Dieser Artikel wurde am 29. Mai 2023 aktualisiert.
Am 14. Mai 2023 haben türkische Staatsbürger*innen das Parlament und den Präsidenten neu gewählt. Am 28. Mai gab es eine Stichwahl für die Präsidentschaft. Neben den Wahlberechtigten in der Türkei gibt es auch viele türkische Staatsbürger*innen im Ausland, die seit einer Änderung der Wahlbestimmungen 2012 aus dem Ausland wählen können. In Deutschland leben rund 2,8 Millionen Personen mit sogenanntem türkischen Migrationshintergrund. Es ist die größte Community weltweit. 1,5 Millionen von ihnen konnten an der Wahl teilnehmen.
Wahlergebnisse
Die Wahlbeteiligung war mit rund 90 Prozent besonders hoch. Das Regierungsbündnis (Cumhur İttifakı) von Präsident Recep Tayyip Erdoğan lag in der Parlamentswahl vor dem 6-er Oppositionsbündnis (Millet İttifakı).
- Cumhur İttifakı: 49,5 Prozent,
- Millet İttifakı: 35 Prozent.
Der regierende Präsident hat auch bei der Präsidentschaftswahl gegen den Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu gewonnen.
Erste Wahlrunde:
- Recep Tayyip Erdoğan (AKP): 49,2 Prozent,
- Kemal Kılıçdaroğlu (CHP): 45 Prozent.
Stichwahl:
- Recep Tayyip Erdoğan (AKP): 52,2 Prozent,
- Kemal Kılıçdaroğlu (CHP): 47,8 Prozent.
Sowohl Präsident Erdoğan als auch seine Partei AKP haben im Verhältnis zu den vorherigen Wahlen im Jahr 2018 einige Prozentpunkte verloren (rund minus sieben Prozentpunkte für die AKP und etwa minus drei Prozentpunkte für Erdoğan).
Die Ergebnisse in Deutschland
Stichwahl: An der Stichwahl für die Präsidentschaft, die zwischen dem 20. und dem 24. Mai 2023 stattfand, haben in Deutschland rund die 49,7 Prozent der etwa 1,5 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen. Wie bereits in der ersten Wahlrunde, hat einer deutliche Mehrheit der Wähler*innen in Deutschland für den regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gestimmt:
- Recep Tayyip Erdoğan (AKP): 67,4 Prozent,
- Kemal Kılıçdaroğlu (CHP): 32,6 Prozent.
Wie bei der Parlamentswahl gab es bei der Stichwahl starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Wahlbezirken in Deutschland: In Essen haben knapp 79 Prozent der Wähler*innen für den regierenden Präsidenten gestimmt. In Berlin waren es rund 51 Prozent.
Erste Wahlrunde: Die Wahlbeteiligung lag in Deutschland bei rund 48,7 Prozent und damit nur leicht über dem Niveau von 2018.
Unter deutsch-türkischen Wähler*innen haben sowohl Präsident Erdoğan als auch seine Koalition besser abgeschnitten als in der Türkei. Damit setzt sich ein Trend fort, der bereits bei vorherigen Wahlen erkennbar war.
Während Erdoğan ein ähnliches Ergebnis erzielen konnte wie bei der vorherigen Präsidentschaftswahl (rund 65 Prozent), verliert die AKP rund fünf Prozentpunkte – auch in den traditionellen Hochburgen der Partei in Nordrhein-Westfalen. Die stärkste Oppositionspartei CHP konnte ihr Wahlergebnis um rund vier Prozentpunkte auf 19,2 Prozent verbessern. Für den Kandidaten der Opposition Kılıçdaroğlu stimmten rund 32,5 Prozent der Wähler*innen in Deutschland ab.
Präsident Erdoğan und seine Partei AKP schneiden auch in anderen europäischen Ländern besser ab als in der Türkei.
Welche Parteien standen zur Wahl?
Bei der Wahl standen sich zwei größere Lager gegenüber:
- Das Regierungsbündnis (Cumhur İttifakı); Präsidentschaftskandidat ist der derzeitig Amtierende, Recep Tayyip Erdoğan (AKP); beteiligte Parteien sind die beiden Regierungsparteien AKP (rechts-konservativ) und MHP (rechtsextrem).
- Das 6-er Oppositionsbündnis (Millet İttifakı); Präsidentschaftskandidat ist der Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu (CHP); beteiligt sind sechs Parteien, die teilweise Abspaltungen größerer Parteien sind: CHP (säkular; von links bis nationalistisch-konservativ), İYİ-Parti (nationalistisch, Abspaltung von der MHP), Saadet Partisi (islamistisch-konservativ), DEVA Partisi (liberal-konservativ, von einem ehemaligen AKP-Mitglied geführt), Gelecek Partisi (liberal-konservativ, von einem ehemaligen AKP-Mitglied geführt) und DP (mitte-rechts)
Eine weitere wichtige Partei ist die „Yeşil Sol Parti“, eine grün-linke Partei.
Wahlberechtigte
Zur Wahl in der Türkei sind insgesamt 64,1 Millionen Menschen wahlberechtigt. 3,4 Mio. von ihnen leben im Ausland. In der Türkei gilt offiziell die Wahlpflicht. Wie stark der türkische Staat diese durchsetzt, ist jedoch unklar.
Wahlberechtigte in Deutschland
In Deutschland leben 1,5 Millionen wahlberechtigte türkische Staatsbürger*innen. Das ist ungefähr die Hälfte aller Menschen mit sogenanntem türkischem Migrationshintergrund in Deutschland (ca. 2,8 Millionen). Deutschland ist das Land mit den meisten Wahlberechtigten außerhalb der Türkei.
Die Wahl in Deutschland
Türkische Staatsbürger*innen konnten in 17 Wahllokalen ihre Stimmen abgeben. Die Wähler*innen in Deutschland konnten vom 27. April bis zum 9. Mai (1. Mai in einigen Wahllokalen) ihre Stimmen abgeben. Die Stichwahl findet in Deutschland zwischen dem 20. Mai und dem 24. Mai statt (21. Mai in einigen Wahllokalen).
Ursprünglich waren 26 Wahllokale vorgesehen, am 2. Mai gab die Hohe Wahlkommission der Türkei bekannt, dass in Bielefeld, Fulda, Limburg, Mannheim, Saarbrücken, Dortmund, Siegen, Ulm und Kiel die Wahlen abgesagt wurden. Dies liegt daran, dass für diesen neun nicht-konsularischen Standorten von den deutschen Innenbehörden keine Genehmigungen erteilt wurden.Quelle
Warum ist die AKP in Deutschland so erfolgreich?
Als Gründe für den Erfolg von Präsident Erdoğan und seiner Partei in Deutschland nennen Forscher*innen die besondere Aufmerksamkeit der Partei für Auslands-Türk*innen: 2010 gründete die Regierung Erdoğans etwa ein „Amt für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften“ (YTB). Weitere Gründe seien Frust und Unzufriedenheit vieler türkeistämmiger Personen in Deutschland, die Diskriminierung und soziale Ausgrenzung erleben – und deshalb Erdoğans nationalistische und oftmals antieuropäische Haltung befürworteten
Wissenschaftler*innen nehmen an, dass die erste Generation an Einwanderer*innen, die in den 1960er Jahren meist aus Anatolien nach Deutschland kamen, eher die AKP wählen. Die Wähler*innen der pro-kurdischen, linksgerichteten HDP hingegen sind vor allem Personen, die in den 1980er und 1990er Jahren aus politischen Gründen die Türkei verlassen haben oder nach 2016 eingewandert sind.
Von Reza Nazir
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