Dieser Artikel ist ursprünglich am 6. Juni 2025 erschienen und wurde am 20. August 2025 aktualisiert.
Die Zahl der unerlaubten Einreisen und die Zahl der Asyl-Erstanträge in Deutschland sind in den vergangenen Monaten zurückgegangen. Ein Blick auf die die Flüchtlingszahlen in Deutschland und in Europa zeigt: Die deutsche Grenzpolitik ist offenbar nicht der Hauptfaktor für diesen Rückgang.
Im Mai 2025 hat das Bundesinnenministerium Grenzkontrollen an allen Landesgrenzen verstärkt und eine Weisung erlassen, nach der Schutzsuchenden die Einreise in die Bundesrepublik durch die Landesgrenzen verwehrt werden kann.
Vorübergehende Grenzkontrollen an den Grenzen zu Frankreich, Luxemburg, den Niederlanden, Belgien und Dänemark wurden schon im September 2024 eingeführt. Kontrollen an den Grenzen zu Polen, Tschechien und der Schweiz finden seit Oktober 2023 statt. An der deutsch-österreichischen Grenze gibt es sie (mit Unterbrechungen) seit 2015. Damit finden an allen Landesgrenzen Kontrollen statt.
Eine Auswirkung der Grenzkontrollen auf die Einreisen über die einzelnen Grenzabschnitten lässt sich nicht feststellen. Unerlaubte Einreisen gingen an den östlichen und südlichen Grenzen schon vor der Einführung der Kontrollen zurück. An den westlichen Grenzen schwanken die unerlaubten Einreisen hingegen von Monat zu Monat.
Rechtslage: Zurückweisungen von Asylsuchenden sind rechtswidrig
Am 7. Mai hat das Bundesinnenministerium eine Weisung erlassen, nach der Schutzsuchenden die Einreise in die Bundesrepublik über die Landesgrenzen verwehrt werden kann – ausgenommen sind nur "erkennbar vulnerable" Personen wie etwa schwangere Frauen, unbegleitete Kinder und Kranke. Gleichzeitig wurde Grenzkontrollen verstärkt und die Zahl der Polizeibeamt*innen an den Grenzen aufgestockt. Ziel der Maßnahmen ist laut Bundesinnenministerium, die irreguläre Migration nach Deutschland zu reduzieren.
Die vom Bundesinnenministerium angeordneten Zurückweisungen von Asylsuchenden an deutschen Grenzen sind rechtswidrig. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Beschluss entschieden. Ein Mann, eine Frau und ein Kind aus Somalia hatten in einem Eilverfahren geklagt, nachdem ihre Asylgesuche in Deutschland von der Polizei ignoriert und sie nach Polen zurückgewiesen worden waren. Das Gericht erklärte, dass die Zurückweisung nicht nur im konkreten Fall, sondern auch abstrakt-generell gegen EU-Recht verstoßen würde: Das zwingend vorgesehene Dublin-Verfahren könne nicht durch bilaterale Abkommen zwischen den Staaten ausgesetzt werden, auch die viel diskutierte Ausnahme wegen einer „Notlage“ nach Art. 72 AEUV liege nicht vor. Weitere Informationen in unserer Rubrik Asylrecht.
Wie viele Personen wurden zurückgewiesen?
Zwischen dem 8. Mai 2025 und dem 31. Juli 2025 hat die Bundespolizei nach eigenen Angaben etwa 9.500 Personen zurückgewiesen oder zurückgeschoben. 474 von ihnen waren Asylsuchende – sie wurden trotzdem zurückgewiesen. 110 Personen wurden als "vulnerabel" eingestuft und konnten ein Asylgesuch äußern.
In den ersten sieben Monaten des Jahres ist die Zahl der unerlaubten Grenzübertritte nach Deutschland um rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen – auf ca. 36.300 Grenzübertritte. Die unerlaubten Grenzübertritte gehen seit Ende 2023 tendenziell zurück.
Weniger Asylanträge in ganz Europa
Die Zahl der Asylerstanträge ist zwischen Januar und Juli 2025 im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte zurückgegangen – auf rund 70.000 Anträge. Die meisten Erstanträge wurden von Personen aus Afghanistan (ca. 21.000 Anträge), Syrien (16.700) und der Türkei (8.900) gestellt.
Allerdings: Nicht nur in Deutschland werden weniger Asylanträge gestellt. Zwischen Januar und Mai 2025 ging die Zahl der Erstanträge in der gesamten Europäischen Union um rund 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurück.
Seit Anfang des Jahres ist Deutschland nicht mehr das Land mit den meisten Asylbewerber*innen:
- In Frankreich wurden zwischen Januar und Mai 2025 rund 65.700 Anträge gestellt,
- In Spanien etwa 64.400
- In Deutschland 63.400.
Ein Grund für den Anstieg der Asylanträge in Frankreich ist, dass viele Geflüchtete aus der Ukraine dort einen Asylantrag gestellt haben, um eine längerfristige Bleibeperspektive zu haben, wie das "Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides" (OFPRA) erklärt. In Deutschland haben bislang nur wenige Geflüchtete aus der Ukraine einen Asylantrag gestellt.
Zahl der Ankünfte sinkt - nicht erst seit den deutschen Grenzkontrollen
Schon seit 2023 geht die Zahl der Ankünfte auf allen Haupt-Fluchtrouten nach Europa tendeziell zurück. Zum Vergleich: 2023 kamen im Schnitt rund 21.200 Schutzsuchende pro Monat über die Haupt-Fluchtrouten im Mittelmeer in die EU; 2024 waren es 16.500 pro Monat. 2025 (Jan-Jul) waren es rund 12.000.
Auf der Polen-Belarus Route sank die Zahl der versuchten Grenzübertritte 2025 um 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum – auf rund 19.000. In allen Ländern der sogenannten Westbalkan-Route ging die Zahl der aufhältigen Schutzsuchenden zwischen 2024 und 2025 (Jan-Jun) erneut zurück: In Bosnien-Herzegowina um 58 Prozent, in Albanien um 51 Prozent – und im Drehkreuz der Fluchtmigration in der Region, Serbien, um 53 Prozent.
Die Gründe: Machtwechsel in Syrien, Grenzkontrollen im Westbalkan, Unterdrückung in Tunesien
Es gibt mehrere Gründe für den Rückgang der Flüchtlingszahlen. Einer der Hauptgründe ist, dass Syrer*innen – die größte Gruppe der Asylsuchenden in Europa neben den Ukrainer*innen – seit dem Machtwechsel in Syrien seltener Schutz in Europa suchen. Ein weiterer Grund sind die strengen Grenzkontrollen entlang der Westbalkan-Route und an der polnisch-belarusischen Grenze sowie die gewaltsame Unterdrückung von Fluchtmigration in Tunesien.
Von Fabio Ghelli
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