Die EU-Mitgliedstaaten streiten seit einiger Zeit darüber, dass Flüchtlinge in Europa sehr ungleich verteilt werden. Dass dies der Fall ist, bestätigen die neu veröffentlichten Zahlen des Europäischen Statistikamts (Eurostat): 2015 wurden in der Europäischen Union rund 1,3 Millionen Asylanträge gestellt, 477.000 davon in Deutschland. Das entspricht etwa einem Drittel aller Anträge in der EU. Auf der anderen Seite der Skala stehen Länder wie Kroatien, wo im selben Zeitraum lediglich 0,01 Prozent aller Asylanträge der EU landeten.
Es stimmt also, dass europaweit seit drei Jahren die meisten Asylanträge in Deutschland gestellt wurden. In absoluten Zahlen belegt die Bundesrepublik mit großem Abstand den ersten Platz im Jahr 2015. Die Liste der Top-Länder sieht demnach so aus:
- Deutschland: 477.000
- Ungarn: 177.000
- Schweden: 163.000
- Österreich: 88.000
- Italien: 84.000
- Frankreich: 75.000
Hinzu kommen Geflüchtete, die in den vergangenen Jahren einen Asylantrag gestellt haben und noch darauf warten, einen Antrag zu stellen.
Will man allerdings die Auswirkung der Flüchtlingsmigration auf die Gesellschaft messen, muss man die verschiedenen Statistiken im Verhältnis zur Größe der Bevölkerung betrachten. Im Fall der Asylbewerberzahlen steht Deutschland mit seinen 81 Millionen Einwohnern im europäischen Vergleich lediglich auf Platz sechs. Auf Platz eins steht 2015 Ungarn mit dem höchsten Asylbewerber-Anteil pro tausend Einwohner (knapp 18 Asylanträge), wobei hier nur sehr wenige Flüchtlinge bleiben – die meisten ziehen innerhalb Europas weiter. An zweiter Stelle folgt Schweden. In Deutschland finden sich trotz der hohen Antragszahlen lediglich fünf Asylbewerber pro tausend Einwohner (2014 waren es noch 2,5).Quelle
Wer nimmt die meisten Menschen auf?
Nicht alle Menschen, die einen Asylantrag stellen, bleiben in dem Land. Nur wer als schutzbedürftig anerkannt wird oder nicht abgeschoben werden kann, hat eine Chance, längerfristig im Aufnahmeland zu bleiben.
Betrachtet man die absolute Zahl der anerkannten Flüchtlinge, denen Schutz gewährt wird, liegt Deutschland vorn: Insgesamt wurden 2015 in der gesamten Europäischen Union etwa 308.000 Asylsuchende als schutzbedürftig anerkannt. Davon erhielten 141.000 Menschen Schutz in Deutschland. Es folgen Schweden (32.200), Italien (29.600), Frankreich (20.600), die Niederlande (16.400) und Österreich (15.000).
Rechnet man diese Zahl auf die Bevölkerung um, ändert sich auch hier die Reihenfolge: Pro Tausend Einwohner nahm Schweden 3,3 und die kleine Mittelmeerinsel Malta 2,9 Flüchtlinge pro tausend Einwohner auf. Deutschland, die Schweiz, Österreich und Dänemark kommen dabei auf 1,7 Flüchtlinge im Durchschnitt.
Welches Land nimmt also weltweit die meisten Flüchtlinge auf? Diese Frage lässt sich nicht so einfach beantworten. Denn es gibt in vielen Aufnahmeländern kein funktionierendes Asylsystem. Das heißt, Geflüchtete werden dort in der Regel nicht registriert. Hinzu kommt: Mehr als die Hälfte der etwa 60 Millionen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, konnten nach Angaben des UN-Flüchlingswerks UNHCR das eigene Land gar nicht verlassen. Hier spricht man von "Internally Displaced People".
Der UNHCR veröffentlicht jedes halbe Jahr Daten zur Zahl der Menschen, die schätzungsweise als Flüchtlinge oder in "flüchtlingsartigen" Bedingungen leben. Für Deutschland gilt hier: Wenn man die Zahl der im Land lebenden Flüchtlinge mit der Zahl der unerledigten Anträgen summiert, steht die Bundesrepublik auf Platz neun der Länder, die die meisten Asylsuchenden aufgenommen haben (Stand: Juni 2015).
Von Fabio Ghelli (Dieser Artikel wurde am 4.4.2016 aktualisiert.)
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