Im Jahr 2020 haben deutlich weniger Geflüchtete Deutschland und Europa erreicht als in den vorangegangenen Jahren. Das liegt zum Großteil an den Reisebeschränkungen, die in vielen Ländern aufgrund der Covid-19-Pandemie eingeführt wurden.
Rund 122.000 Menschen haben im vergangenen Jahr einen Asylantrag in Deutschland gestellt. Von ihnen sind allerdings nur etwa 76.000 Menschen tatsächlich im vergangenen Jahr eingereist: 26.500 Anträge wurden im Namen von in Deutschland geborenen Kindern von Geflüchteten gestellt. 19.600 sind "Folgeanträge" von Menschen, die sich bereits im Land befanden.Quelle
Zugleich ist die Zahl der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, weiter gestiegen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks waren es mehr als 26 Millionen Flüchtlinge, die ihr Land verlassen mussten (Stand: Juni 2020). Hinzu kommen etwa 3,6 Millionen Venezolaner auf der Flucht, die vom UNHCR separat erfasst werden sowie 45,9 "Binnenflüchtlinge", also Menschen, die als Flüchtlinge in ihrem eigenen Land leben.Quelle
Wie kommen Geflüchtete nach Europa?
Knapp 95.000 Menschen erreichten nach Angaben des UNHCR die Grenzen der Europäischen Union. Rund 41.900 von ihnen kamen über die sogenannte westliche Mittelmeer-Route nach Spanien. Etwa 34.200 Personen erreichten Italien und 2.300 die Insel Malta über die zentrale Mittelmeer-Route, etwa 15.600 kamen über die östliche Mittelmeer-Route nach Griechenland.
Während in den vergangenen Jahren die meisten Geflüchteten aus Syrien und Afghanistan kamen, waren es 2020 vor allem Menschen aus Nordafrika: Rund jeder Fünfte kam aus Tunesien – jeweils 14 und 8 Prozent aus Algerien und Marokko.Quelle
2020 war das Jahr, in dem es laut Angaben der "Internationalen Organisation für Migration" (IOM) die wenigsten tödlichen Schiffbrüche im Mittelmeer gab: Die Organisation dokumentierte rund 1.400 Todesfälle. Die Dunkelziffer – vor allem auf der gefährlichen Westafrika-Route zu den Kanarischen Inseln – könnte aber viel höher sein.Quelle
Wie viele Menschen erhielten Schutz?
Der Anteil von Geflüchteten, die 2020 Schutz in Deutschland erhalten haben, ist leicht gestiegen. Dabei muss man allerdings beachten: Etwa die Hälfte der Entscheidungen betreffen Angehörige von Menschen, die bereits Schutz erhalten haben und deshalb automatisch einen positiven Asylbescheid erhalten.Quelle
Wie viele Angehörige von Geflüchteten zogen nach Deutschland?
Aufgrund der Einreisebeschränkungen, die als Folge der Covid-19-Pandemie verabschiedet wurden, konnten nur wenige Menschen zu ihren Angehörigen ziehen, die bereits in Deutschland Schutz erhalten haben. Die deutschen Botschaften haben im ersten Halbjahr 2020 rund 24.500 Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung ausgestellt – davon gingen etwa 3.500 an Angehörige von syrischen (2.479), afghanischen (518) und irakischen Staatsbürger*innen (477).Quelle
Wie viele Flüchtlinge haben einen Job?
Es gibt deutlich mehr Geflüchtete, die eine Arbeit haben, als solche, die arbeitslos sind. Während der "ersten Welle" der Corona-Pandemie haben viele Geflüchtete ihre Jobs verloren: Zwischen Januar und Mai ist die Zahl der Flüchtlinge in Beschäftigung um knapp drei Prozent gesunken. Expert*innen vermuten, dass Migrant*innen und Geflüchtete besonders von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen waren. Seit dem Sommer haben Geflüchtete jedoch erneut Arbeit gefunden. Die Zahl der Beschäftigten aus "Asylherkunftsstaaten" lag im Oktober 2020 etwa neun Prozent höher als zu Beginn des Jahres.Quelle
Wie viele Flüchtlinge haben ihren Schutzstatus verloren?
In den vergangenen Jahren hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mehrere hunderttausend positive Asylbescheide aus den Jahren 2015 bis 2017 unter die Lupe genommen: In den vergangenen drei Jahren wurden mehr als eine halbe Million "Widerrufsprüfverfahren" eingeleitet und fast so viele entschieden. Allein im Jahr 2020 hat das BAMF über rund 253.000 Fälle entschieden. In etwa drei prozent der Fälle wurde der Flüchtlingsstatus widerrufen, etwa weil sich die Lage im Herkunftsland der Geflüchteten verbessert hat, oder weil ein Geflüchteter zurück in sein Land gereist ist. In rund 0,6 Prozent der Fälle wurde der Flüchtlingsstatus zurückgenommen, weil die Person falsche Angaben im Asylverfahren gemacht hatte.Quelle
Wie viele Menschen haben Deutschland verlassen?
Zwischen Januar und November 2020 wurden etwa 9.800 Menschen aus Deutschland abgeschoben. Im gleichen Zeitraum haben außerdem knapp 5.000 Personen mithilfe des Rückkehrförderprogramms REAG/GARP die Bundesrepublik verlassen. Im Gesamtjahr 2019 hatte es rund 22.100 Abschiebungen und 13.000 geförderte Ausreisen gegeben. Wie viele Menschen selbstständig Deutschland verlassen haben, ist nicht bekannt.Quelle
Derzeit leben in Deutschland knapp 280.000 Menschen, die als "ausreisepflichtig" gelten – also Personen, die das Land verlassen sollten. 84 Prozent von ihnen haben eine Duldung. Dazu zählen abgelehnte Asylbewerber*innen aber auch ausländische Student*innen, Arbeitnehmer*innen oder Touristen, deren Visum abgelaufen ist (sogenanntes overstay).Quelle
Von Fabio Ghelli
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