Wer aus dem Ausland zu seinem Partner nach Deutschland ziehen will, muss einige Hürden überwinden. Der Ehegattennachzug ist neben der Arbeitsmigration eine der zentralen Möglichkeiten für Drittstaatsangehörige, nach Deutschland zu kommen. Zwischen 2005 und 2011 sind auf diese Weise über 300.000 Männer und Frauen eingewandert.
Wie aber ergeht es Heiratsmigranten? Eine umfangreiche Studie des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat erstmals ihre Lebensbedingungen untersucht. Dazu wurden 2.500 Menschen zu ihren Erfahrungen und Einstellungen befragt. Die Ergebnisse zeichnen folgendes Bild:
Die Ehepartner aus dem Ausland sind meist zwischen 18 und 34 Jahre alt. Die Mehrheit kommt aus der Türkei, gefolgt von der Russischen Föderation, dem ehemaligen Jugoslawien, Indien, Pakistan, Thailand und den Philippinen. Die Untersuchung zeigt auch: Deutschland ist für viele ein zweites Zuhause geworden.
- Fast alle ausländischen Ehepartner bemühen sich, die deutsche Sprache zu erlernen.
- 60 Prozent der Ehepartner wollen dauerhaft in Deutschland bleiben.
- Zwei Drittel möchten gern deutsche Staatsangehörige werden.
- Knapp über 50 Prozent fühlt sich Deutschland stark oder sehr stark verbunden.
- Die meisten Ehepartner aus dem Ausland haben regelmäßig Kontakt zu Deutschen.
Die Studie gibt auch Aufschluss über die bereits hier lebenden Ehepartner:
- Die meisten von ihnen sind schon lange in Deutschland – rund 80 Prozent sind hier geboren.
- Mehr als die Hälfte sind deutsche Staatsbürger, die meisten davon mit Migrationshintergrund.
- Oft seien die Ehen "intra-ethnisch": In 80 Prozent der Fälle stammen beide Partner aus dem gleichen Herkunftsland.
Viele nachgezogene Ehepartner haben ein hohes Bildungsniveau
- Insgesamt haben 43 Prozent eine Hochschulzugangsberechtigung, sprich einen Abschluss, der einem (Fach-)Abitur gleich kommt.
- Mehr als die Hälfte der Ehepartner aus dem Ausland bringt einen Studien- oder Berufsabschluss mit.
- Mehr als die Hälfte der nachgezogenen Ehepartner ist laut Angaben des BAMF berufstätig.
Ungenutzte Potentiale
Die Ergebnisse widersprechen dem gängigen Klischee des nachgezogenen Ehepartners, der zu Hause sitzt und sich in einer "Parallelgesellschaft" abkapselt. Doch die Studie zeigt auch: Die Heiratsmigranten müssen zahlreiche Hürden überwinden:
Mit nur etwa 15 Prozent werden ihre Bildungsabschlüsse nur in den wenigsten Fällen anerkannt. So kommt es, dass trotz des hohen Bildungsniveaus die Mehrzahl in einfachen Berufen und nicht ihrer Qualifikation entsprechend arbeitet.
In puncto Beschäftigung herrscht zudem ein klarer Geschlechterunterschied: 67 Prozent der Frauen sind erwerbslos, bei den Männern sind es lediglich 15 Prozent. Dabei ist es offenbar nicht so, dass die Ehefrauen freiwillig zu Hause bleiben: Etwa 80 Prozent aller Befragten waren im Herkunftsland berufstätig und würden auch in Deutschland gern wieder arbeiten.
"Der Forschungsbericht zeigt deutlich, dass ein Handlungsbedarf in Bezug auf
die berufliche Anerkennung von ausländischen Abschlüssen besteht", sagt Sidonie Fernau vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften. Handlungsbedarf sieht der Verband auch bei den umstrittenen Sprachanforderungen vor der Einreise. „Die Ergebnisse decken sich mit den Erfahrungen unserer alltäglichen Beratung“, so Fernau. So hätten ein Viertel der Befragten in der BAMF-Studie angegeben, im Heimatland keinen Zugang zu Sprachkursen zu haben. Überdies empfinde ein Drittel der Befragten das Erlernen der Sprache als „belastend“.
Lange Wartezeiten vor der Einreise
Die Sprachanforderungen sind auch ein Streitpunkt vor dem Europäischen Gerichtshof. Dieser verhandelt in den nächsten Monaten die Klage einer türkischen Ehefrau, die sich gegen den erforderlichen Nachweis von Deutschkenntnissen verwehrt. In seinem Plädoyer hob Generalanwalt Paolo Mengozzi rechtliche Bedenken aufgrund der EU-Richtlinie zum Familiennachzug hervor.
Auch die Autoren der BAMF-Studie betrachten die Ergebnisse in Bezug auf die Sprachtests kritisch und erklären: 80 Prozent der nachgezogenen Ehepartner halten die Sprachtests für sinnvoll, allerdings wurden „nur Personen befragt, die (den Test) erfolgreich erbrachten“.
Die Studie untersucht nicht, wie viele Ehepartner aufgrund der Sprachanforderungen getrennt leben müssen und für wie lange. Sie besagt lediglich, dass die Hälfte der Ehepartner "zwischen ein und elf Monate" nach der Eheschließung einreisen konnte. Bei türkischen, indischen und pakistanischen Frauen kann die Wartezeit sogar deutlich länger sein: Ein Viertel der türkischen Frauen musste über ein Jahr warten, jede vierte indische oder pakistanische Ehefrau sogar bis zu drei Jahre.
Von Jakob Roßa und Fabio Ghelli
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