Ukrainische Geflüchtete

Bundesländer richten Willkommensklassen ein

Die meisten Schulen in Deutschland werden geflüchtete Schüler*innen getrennt in "Willkommensklassen" unterrichten. Das zeigt eine MEDIENDIENST-Recherche. An dem Modell gibt es jedoch Kritik.

Eine ukrainisch-deutsche Lehrerin unterrichtet geflüchtete Kinder in Düsseldorf. Foto: picture alliance / REUTERS

11 von 16 Bundesländern planen sogenannte Willkommensklassen für geflüchtete Schüler*innen. Das zeigt eine Umfrage des MEDIENDIENSTES. In Willkommensklassen werden Kinder und Jugendliche getrennt von anderen Schüler*innen unterrichtet. Neu ist das Konzept nicht: Bereits 2015/16 richteten viele Bundesländer solche Klassen für geflüchtete Kinder und Jugendliche ein. Aus der Bildungsforschung gab es dafür viel Kritik.

Die meisten Bundesländer sehen vor, dass die Schüler*innen in den Willkommensklassen auch am Regelunterricht teilnehmen, häufig in Fächern wie Kunst, Sport oder Musik. Anders in Bayern und Bremen: Dort werden neu zugewanderte Kinder und Jugendliche zunächst ganz getrennt von den übrigen Schüler*innen unterrichtet. In Hamburg werden Schüler*innen in Klasse 1 und 2 in Regelklassen beschult, ab Klasse 3 in separaten Klassen. 

Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, das Saarland und Thüringen teilen neu zugewanderte Schüler*innen vom ersten Tag an einer Regelklasse zu. Die Schüler*innen bekommen zusätzliche Deutschkurse.

Was gegen Willkommensklassen spricht

Expert*innen sehen getrennte Klassen für geflüchtete Schüler*innen kritisch: "Willkommensklassen grenzen neu zugewanderte Schüler*innen aus", sagt die Soziologin Juliane Karakayali, die den Alltag in Willkommensklassen erforscht hat. Oft seien die Klassen schlecht in das sonstige Schulleben eingebunden.
Außerdem gebe es in manchen Bundesländern nach wie vor keinen festgelegten Lehrplan für die Klassen. Häufig komme hinzu, dass dort nicht angemessen qualifizierte Lehrkräfte unterrichten, so Karakayali.

Schulen ringen um Lehrkräfte

"Wir haben große Probleme, Lehrkräfte für die Willkommensklassen zu finden", erzählt etwa Gari Pavkovic aus der Abteilung Integrationspolitik der Stadt Stuttgart. Jetzt überlege man, auch Lehrkräfte ohne Lehrbefugnis einzustellen, solange sie pädagogische Mindestvoraussetzungen erfüllen.

Nicht nur in Stuttgart sind Lehrer*innen knapp: Alle Bundesländer teilen mit, dass sie angesichts der steigenden Schüler*innenzahlen auf der Suche nach Lehrkräften sind. Sie sprechen Vertretungslehrer*innen an, ebenso pensionierte Lehrkräfte, Lehramtsstudent*innen und Referendar*innen. In Bayern sollen auch Ehrenamtliche zum Einsatz kommen.

Dazu kommt: Es gibt jetzt einen großen Bedarf nach ukrainischsprachigen Lehrkräften, etwa für herkunftssprachlichen Ukrainisch-Unterricht. Die Bundesländer planen, hierfür Lehrkräfte aus der Ukraine einzustellen. In Sachsen ist dies bereits geschehen.

Unterricht nach ukrainischem Lehrplan?

Kürzlich forderte die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka, die Geflüchteten aus der Ukraine nach ukrainischem Lehrplan zu unterrichten. Die Kinder und Jugendlichen würden nur vorübergehend in Deutschland bleiben, so Tybinka. Die Kultusministerkonferenz teilt hierzu mit, man werde mit der ukrainischen Bildungsverwaltung beraten, ob und wie ukrainischer Stoff behandelt werden kann.  

Von Joe Bauer

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