Mitte-Studie

Vorbehalte gegen Asylsuchende nehmen zu

Die überwiegende Mehrheit der Menschen in Deutschland befürwortet Demokratie und Vielfalt. Zugleich haben jedoch mehr als 50 Prozent der Bevölkerung Vorbehalte gegen Asylsuchende. Und rechtspopulistische Einstellungen verfestigen sich. Das zeigt die neue „Mitte-Studie“ der Universität Bielefeld.

Wie weit verbreitet sind rechtsextreme und menschenfeindliche Meinungen in der Gesellschaft? Dieser Frage geht das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) der Universität Bielefeld im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung alle zwei Jahre in der „Mitte-Studie“ nach.

Die neueste Untersuchung zeigt: Eine Mehrheit der Befragten befürwortet Demokratie und Vielfalt. Über 80 Prozent finden es gut, wenn Menschen sich gegen Hetze gegen Minderheiten einsetzen. Ebenso fordert eine Mehrheit die Stärkung der Europäischen Union. Gleichzeitig stimmen aber viele Menschen rechtspopulistischen und antidemokratischen Aussagen zu, so die Autorinnen und Autoren der Studie.

Wie verbreitet sind menschenfeindliche Vorurteile?

Die Zustimmung zu Sexismus oder zur Abwertung homosexueller Menschen hat der Studie zufolge im Verlauf der letzten Jahre abgenommen. Abwertungen gegenüber anderen Gruppen finden jedoch weiterhin hohe Zustimmungswerte, stabilisieren sich und nehmen teilweise sogar zu:

  • 54 Prozent der Befragten stimmen abwertenden Aussagen gegenüber Asylsuchenden zu – das sind zehn Prozentpunkte mehr als 2014.
  • Muslimfeindlichkeit und Antiziganismus sind weit verbreitet: Knapp 19 Prozent der Befragten stimmten muslimfeindlichen Aussagen zu, rund ein Viertel den Abwertungen von Sinti und Roma. Diese Werte haben sich seit 2014 kaum verändert.
  • Israelbezogener Antisemitismus wird von knapp einem Viertel der Befragten geteilt.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung (2019): "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände", S. 82f.

 

 

Wie entwickeln sich rechte Einstellungen in der Gesellschaft?

Rechtspopulistische und "neue rechte" Einstellungen erhalten weiterhin viel Zustimmung. Beides scheint in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein, so die Autorinnen und Autoren der Studie.

  • Rechtspopulistische EinstellungenMisstrauen in die Demokratie; Rechtsgerichteter Autoritarismus; Abwertung von Eingewanderten, Musliminnen und Muslimen, Asylsuchenden und Sinti und Roma sind weiterhin weit verbreitet. 21 Prozent der Befragten zeigen deutlich rechtspopulistische Einstellungen.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung (2019): "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände", S. 185.
  • Neue rechte EinstellungenAnti-Establishment; Aufruf zum Widerstand; Unterstellung eines Meinungsdiktats; Islamverschwörung; Nationale Rückbesinnung gegen die EU finden hohe Zustimmung. Gut ein Drittel der Befragten stimmte der Aussage zu, dass die Regierung der Bevölkerung die Wahrheit verschweige. Ein Viertel meint, dass Deutschland vom Islam unterwandert werde.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung (2019): "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände", S. 164f.
  • Rechtsextreme Einstellungen:Befürwortung rechtsautoritärer Diktatur; Chauvinismus; Ausländerfeindlichkeit; Antisemitismus; Sozialdarwinismus; Verharmlosung des Nationalsozialismus 2,4 Prozent der Befragten äußerten sich klar rechtsextrem. Dieser Anteil ist in den letzten vier Jahren fast unverändert geblieben. Vor zehn Jahren hatten noch rund acht Prozent der Befragten klare rechtsextreme Einstellungen.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung (2019): "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände", S. 142f.

Die Studie zeigt, dass junge Menschen häufiger menschenfeindlichen oder rechtsextremen Einstellungen zustimmen als in den Jahren zuvor. Mittlerweile sind diese Haltungen bei den unter 31-Jährigen mindestens genauso oft vertreten wie bei älteren Personen, Aussagen zur Verharmlosung des Nationalsozialismus erhalten sogar mehr Zuspruch. Unter AfD-Wählerinnen und Wählern finden menschenfeindlichen Einstellungen die höchste Zustimmung. Zwischen Ost- und Westdeutschland bestehen bei rechtsextremen Einstellungen kaum Unterschiede. Hingegen ist der Rechtspopulismus im Osten weiter verbreitet als im Westen. Insbesondere die Abwertung von Musliminnen und Muslimen oder Asylsuchenden findet im Osten höhere Zustimmung.

Verschwörungstheorien erhalten viel Zustimmung

Zum ersten Mal erfasste die Studie den Glauben an Verschwörungstheorien. Diese erhalten teilweise hohen Zuspruch: Fast die Hälfte der Befragten stimmte der Aussage zu, es gebe geheime Organisationen, die Einfluss auf politische Entscheidungen haben. Jede zweite Person gab an, den eigenen Gefühlen stärker zu vertrauen als Fachleuten. Personen, die an Verschwörungsmythen glauben, sind tendenziell misstrauischer gegenüber dem politischen System und zeigen eine höhere Gewaltbereitschaft.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung (2019): "Verlorene Mitte - Feindselige Zustände", S. 214f.

 

Methodik
Für die Studie wurden 1.890 Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit zwischen September 2018 und Februar 2019 repräsentativ ausgewählt und telefonisch befragt. Unter ihnen waren 986 (52,2 Prozent) Frauen und 904 (47,8 Prozent) Männer. Der Altersdurchschnitt betrug 51,4 Jahre. Einstellungen zu einem Thema werden über mehrere Aussagen erfasst, Muslimfeindlichkeit unter anderem über die Zustimmung oder Ablehnung der Aussage "Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden".

>> Zur Studie: hier
>> Kontakt zum Forschungsteam

Von Andrea Pürckhauer