Zwar haben sich die Leistungen von Schüler mit sogenanntem Migrationshintergrund in den vergangenen Jahren verbessert. Es bestehen jedoch weiterhin deutliche Unterschiede zu Schülern, die nicht aus Einwandererfamilien stammen.
Untersuchungen zeigen immer wieder: Der Bildungserfolg hängt in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern überdurchschnittlich stark von der sozialen Lage der Eltern ab. Haben sie ein geringes Einkommen und einen niedrigen Bildungsabschluss, wird das oft "weitervererbt". Die Aufstiegschancen sind gering. Gerade Kinder aus türkischen oder arabischen Einwandererfamilien haben dadurch oft von Beginn an schwierigere Startbedingungen.
Welchen Einfluss haben Lehrer? Wie wirken sich ihre Einstellungen und ihr Umgang mit den Schülern auf deren Lernerfolg aus? Und wie können Vourteile erkannt und abgebaut werden? Um diesen Fragen nachzugehen, haben das Berliner Institut für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) und der SVR-Forschungsbereich ein gemeinsames Forschungsprojekt durchgeführt. Dafür wurden Ergebnisse aus drei Teilstudien miteinander verknüpft.
Wie stehen Lehrer zur Vielfalt?
- Der Studie zufolge sind Lehrer bestimmten Aspekten von Vielfalt gegenüber etwas liberaler eingestellt als die Gesamtbevölkerung. So hielten weniger Lehrkräfte akzentfreies Deutsch für ein Grundkriterium, um Deutsch sein zu können (30 gegenüber 41 Prozent).
- Es bestehen jedoch weiterhin Vorurteile, insbesondere gegenüber Muslimen. So meinten nur 61 Prozent der befragten Lehrer, Muslime seien genau so bildungsorientiert wie der Rest der Bevölkerung. Das sind zwar mehr als in der Gesamtbevölkerung (55 Prozent). Studien zeigen jedoch, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft viel Wert auf den Bildungserfolg ihrer Kinder legen.
- Während in der Gesamtbevölkerung 43 Prozent der Befragten dafür plädierten, Moscheebauten einzuschränken, stimmten immerhin 30 Prozent der Lehrkräfte dieser Aussage zu.Quelle
Wie wirken sich die Erwartungen der Lehrer auf die Schüler aus?
- Selbst wenn sich ihre Leistungen tatsächlich nicht voneinander unterscheiden, schätzen Lehrer den Leistungserfolg von Kindern aus türkischen Einwandererfamilien geringer ein als von Kindern ohne Migrationshintergrund.
- Diese verzerrten Wahrnehmungen können sich auf das Verhalten der Lehrer im Unterricht auswirken und den Lernerfolg der Schüler negativ beeinflussen. So haben die Forscher beobachtet, dass Lehrer Kinder mit türkischem Migrationshintergrund seltener aufrufen und kürzer mit ihnen interagieren als mit den übrigen Schülern.Quelle
Wie wirken sich verinnerlichte Vorurteile auf die Schüler aus?
- Schüler aus Einwandererfamilien nehmen die Vorurteile, die ihnen zugeschrieben werden, sehr wohl wahr. Wenn sie diese verinnerlichen, wirkt sich das negativ auf ihre Leistungen aus (sogenannter "stereotype threat").
- Lehrkräfte können dem zum Beispiel mit den in den USA entwickelten "Selbstbestätigungsinterventionen" entgegen wirken. Für die Studie wurde diese Methode erstmals in Deutschland angewandt. Das Expertiment an elf Berliner Sekundarschulen mit Schülern aus türkischen und arabischen Einwandererfamilien zeigte: Werden sie dazu ermuntert, ihre eigenen Stärken zu identifizieren und sich mit Themen zu beschäftigen, die ihnen wichtig sind, erzielten sie in Tests bessere Leistungen in Mathematik.Quelle
Was empfehlen die Forscher?
Um die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen mit Migrationsbezügen zu verbessern, fordern die Wissenschaftler ein ganzheitliches Konzept. So müssten alle angehenden oder praktizierenden Lehrer fächerübergreifend und von Beginn an dafür sensibilisiert werden, eigene Vorurteile und ihre negativen Auswirkungen zu reflektieren. Sie sollten Methoden und Unterrichtsmaterialien an die Hand bekommen, um dem "stereotype threat" entgegen wirken zu können. Dazu gehöre auch, dass Integration, Vielfalt und Einwanderungsgesellschaft in Schulbüchern differenzierter und vorurteilsfreier behandelt werden als bisher.Quelle
Von Rana Göroğlu
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