Chronik rechtsextremer Anschläge

Bei vielen rechtsextremistischen Straftaten sind in den vergangenen Jahren Menschen ums Leben gekommen. Oft stuften Sicherheitsbehörden die Delikte zunächst nicht als rechtsextremistisch ein. In einigen Fällen ermittelten sie sogar jahrelang in die falsche Richtung. Das habe das Vertrauen in den Rechtsstaat beschädigt, kritisieren Fachleute.Quelle Lüdecke (2020): "Weitere rechtsterroristischeAnschläge in Deutschland zu befürchten"

Die folgende Chronik führt rechtsextremistische Anschläge seit dem Jahr 2010 auf, bei denen Menschen gestorben sind. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

  • Am 04. Dezember 2021 werden eine Frau und ihre drei Töchter in ihrem Wohnhaus in Königs Wusterhausen (Brandenburg) von ihrem Ehemann bzw. Vater erschossen. Der Täter tötet sich anschließend selbst. Er bewegte sich im verschwörungsideologischen Coronaleugner*innen-Milieu. Sowohl sein Abschiedsbrief als auch seine Online-Aktivitäten geben Hinweise auf ein antisemitisches Tatmotiv.QuelleFrankfurter Rundschau (2022): "Motiv Antisemitismus: Mann glaubt an Corona-Verschwörung und tötet seine Familie"
  • Am 19. Februar 2020 tötet ein Rechtsextremist neun Menschen in Hanau. Anschließend erschießt er seine Mutter und sich selbst. Bis auf die Mutter hatten alle Opfer einen sogenannten Migrationshintergrund. Hier eine Chronik des Anschlags und der Geschehnisse danach.QuelleSpiegel (2020): "Rassistisches Attentat – Wie ging der Täter vor?"; ZDF (2020): "Anschlag von Hanau rassistisch motiviert"
  • Am 12. Februar 2020 töten zwei junge Männer einen 52-Jährigen in dessen Wohnung in Altenburg(Thüringen). Die Täter werfen dem Opfer ohne Grundlage Pädophilie vor und bezeichnen ihn mit abwertenden Begriffen, die in der rechtsextremen Szene häufig beleidigend für Homosexuelle verwendet werden. Das rechtsextreme und schwulenfeindliche Tatmotiv wird nicht anerkannt. Die Täter werden wegen "gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge" verurteilt.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Mario K."
  • Am 9. Oktober 2019, dem jüdischen Feiertag Jom Kippur, erschießt ein Rechtsextremist zwei Menschen in Halle (Saale). Sein ursprünglicher Plan, in eine Synagoge einzudringen, scheitert. Der Attentäter wird zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt. Eine Mediendienst-Recherche zum Anschlag und den Folgen finden Sie hier.Quelletagesschau (2020): "Urteil für Halle-Attentäter rechtskräftig"
  • Am 2. Juni 2019 wird der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) vor seinem Haus erschossen. 2015 hatte sich der Politiker bei einer Veranstaltung für die Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen – und war danach massiv von Rechten angefeindet worden. Der mutmaßliche Täter, ein Rechtsextremist, gestand die Tat, hat das Geständnis aber inzwischen widerrufen. Der Prozess gegen ihn und einen mutmaßlichen Unterstützer läuft. Stephan E. wird auch vorgeworfen, 2016 versucht zu haben, einen irakischen Flüchtling umzubringen.QuelleSüddeutsche Zeitung (2020): "Mutmaßlicher Lübcke-Attentäter soll Iraker niedergestochen haben"; Tagesschau (2019): "Wenn aus Worten Taten werden"; Oberlandesgericht Frankfurt: "Hauptverfahren gegen Stephan E. und Markus H"
  • In der Nacht zum 18. April 2018 prügeln drei Rechtsextremisten einen Mann in Aue (Sachsen) zu Tode. Zuvor hatten sie ihn wegen seiner Homosexualität gedemütigt. Die Täter werden zu Haftstrafen zwischen elf und 14 Jahren verurteilt. Laut Gericht ist das Motiv der Täter unklar. Die Bundesregierung hingegen bezeichnet die Tat als rechtsextremistisch.QuelleTagesschau (2019): "Blinder Fleck bei Hasskriminalität?"; Tagesspiegel (2019): "Mindestens 85 Tote durch rechte Gewalt seit 1990"
  • Am Abend des 17. April 2018 setzen zwei Männer einen Kinderwagen im Hausflur eines Wohnhauses in Neunkirchen-Wiebelskirchen (Saarland) in Brand, in dem Geflüchtete untergebracht waren. Dabei kommt ein 38-Jähriger Mann ums Leben. Das rassistische Tatmotiv wird vor Gericht nicht anerkannt. Der Täter wird zu acht Jahren Haft verurteilt. Sein Mittäter bekommt nach Jugendstrafrecht wegen Beihilfe zur Brandstiftung mit Todesfolge eine Betreuungsanweisung für ein Jahr.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Philipp W."
  • Am 8. Dezember 2017 wird ein 37-jähriger Mann in Katlenburg-Lindau (Niedersachsen) von einem Mann, der der rechten Esoterik-Sekte "Deutscher Hüterorden" angehört, ermordet. Das sozialdarwinistischeSozialdarwinismus gilt als Kernelement des Rechtsextremismus. Quelle: Manuela Lenzen/Bundeszentrale für politische Bildung (2015): "Was ist Sozialdarwinismus?" Motiv des Täters wird vom Gericht nicht anerkannt. Er wird wegen Totschlags und Störung der Totenruhe zu acht Jahren Haft verurteilt.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Christian Sonnemann"
  • Am 1. März 2017 setzt eine Frau in Döbeln (Sachsen) ihr Nachbarhaus in Brand. Sie will damit einem Geflüchteten aus dem Iran schaden, der kurz zuvor eingezogen war. Bei dem Brand kommt eine 85-jährige Frau ums Leben. Die Täterin wird zu neun Jahren Haft verurteilt.QuelleTagesspiegel (2018): "Brandserie in Döbeln: Sachsen prüft neuen Fall eines Todesopfers rechter Gewalt"
  • Am 19. Oktober 2016 schießt ein sogenannter Reichsbürger in Georgensgmünd (Bayern) auf vier Polizisten. Einer der Beamten stirbt einen Tag später an seinen Verletzungen. Der Täter erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe.QuelleSpiegel (2016): "'Reichsbürger' schießt mehrere Polizisten nieder"; Beck aktuell (2019): "BGH bestätigt lebenslange Freiheitsstrafe für "Reichsbürger" von Georgensgmünd wegen Mordes an Polizisten"
  • Am 17. September 2016 verprügelt der Leiter einer Berliner Supermarkt-Filiale einen Obdachlosen aus Moldawien. Der Mann hatte versucht, Alkohol zu stehlen. Drei Tage später erliegt das Opfer seinen Verletzungen. Der Täter hatte die Tat rassistisch kommentiert. Er wird zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.QuelleSpiegel (2017): "Selbstjustiz in Berliner Supermarkt: 'Ich bin mein Leben lang nicht so geschlagen worden'"
  • Am 22. Juli 2016 erschießt ein 18-jähriger Rassist in München neun Menschen und sich selbst. Alle Opfer sowie der Täter hatten einen Migrationshintergrund. Die Behörden stufen die Tat erst 2019 als rechtsextremistisch ein.QuelleSüddeutsche Zeitung (2019): "OEZ-Anschlag war rechte Gewalt"
  • In der Nacht zum 01. Februar 2016 ermorden zwei Männer einen 47-Jährigen in einem Berliner Hostel aus homofeindlichen Motiven. Sie werden wegen besonders schweren Todschlags zu 13 und 14 Jahren Haft verurteilt.QuelleSüddeutsche Zeitung (2018): "Urteil im Fall Jim Reeves: Lange Haftstrafen verhängt"
  • Am 23. Oktober 2014 prügeln drei Rechtsextremisten einen Obdachlosen aus Ruanda in Limburg(Hessen) zu Tode. Zwei Täter werden zu zwölf und zehn Jahren Haft verurteilt, der dritte Täter nimmt sich in der Untersuchungshaft das Leben.QuelleFrankfurter Neue Presse (2018): "Erinnerungen an einen Mord"; Hessenschau (2020): "Eine Chronik rechtsextremer Gewalttaten in Hessen"
  • Am 30. September 2012 tötet ein Rechtsextremist den Vater seiner Freundin in Butzow(Mecklenburg-Vorpommern). Das Landgericht Stralsund verurteilt den Täter zu elf Jahren Haft und nennt als Motiv unter anderem seine rechtsextreme Gesinnung.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Karl-Heinz L."
  • Am 16. Juni 2012 verprügeln drei Jugendliche in Suhl (Thüringen) einen 59-jährigen Mann in dessen Wohnung. Am Tag darauf stirbt das Opfer an den Verletzungen. Die Täter werden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Die Richterin sagt später, dass sie aus einer "sozialdarwinistischenSozialdarwinismus gilt als Kernelement des Rechtsextremismus. Quelle: Manuela Lenzen/Bundeszentrale für politische Bildung (2015): "Was ist Sozialdarwinismus?" Lebenseinstellung" heraus gehandelt haben.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Klaus-Peter Kühn"
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Am 27. Mai 2011 wird ein Obdachloser in Oschatz (Sachsen) von fünf Männern schwer misshandelt. Wenige Tage später stirbt er in einem Krankenhaus. Die Täter erhalten mehrjährige Haft- und Bewährungsstrafen. Obwohl zwei von ihnen mit der rechten Szene sympathisieren, erkennt das Gericht kein rechtsextremistisches Motiv.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "André Kleinau"
  • Am 27. März 2011 wird ein Obdachloser mit vietnamesischem Migrationshintergrund in Neuss(NRW) von zwei Männern zu Tode geprügelt. Der Haupttäter wird zu einer Jugendstrafe von neuneinhalb Jahren verurteilt, der Komplize zu neun Jahren Haft. Obwohl der Haupttäter Kontakte zur Neonazi-Szene hat und Migrant*innen als "Kanacken" bezeichnet, erkennt das Gericht kein rassistisches Motiv.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Duy-Doan Pham"
  • Am 24. Oktober 2010 stirbt ein Iraker in Leipzig, nachdem er von zwei Rechtsextremisten brutal attackiert wird. Der Haupttäter wird zu 13 Jahren Haft verurteilt, der Komplize zu drei Jahren.QuelleLeipziger Volkszeitung (2012): "BGH entscheidet: Urteil wegen Mordes an Iraker Kamal K. in Leipzig ist rechtskräftig"
  • Am 14. Mai 2010 tötet der Betreiber eines illegalen Neonazi-Clubs einen Mann in Hemer (Nordrhein-Westfalen). Der Täter wird zu 14 Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.QuelleAmadeu Antonio Stiftung: "Sven M."

Darüber hinaus gibt es mehrere Verdachtsfälle – also Taten, bei denen das Motiv nicht geklärt ist, es aber Indizien für einen rechten Hintergrund gibt. Ein Beispiel hierfür ist der Mord an Burak Bektaş, der im April 2012 in Berlin erschossen wurde.QuelleAmadeu Antonio Stiftung (2020): "Todesopfer rechter Gewalt seit 1990"; Amadeu Antonio Stiftung: "Burak Bektaş (Verdachtsfall)"

Hinzu kommen unzählige rechtsextremistische Anschläge, bei denen Menschen verletzt wurden. Dazu zählen etwa die Messerangriffe auf die heutige Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Oktober 2015 und auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU), im November 2017. Beide wurden angegriffen, weil sie sich für Geflüchtete engagiert hatten.QuelleSpiegel (2016): "Messerangriff auf Henriette Reker 'Er wollte ein Klima der Angst erzeugen'"; Zeit Online (2018): "Messerangriff in Altena: Landgericht verurteilt Täter zu zweijähriger Bewährungsstrafe"

Auch vor 2010 gab es zahlreiche rechtsextremistische Terroranschläge, bei denen Menschen ums Leben kamenEine Chronik zu Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 führt die Amadeu Antonio Stiftung. Zu den bekanntesten Fällen gehören die Mordserie des Terrornetzwerks "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) (2000 bis 2007), der Mord an der Pharmazeutin Marwa El-Sherbini (2009), die Brandanschläge in Solingen (1993) und Mölln (1992) sowie das Oktoberfest-Attentat in München (1980), das als größter rechtsextremistischer Anschlag der Nachkriegsgeschichte gilt.Quelle Bundeszentrale für politische Bildung: "25 Jahre Brandanschlag in Solingen"; Tagesspiegel (2019): "Marwa el-Sherbini wurde ermordet, weil sie ein Kopftuch trug"; Amadeu Antonio Stiftung: "Todesopfer rechter Gewalt"; NDR: "Mölln 1992: Neonazis ermorden drei Menschen"; ZEIT (2020):  "Verübte eine rechte Terrorgruppe das Attentat auf das Oktoberfest?"