Derzeit stimmt die Bundesregierung mit den Bundesländern einen Gesetzentwurf ab, um Gerichte anzuhalten, rassistische Taten schärfer zu ahnden. Bislang gibt es für die Strafzumessung lediglich die allgemeine Vorgabe, "die Beweggründe und die Ziele des Täters" sowie "die Gesinnung, die aus der Tat spricht" zu berücksichtigen. Stimmen Kabinett, Bundestag und Bundesrat dem Vorhaben zu, würde es im Strafgesetzbuch (StGB) Paragraph 46 Absatz zwei künftig im Wortlaut heißen:
"Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, ..."
Die Reform basiert auf den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag und soll nach der Sommerpause dem Kabinett vorgelegt werden. Zuvor hatten Nichtregierungsorganisationen bis zum 22. Juli die Möglichkeit, Stellungnahmen einzureichen. "Wir begrüßen den Vorschlag einer Strafverschärfung bei Vorliegen einer rassistischen Tatmotivation", schrieb etwa ein Bündnis von Antidiskriminierungsbüros in Nordrhein-Westfalen. Allerdings fänden die Belange der Betroffenen keine Beachtung. So mache der Staat bei der geplanten Reform beispielsweise keine Anstalten, "die fehlende Sensibilität gegenüber Opfern rassistischer Straftaten" in den Ermittlungsbehörden anzugehen.
Das Bündnis fordert außerdem "die Streichung des Begriffs Fremdenfeindlichkeit und eine Definition des Begriffs rassistisch". Zur Begründung verweist es auf die Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIM). Dort heißt es: Der Gesetzgeber übernehme mit dem Terminus „fremd“ die Täterperspektive und setze ein falsches Signal, wenn er die Terminologie gesetzlich verankert.
Das bundesweite Forum Menschenrechte, ein Netzwerk von über 50 deutschen Nichtregierungsorganisationen, kritisierte die Verankerung des Begriffs bereits 2010 in einem Memorandum: Lange habe man in Deutschland versucht, den Begriff Rassismus zu vermeiden und stattdessen "problematische Ausdrücke wie Fremdenfeindlichkeit oder Ausländerfeindlichkeit" verwendet. Ein Grund dafür sei, dass der Begriff Rassismus "schmerzliche Erinnerungen an die NS-Vergangenheit" mit sich bringt. Doch die alternativen Begriffe seien "nicht neutral", erklärt das Forum, inzwischen leben die meisten "anders aussehenden Menschen" seit vielen Jahren in Deutschland oder sind Deutsche.
"In der deutschen Rechtsordnung nicht gebräuchlich"
Warum aber wird im Gesetzentwurf der umstrittene Begriff "fremdenfeindlich" neben "rassistisch" verwendet, wenn er üblicherweise als Synonym für Letzteren fungiert?
Im Dokument heißt es ab Seite 12 dazu: Die beiden Tatbestandsmerkmale wurden gewählt, "weil ihre Berücksichtigung den Vorgaben von Artikel 4 des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI entspricht". Die Autoren des Gesetzentwurfs notieren jedoch: "Dieser enthält keine Definition dieser Tatbestandsmerkmale." Zum Hintergrund: Der europäische "Rahmenbeschluss zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit" soll dafür Sorge tragen, dass entsprechende Straftaten in der EU "mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Strafen geahndet werden können". In den anderen Sprachen wurde das englische Wort "Xenophobia" bei der Übersetzung als Fremdwort beibehalten.
Eine Sprecherin des Bundesministeriums der Justiz erklärt auf Nachfrage: Die Begriffe fremdenfeindlich und rassistisch seien "überschneidend, aber nicht vollkommen deckungsgleich". Zur Klärung des Unterschieds verwies sie auf ein Arbeitsmaterial, das unter anderem von der Bayerischen Staatsregierung für den Schulunterricht beim Thema "Toleranz und Integration" beworben wird.
Hier heißt es: "Fremdenfeindlichkeit liegt immer dann vor, wenn Menschen wegen anderer Herkunft, Sprache, Religion oder Kultur diskriminiert und abgelehnt werden." Rassismus dagegen liege vor, „wenn die Unterdrückung und Ungleichbehandlung einer ethnischen Gruppe mit biologischen Gründen gerechtfertigt wird“. Der Unterschied liege unter anderem darin, "dass beim Rassismus nicht die Ablehnung der Andersartigkeit im Vordergrund steht, sondern deren Feststellung" und dass hier "nicht nur eine emotionale Ablehnung gegen eine Gruppe von Fremden existiert".
Das Deutsche Institut für Menschenrechte ist hier anderer Auffassung: Es sei "kein Mehrwert erkennbar, der sich aus der Verwendung des Begriffes 'fremdenfeindlich' neben dem Begriff 'rassistisch' im Gesetzentwurf ergibt". In der deutschen Rechtsordnung ist Fremdenfeindlichkeit bislang nicht gebräuchlich, heißt es in der Stellungnahme. Die Verwendung des Begriffs im Einwanderungsland Deutschland sei "weder angemessen noch hilfreich".
„Auch in der Praxis der statistischen Erfassung der Polizei wird deutlich, dass es keine nachvollziehbaren und sinnvollen Abgrenzungen hinsichtlich rassistischer und fremdenfeindlicher Tatmotivationen gibt", sagt Hendrik Cremer vom DIM. Ein Gesetz, das auf den Begriff der „Fremdenfeindlichkeit“ verzichte, könne dazu beitragen, "dass die Kategorien der Polizeistatistiken entsprechend reformiert werden, was vom NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestag ebenfalls angemahnt wurde“.
Der Gesetzgeber sollte stattdessen einige grundsätzliche Erörterungen dazu machen, "was unter dem Begriff rassistisch zu verstehen ist", so das DIM in seiner Stellungnahme. Das Ziel der Gesetzesänderung könne nur erreicht werden, wenn die Auslegung dieses Begriffs geklärt wird.
Von Ferda Ataman
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