezember 2022).QuelleFür 2022, Bundestagsdrucksache 20/5749, Seite 9. Die Zahl der "unmittelbar Ausreisepflichtigen" ergibt sich aus der Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen abzüglich der Geduldeten.

Illegale Einreise bedeutet nicht illegaler Aufenthalt

Nicht zu verwechseln ist die Zahl der irregulären Migrant*innen mit der Zahl der "unerlaubt eingereisten Personen". Denn: Alle Personen, die ohne gültiges Visum oder Aufenthaltstitel nach Deutschland einreisen, gelten zunächst als "unerlaubt eingereist". Dies betrifft etwa Flüchtlinge, die in Deutschland Schutz suchen. Sie befinden sich aber nur solange in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität, wie sie noch kein Asylgesuch ausgesprochen haben. Sobald sie einen Asylantrag stellen, sind diese Personen nicht mehr irregulär, sondern erhalten eine Aufenthaltsgestattung für die Zeit des Asylverfahrens.

Wie geraten Menschen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität?

Es gibt mehrere Gründe, wie Menschen in die aufenthaltsrechtliche Illegalität geraten

  • Personen reisen mit einem gültigen Aufenthaltstitel – zum Beispiel einem Visum – ein, aber nach Ablauf des Aufenthaltstitels nicht wieder aus ("Overstayer").Quelle BAMF (2015): "Illegal aufhältige Drittstaatsangehörige in Deutschland", S. 28
  • Ein anderer Weg ist die "illegale Einreise": Menschen, die ohne Aufenthaltsberechtigung – wie etwa einem Touristenvisum, einer EU Blue Card oder einem Schutzstatus – nach Deutschland einreisen und nach der Einreise keinen Asylantrag stellen, befinden sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität. Allerdings ist zu beachten: Fast alle Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, gelten zunächst als "illegal eingereist". Sobald sie aber einen Asylantrag stellen, erhalten sie eine Aufenthaltsgestattung und sind somit regulär aufhältig.Quelle Bundesinnenministerium: "Aufenthaltsgestattung"
  • Wenn der Asylantrag von Asylsuchenden abgelehnt wird – also weder die Flüchtlingsanerkennung, noch Subsidiärer Schutz oder ein Abschiebeverbot greifen – sind sie vollziehbar ausreisepflichtig. Wenn sie ihren Ausreisetermin verstreichen lassen und sich der Abschiebung entziehen, befinden sie sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität.Quelle § 95 Abs. 1 Nr. 2 Aufenthaltsgesetz
  • Eine Ausnahme vom letzten Punkt ist die Duldung: Die Duldung ist zwar kein Aufenthaltstitel, aber eine temporäre legale Bleibemöglichkeit. Personen, die eine Duldung besitzen, befinden sich somit nicht in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität. Nur, wenn Personen ihre Duldung nicht verlängern und auch keinen anderen Aufenthaltstitel haben, geraten sie in die aufenthaltsrechtliche Illegalität.Quelle MEDIENDIENST INTEGRATION: "Was bedeutet Duldung?"


Wo und wie arbeiten irreguläre Migranten?

Menschen, die sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität befinden, sind nicht behördlich registriert. Es gibt daher keine gesicherten repräsentativen Zahlen und Fakten dazu, wo und wie sie arbeiten. Fallstudien zeigen, dass irreguläre Migrant*innen häufig in den Bereichen Landwirtschaft, Baugewerbe, Fabrikarbeit, Gastronomie, Sexarbeit, Pflege und Hausarbeit arbeiten.Quelle Wilcke, Holger (2018): "Illegal und unsichtbar?", S. 149.

Ohne gültigen Aufenthaltstitel zu arbeiten ist in Deutschland verboten. Irreguläre Migrant*innen können daher nicht angemeldet arbeiten. Allerdings hat in Deutschland jede Person, die arbeitet, auch Anspruch auf den Arbeitslohn – unabhängig von der Aufenthaltsberechtigung. Für irreguläre Migrant*innen ist das Problem allerdings, dass sie diesen Anspruch de facto vor Gericht nur schwer geltend machen können. Denn wenn das Gericht von der fehlenden Aufenthaltsberechtigung erfährt, muss es diese Information gemäß §87 Aufenthaltsgesetz an die Ausländerbehörde weiterleiten.Quelle Norbert Cyrus, Markus Kip (2014): „Arbeitsrechte mobilisieren ohne Aufenthaltsstatus. Von faktischer Rechtlosigkeit zur Veränderung geltenden Rechts?“, S. 39f.; §87 Aufenthaltsgesetz.

Arbeitnehmer*innen, die sich in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität befinden, können dadurch von ihren Arbeitgeber*innen abhängig werden: Diese können zum Beispiel drohen, die Behörden über die aufenthaltsrechtliche Illegalität zu informieren. Das kann Arbeitnehmer*innen davon abhalten, Ansprüche etwa auf Lohn, Urlaubszeiten oder Arbeitsschutzstandards geltend zu machen. Daher fordern Selbstorganisationen wie PICUM eine "Firewall": Wenn Gerichte die Daten nicht mehr an die Ausländerbehörde übermitteln müssten, könnten Irreguläre risikofrei ihre Lohnansprüche geltend machen.QuellePICUM (2020): „Data Protection and the Firewall: Advancing Safe Reporting for People in an Irregular Situation“, S.2.

In vielen Städten wurden unter dem Titel "Faire Integration" gewerkschaftliche Anlaufstellen eingerichtet, die auch Menschen ohne gesicherten Aufenthalt beraten. In Berlin bietet außerdem der Arbeitskreis Undokumentierte Arbeit Beratung an.

Wie wohnen irreguläre Migranten?

Die Wohnsituation von irregulären Migrant*innen wurde bisher nur wenig erforscht. Eine qualitative Studie von 2017 zeigt, dass Irreguläre vom deutschen Wohnungsmarkt ausgeschlossen werden: Wegen der allgemeinen Meldepflicht und häufig angeforderten Einkommensnachweisen können sie nicht eigenständig eine Wohnung anmieten. Stattdessen kommen sie häufig bei Bekannten oder Verwandten unter oder diese übernehmen die Hauptmiete.Quelle Hollstein (2017): "Illegale Migration und transnationale Lebensbewältigung" S.47 und 244.

Die Studie zeigt auch: Die Hilfe von Bekannten oder Verwandten ist oft nur eine Übergangslösung. Häufig landen Irreguläre in Wohnungen, die Eigentümer*innen bewusst an Irreguläre vermieten, um hohe Mieten verlangen zu können. Diese Unterkünfte werden zum Teil tage-, wochen- oder monatsweise vermietet und bieten wenig Privatsphäre. Einen Mietvertrag gibt es meistens nicht. Die Mieter*innen haben daher keine Sicherheit und können sich nicht wehren, wenn zum Beispiel die Mieten erhöht werden oder die Zustände in den Wohnungen schlecht sind.Quelle Hollstein (2017): "Illegale Migration und transnationale Lebensbewältigung" S.46

Wie leben Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität?

Es gibt keine umfassenden Studien dazu, wie viele Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität leben. Fallstudien und Beratungsstellen weisen darauf hin, dass es zwei Hauptprobleme gibt: Kinder in aufenthaltsrechtlicher Illegalität haben oftmals keine Geburtsurkunde und es gibt Hürden zum Kita- oder Schulbesuch.

Geburtsurkunde

Wenn irreguläre Migrant*innen ein Kind bekommen, ist auch das Kind zunächst undokumentiert. Zwar hat jedes Kind – unabhängig vom Aufenthaltsstatus – ein Recht darauf, registriert zu werden und eine Geburtsurkunde zu erhalten. Praktisch gibt es für die Eltern aber eine große Hürde: Wenn sie eine Geburtsurkunde beim Standesamt beantragen, besteht die Gefahr, dass das Standesamt die aufenthaltsrechtliche Illegalität der Eltern an die Ausländerbehörde meldet. Das kann zu einer Abschiebung führen. Eltern beantragen deshalb oft keine Geburtsurkunde. Sollten die Eltern zu einem späteren Zeitpunkt abgeschoben werden, kann das im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie die Verwandtschaft nicht beweisen können und somit von ihrem Kind getrennt werden. Außerdem kann die fehlende Geburtsurkunde zu Problemen bei der Beantragung von Dokumenten oder bei Anmeldungen zum Beispiel zur Kita oder Schule führen. Quelle Caritas (2017): "Aufenthaltsrechtliche Illegalität", S. 56

Zugang zu Kita und Schule

Jedes Kind hat das Recht auf Schulbildung, unabhängig vom aufenthaltsrechtlichen Status. De facto gibt es aber nach wie vor Hürden: Zwar müssen Kitas und Schulen der Ausländerbehörde nicht melden, wenn ein Kind, das in aufenthaltsrechtlicher Illegalität lebt, bei ihnen angemeldet wird. In der Praxis kann es aber geschehen, dass Lehrer*innen oder Direktor*innen in Kita und Schule aufenthaltsrechtliche Daten der Eltern erfragen und an die Behörden übermitteln.Quelle Art. 28 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, Art. 17 der Europäischen Sozialcharta, Art. 2 des 1. Protokolls der Europäischen Menschenrechtskonvention; Funck/Karakaşoğlu/Vogel (2015): "Es darf nicht an Papieren scheitern"

Wie kommen Menschen aus der Irregularität?

Durch eine sogenannte Regularisierung können irreguläre Migrant*innen einen Aufenthaltstitel erhalten. In Deutschland gibt es keine Regularisierungsprogramme. Am ehesten kommen Menschen zunächst über eine Duldung aus der Irregularität.QuelleCharlotte Fiala (neue Caritas) (2015): "Regularisierung - die bisher vernachlässigte Option"

In manchen EU-Staaten gibt es offizielle Programme zur Regularisierung, andere sehen die Regularisierung einzelner Personen vor.QuelleAlbert Kraler u.a. (ICMPD) (2014): “Final Report. Feasibility Study on the Labour Market Trajectories of Regularised Immigrants within the European Union (REGANE I)”, S. 47, 58; Kate Brick (mpi) (2011): “Regularizations in the European Union: The Contentious Policy Tool”, S. 1; Leïla Bodeux und Shannon Pfohman (Caritas Europa) (2021): “Policy Paper. Demystifying the regularization of undocumented migrants”

Zwei Beispiele:

Spanien: Dort erhielten im Jahr 2005 fast 500.000 irreguläre Migrant*innen eine Aufenthaltsberechtigung. Anschließend wurde gesetzlich verankert, dass irreguläre Migrant*innen eine Regularisierung beantragen können. Grundlage hierfür ist die "Verwurzelung" (span. araigo) in Spanien. Irreguläre Migrant*innen können eine Arbeits- und Aufenthaltsberechtigung erlangen, wenn sie nachweisen können, dass

  • sie sich seit drei Jahren durchgängig in Spanien aufgehalten haben,
  • sie einen Arbeitsvertrag unterzeichnet haben, der mindestens ein Jahr gültig ist und
  • sie sozial in die spanische Gesellschaft eingegliedert sind oder sich Familienmitglieder legal in Spanien aufhalten.QuelleKevin Fredy Hinterberger (A&W Blog) (2017) „Die ‚Bekämpfung‘ undokumentierter Beschäftigung: Spaniens Regularisierungen als Vorbild?; Kevin Hinterberger (2020) „Regularisierungen irregulär aufhältiger Migrantinnen und Migranten. Deutschland, Österreich und Spanien im Rechtsvergleich“, S. 257f.; ICMPD (2007) „REGINE Regularisations in Europe. Study on practices in the area of regularisation of illegally staying third-country nationals in the Member States of the EU”, S.83-93;

Portugal: Während der Corona-Pandemie hat die portugiesische Regierung zwei Dekrete, das erste am 27. März 2020, das zweite am 8. November 2020, zur Regularisierung erlassen. Um die prekäre Situation irregulärer Migrant*innen in der Pandemie zu verbessern und ihnen einen Zugang zum Gesundheitssystem zu ermöglichen, wurden insgesamt 376.700 irreguläre Migrant*innen vorübergehend regularisiert.QuelleEuropean Website on Integration (2021): Portugal: „More than 356 000 immigrants provisionally legalised during COVID-19 pandemic“; Jose Leitao (FES) (2020): Regularisations in times of COVID-19

Die Organisation PICUM (Platform for international cooperation on undocumented migrants) hat eine Übersicht über verschiedene Ansätze von Regularisierungen weitweit erstellt.Quelle PICUM (2022): "Regularisation mechanisms and programmes: Why they matter and how to design them"

Von Donata Hasselmann, Faktencheck: Sophie Thieme

 

 


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