Soziale Herkunft, Wohnort und der Bildungsstand der Eltern spielen in Deutschland eine entscheidende Rolle beim Bildungserfolg. Auch Diskriminierungserfahrungen – wie schlechtere Leistungsbewertung – können zu ungleichen Bildungschancen führen. Eine Übersicht zu Studien zum Thema.Quellen
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Diskriminierung an Kitas
Bisher gibt es wenig Forschung zu Diskriminierungserfahrungen an Kitas. Die Beratungsanfragen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) zeigen, dass bereits Kleinkinder rassistische Diskriminierung erfahren, zum Beispiel bei der Vergabe von Kita-Plätzen oder in der Betreuung.Quelle
Eine Studie zeigt, dass Kinder von Familien mit türkischem Namen seltener Rückmeldungen bei einer Bewerbung auf einen Kita-Platz erhalten.Quelle
Im Rahmen einer qualitativen Studie des DeZIM-Instituts an Berliner Kitas berichten Familien von fehlender Sensibilität und Strategien im Umgang mit Diversität, es gebe wenig diverse Kinderbücher oder Spielmaterialien. Wie Eltern damit umgehen, erläutert die Forscherin Seyran Bostancı im MEDIENDIENST-Interview.Quelle
Diskriminierung an Schulen
Umfassende empirische Studien zu rassistischer Diskriminierung an deutschen Schulen gibt es nicht. Einzelne Befunde zeigen, dass Schüler*innen verschiedene Diskriminierungserfahrungen machen:
- Laut Afrozensus 2020 erleben Schwarze und PoC-Schüler*innen regelmäßig Mobbing und rassistische Diskriminierung wegen ihrer Hautfarbe oder aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse.Quellen
- Diskriminierung zeigt sich auch in der Leistungsbewertung: Lehrkräfte unterschätzen häufig die Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund und sprechen seltener eine Gymnasialempfehlung aus. Am häufigsten erhalten Schüler mit Sinti- oder Roma-Hintergrund eine Hauptschulempfehlung.Quelle
- Zu ähnlichen Ergebnissen kommt eine Studie von 2024: Schüler*innen mit Migrationshintergrund einer 9. Klasse erhielten in allen fünf untersuchten Fächern schlechtere Zeugnisnoten als ihre Mitschüler*innen ohne Zuwanderungsgeschichte, obwohl sie in objektiven Leistungstests gleiche Ergebnisse erzielt hatten. Quelle
- Eine weitere Studie von 2024 kommt zu anderen Ergebnissen: Lehrer benoteten Schüler mit Migrationshintergrund in den Fächern Deutsch und Mathematik besser als ihre Ergebnisse in anonym Tests tatsächlich waren. Die Autoren vermuten, dass Lehrkräfte die sozialen Nachteile der betroffenen Schüler durch eine bessere Benotung ausgleichen wollen.Quelle
- Muslimische Schüler*innen berichten von negativen Zuschreibungen, zum Beispiel weil sie ein Kopftuch tragen, aber auch wegen ihrer Namen.Quelle
- In einer Studie berichten jüdische Eltern und junge Erwachsene von Erfahrungen mit Antisemitismus an Schulen, darunter angedrohte körperlicher Gewalt, Beschimpfungen und antisemitischen Kommentaren. Sie schildern zudem die Überforderung der Lehrkräfte, angemessen mit antisemitischen Vorfällen umzugehen.Quelle
- Sinti und Roma in Deutschland sind im Bildungssystem stark benachteiligt. Das geht Studien der Arbeitsgemeinschaft "RomnoKher" hervor. 40 Prozent der Befragten mit Kindern gabe 2021 an, dass ihre Kinder Diskriminierung in der Schule erfahren haben. Eine weitere Studie aus dem Jahr 2022 ergab, dass Lehramtsstudierende den Schüler*innen, die als Roma gelesen wurden, bei gleichen Leistungsergebnissen eher den Besuch einer Hauptschule empfahlen als Schülern ohne Migrationshintergrund.Quelle
- Diskriminierung kann auch durch schulische Strukturen erfolgen: Lehrpläne und Schulbücher sind Studien zufolge wenig sensibel für Diversität und bilden Vielfalt nur unzureichend ab. 2023 forderte etwa ein Bündnis, Schulordnungen an Berliner Schulen wegen diskriminierender Vorgaben anzupassen, darunter die Pflicht, ausschließlich Deutsch auf dem Schulgelände zu sprechen oder ein pauschales Verbot der Religionsausübung.Quellen
- Jugendliche mit Migrationshintergrund im Alter von 12 bis 17 Jahren waren 2023 mindestens ein- bis zweimal im Monat von Mobbing betroffen. Mobbing als physische oder psychische Aggression beeinträchtigt das Wohlbefinden und tritt unter anderem in der Schule oder in sozialen Medien auf. Besonders betroffen waren Mädchen mit Migrationshintergrund: 17 Prozent gegenüber 9 Prozent ohne Einwanderungsgeschichte.Quelle
Auch Lehrende berichten von Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen, auch im Kollegium. Laut Afrozensus führt das zur Isolation der betroffenen Lehrkräfte.Quelle
Folgen: Stress, schlechtere Leistungen, Schulwechsel
Eine Metaanalyse mit 68 Studien zu mehreren Ländern, darunter vor allem die USA und auch Deutschland, zeigt die Folgen für Betroffene: Schüler*innen leiden unter anderem an chronischen Depressionen sowie Verhaltensauffälligkeiten und erbringen schlechtere schulische Leistungen, wenn sie Diskriminierung erfahren. Quelle
Zudem mindert sich ihr Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit. Stress und Angstzustände können zu schlechteren Leistungen bis hin zum Schulwechsel führen. Die Folgen erschweren letztlich einen erfolgreichen Schulabschluss oder die Aufnahme einer Lehre, wodurch die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sinken.Quelle
Auch bei Studierenden wirkt sich erlebte Diskriminierung negativ auf die Studienzufriedenheit aus und führt häufig zu erhöhtem Stress.Quelle
Schutzvor Diskriminierung an Schulen
Zwischen 2021 und 2023 gingen 1.336 Beratungsanfragen zum Bereich Bildung bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) ein. Etwa die Hälfte davon (51 Prozent) bezog sich auf rassistische Diskriminierung. 2023 erreichten die ADS 553 Beratungsanfragen für den Bildungsbereich (etwa 7 Prozent aller Anfragen). Die ADS ist aber zuständig für Fälle des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) – und das enthält nicht den Schutz vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen. Aktuell fördert die ADS den Aufbau einer bundesweiten Fachstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen.Quelle
Bisher hat Berlin als einziges Bundesland ein Landesgesetz, das vor Diskriminierung in Bildungseinrichtungen schützt. Das Berliner Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) gibt Betroffenen die Möglichkeit, gegen die Diskriminierung vorzugehen. In Berlin gibt es auch eine unabhängige Anlaufstelle für Diskriminierungsschutz an Schulen (ADAS).
Diskriminierung an Universitäten
Diskriminierungserfahrungen machen auch Studierende an deutschen Hochschulen – etwa aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit. In einer Befragung 2022 gaben 10 Prozent der befragten Studierenden an, mindestens einmal rassistische Diskriminierung an ihrer Universität erlebt zu haben.Quelle
In einer Befragung 2021 berichten 26 Prozent der Studierenden von Diskriminierung. Gleichzeitig beobachteten 46 Prozent der Befragten Diskriminierung von anderen Studierenden, zum Beispiel aufgrund ihres Migrationshintergrundes (24 Prozent), der religiösen Zugehörigkeit (14 Prozent) oder wegen der Sprache (24 Prozent).Quelle