Ausländische Arbeitskräfte

Taugt die Fleischindustrie als Vorbild?

Die Paketbranche steht in der Kritik. Ihr wird Lohndumping und Ausbeutung von ausländischen Arbeitskräften vorgeworfen. Ähnliche Vorwürfe wurden gegen die Fleischindustrie erhoben. Doch dort gibt es erste Verbesserungen. Taugt die Fleischindustrie als Vorbild für andere Branchen?

Fleischer bei der Arbeit in einem Schlachtbetrieb

Arbeiter in einem Schlachtbetrieb für Bio-Fleisch in Velten. Foto: Picture Alliance/Keystone

Ohne ausländische Arbeitskräfte geht kaum noch etwas in der Fleischindustrie. Laut Zahlen der Bundesagentur für Arbeit hat jeder dritte Beschäftigte eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit. Neue Stellen werden fast nur noch mit ausländischen Arbeitskräften besetzt. Experten berichten, dass in Rumänien und Bulgarien vermehrt um Arbeitskräfte geworben wird, die dann für einen Job in der Fleischbranche nach Deutschland kommen.QuelleBundesagentur für Arbeit: Statistik der Beschäftigten nach Wirtschaftszweigen, Juni 2018, Link, Bundesagentur für Arbeit auf Anfrage des Mediendienstes im Februar 2019

Für ihre Arbeitsbedingungen steht die Fleischindustrie schon lange in der Kritik. Die Arbeit in den Schlachtbetrieben ist anstrengend und monoton, berichtet Ursula Mense-Petermann. Die Soziologin von der Universität Bielefeld war für ein Forschungsprojekt"Transnationaler Arbeitsmarkt Fleischindustrie" in der Forschungsgruppe 'In Search of the Global Labour Market - Actors, Structures and Policies" am Zentrum für Interdisziplinäre Studien (ZiF) der Uni Bielefeld in Fleischbetrieben unterwegs. "Selbst in einer gepolsterten Jacke friert man nach zwei Stunden. Manche Beschäftigte schlachten und zerlegen aber bis zu zehn Stunden am Tag."

Beschäftigte, die aus dem Ausland stammen, arbeiten in den Schlachtbetrieben oft unter besonders prekären Bedingungen. Nicht selten müssen sie unbezahlte Überstunden leisten. In kleineren Betrieben sind sie oft bei Subunternehmern angestellt, die keine Sozialabgaben für sie zahlen.

Was hat sich verbessert?

In den letzten Jahren haben sich die Arbeitnehmerrechte verbessert. Ein Großteil der Beschäftigten, die einen ausländischen Pass haben, arbeitet inzwischen mit einem deutschen Arbeitsvertrag. Zuvor waren sehr viele als Beschäftigte von ausländischen Subunternehmer angestellt gewesen mit geringerem Lohn und weniger Rechten als deutsche Arbeitnehmer.

Viele große Unternehmen hatten sich 2015 zu dieser Änderung bereiterklärtAktuell gilt die "Freiwillige Selbstverpflichtung der Fleischwirtschaft" für die sechs Groß-Unternehmen Tönnies, Lohmann/PHW-Gruppe, DanishCrown, Vion, Westfleisch und Heidemark sowie 17 weitere Unternehmen, die je nach Bereich 45 bis 70 Prozent der Branche abdecken. Quelle: Branchenmmonitor Schlachten und Fleischverarbeitung, Hans-Böckler-Stiftung, November 2018, Seite 16, nachdem Gewerkschaften und Öffentlichkeit lange Kritik geäußert hatten. Seitdem wurden auch die Kontrollen verstärkt, um die Einhaltung der Arbeitsverträge zu überprüfen. Die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung schätzt, dass sich die Situation für rund 15.000 ausländische Arbeitskräfte dadurch verbessert hat. Auch deshalb ist der Ausländeranteil stark gestiegen, weil viele Beschäftigte einen deutschen Arbeitsvertrag bekommen haben und somit erstmals in der Statistik auftauchen. QuelleBranchenmonitor Schlachten und Fleischverarbeitung, Hans-Böckler-Stiftung, November 2018, Seite 17

Außerdem wurden die gesetzlichen Regeln verschärft. Seit 2017 gilt in der Fleischbranche die "Nachunternehmerhaftung". Das heißt: Schlachtbetriebe müssen darauf achten, dass ihre Subunternehmer auch Sozialabgaben für die Beschäftigten zahlen. Diese Regelung, die bislang nur in der Fleischindustrie und in der Baubranche gilt, könnte in Zukunft auch auf die Paketbranche übertragen werden, erklärte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im März.Quelle"Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft" von Juli 2017

 

 
 
Experten-Statements: Wo gibt es noch Probleme in der Fleischindustrie?

Prof. Dr. Ursula Mense-Petermann, Soziologin von der Universität Bielefeld
Billigfleisch wäre ohne ausländische Arbeitskräfte unmöglich. Besonders hart ist es für Arbeiter, die über Werkverträge bei Subunternehmern angestellt sind. Sie berichten von Betrug und Ausbeutung. Bis zu 60 Arbeitsstunden pro Woche sind die Regel, Überstunden werden nicht immer wie vorgeschrieben bezahlt.
Aber es gibt auch positive Entwicklungen: Eine Zeit lang war der Zuzug osteuropäischer Arbeitskräfte beschränkt. In dieser Phase wurden sie oft zeitlich begrenzt "entsendet", häufig unter extrem prekären Bedingungen. Inzwischen sind diese Beschränkungen weggefallen. Viele Arbeitskräfte kommen heute auf Dauer mit ihren Familien und haben hier sozialversicherungspflichtige Jobs.

Thomas Bernhard, Referatsleiter für Fleischwirtschaft bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)
In großen Betrieben in der Fleischindustrie haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren durchaus verbessert. Da wo der Zoll regelmäßig kontrolliert, hat es keine schlimmeren Ausfälle mehr gegeben. Stärkere Regulierungen und Kontrollen haben aber nicht überall geholfen. In kleineren, regionalen Schlachthöfen sind die Bedingungen noch immer problematisch. Die Werkverträge müssen weg aus den Kern-Arbeitsbereichen der Unternehmen. Subunternehmer haben in diesen Bereichen nichts zu suchen.

Kontakte

Prof. Dr. Mense-Petermann, Soziologin an der Universität Bielefeld  / KontaktThomas Bernhard, Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) / Kontakt

Wichtige Quellen

Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zu ausländischen Beschäftigten in der Fleischindustrie / pdf
Branchenmonitor zur Fleischindustrie der Hans-Böckler-Stiftung, November 2018 / Link


Von Carsten Janke