Schwarze Menschen sind seit Jahrhunderten ein Bestandteil der deutschen Gesellschaft. Seit wann genau, ist nicht bekannt, denn es gibt erhebliche Lücken in den historischen Aufzeichnungen. In jüngerer Zeit haben Aktivist*innen und Forscher*innen begonnen, ihre Geschichte sowie die Auswirkungen des europäischen Rassismus auf ihr Leben zu dokumentieren. Seit den 1990ern gibt es den Black History Month auch in Deutschland, um die Geschichte Schwarzer Menschen sichtbar zu machen.Quelle
Schwarze Menschen waren bereits im Mittelalter im deutschsprachigen Raum präsent, bisher ist aber wenig darüber bekannt. Gemälde aus der Zeit ab dem 12. Jahrhundert zeigen Schwarze Menschen in Deutschland. Am Hof Friedrichs II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches von 1220 bis 1250, waren viele Schwarze Männer und Frauen tätig, nachdem sie als Sklav*innen gekauft oder als diplomatische Geschenke übergeben worden waren. Andere hatten militärische Positionen inne, waren Unterhaltungskünstler*innen oder Bedienstete.Quelle
Während der Frühen Neuzeit (ca. 16. bis 18. Jahrhundert) machten Schwarze Menschen unterschiedliche Erfahrungen im deutschsprachigen Raum: Sie galten zunehmend als „exotische" Statussymbole, wurden als Sklaven gekauft, Jugendliche unter europäischen Adeligen als Geschenke ausgetauscht. Einige arbeiteten als Pagen und Bedienstete an den Höfen und in Haushalten bürgerlicher Familien, andere erhielten eine musikalische Ausbildung und dienten als Militärmusiker. Obwohl es deutliche Hierarchien gab, bestanden dennoch Chancen zur Integration und sozialem Aufstieg.Quelle
Im 18. Jahrhundertwurden Afrikaner*innen gezielt an deutsche Fürstenhöfe gebracht, wo sie in beruflicher Hinsicht oder im Geiste der Aufklärung unterwiesen wurden. Andere waren in Häfen beschäftigt, arbeiteten als Künstler*innen oder in der Prostitution.Quelle
Eine bekannte historische Figur ist der Philosoph Anton Wilhelm Amo. Er isteiner der wenigen Schwarzen Menschen dieser Zeit, deren Leben vergleichsweise gut dokumentiert ist. Der Ghanaer wurde von der holländisch-indischen Gesellschaft, einem der größten Sklavenhandelsunternehmen, an den Herzog von Wolfenbüttel verschenkt. Er wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der Wolffschen Philosophie. Seine erste wissenschaftliche Arbeit verfasste er über die Rechte Schwarzer Menschen in Europa. Später lehrte er als Dozent in Halle, Wittenberg und Jena. Als sich die Rasseideologien zunehmen durchsetzten, kehrte er nach Ghana zurück. Dort wurde er erneut von Sklavenhändlern aufgegriffen und lebte bis zu seinem Tod im Fort San Sebastian.Quelle
Ende des 19. Jahrhunderts wuchs die Zahl Schwarzer Menschen aus nahezu allen Regionen Afrikas, der Karibik, Südamerika und den Vereinigten Staaten an, mehrere Tausend lebten im deutschen Kaiserreich. Regelmäßige Schiffsverbindungen in die neuen deutschen Kolonien begünstigten die Migration. Missionare, Beamte, Militärs und Geschäftsleute brachten Afrikaner*innen nach Europa – überwiegend junge Männer. Einige wurden gezwungen, andere entschieden sich selbst für die Reise. Auch wohlhabende Familien aus afrikanischen Gesellschaften schickten ihre Kinder zur Ausbildung nach Deutschland. Viele Schwarze Männer arbeiteten in deutschen Häfen, und auch Schwarze Künstler aus den USA traten in deutschen Städten auf. Einige arbeiteten am Hamburger Kolonialinstitut oder am Berliner Seminar für Orientalische Sprachen, und gaben zukünftigen Kolonist*innen Unterricht in afrikanischen Sprachen und Kulturen. Die meisten blieben nicht auf Dauer.Quelle
Zahlreiche Schwarze Männer, Frauen und Kinder wurden zur Unterhaltung eines weißen Publikums zur Ausstellung als „Exponate" in sogenannten Völkerschauen oder Menschen-Zoos nach Europa geholt. Dies war ein gutes Geschäft für Unternehmer wie den Hamburger Zoodirektor und Völkerschauausrichter Carl Hagenbeck. Zu der vom Staat geförderten Berliner Kolonialausstellung von 1896 wurden hunderte Menschen aus den Kolonien nach Deutschland gebracht.Quelle
Die Kolonialbehörden unterstützten zunächst vorübergehende, aber keine dauerhafte Einwanderung. Ab den 1890er Jahren führten sie Migrationsbeschränkungen ein, um zu verhindern, dass junge Afrikaner durch die Erfahrungen in Deutschland die koloniale Rassenhierarchie hinterfragen könnten. Dennoch kamen weiterhin viele Afrikaner bis zum Ersten Weltkrieg, einige ließen sich dauerhaft nieder und bildeten Schwarze Gemeinschaften.Quelle
Mit dem Ersten Weltkrieg endete die Mobilität. Einige Männer aus den Kolonien dienten im deutschen Militär und erhielten für ihre Verdienste im Krieg Auszeichnungen. Andere fanden Beschäftigung in Munitionsfabriken. In der Weimarer Republik nach 1918hinterblieb eine kleine Schwarze Diaspora.Quelle
Im Rahmen des Versailler Vertrags verlor Deutschland seine Kolonien. Diese fielen hauptsächlich unter französisches und britisches Mandat. Vermutlich befanden sich noch mehrere hundert Schwarze Männer aus den Gebieten in Deutschland. Die Mandatsmächte verweigerten ihnen die Rückkehr nach Afrika. Auch ihre Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft wurden meist abgelehnt, ihr rechtlicher Status war vergleichbar mit Staatenlosigkeit. Sie erhielten eine kleine finanzielle Unterstützung für arbeitslose Afrikaner.Quelle
Trotz dieser Hindernisse wurden die Männer in der Zwischenkriegszeit in Deutschland sesshaft. Sie heirateten und gründeten Familien. Bis 1933 wurden viele gemischte Ehen geschlossen, obwohl die deutschen Behörden dies zu verhindern versuchten. Ehefrauen und Kinder übernahmen die Staatenlosigkeit der Männer. Aus diesen Ehen sowie nicht-ehelichen Beziehungen ging eine neue Generation Schwarzer Menschen in Deutschland hervor. In Berlin und Hamburg entstanden erstmals Gemeinschaften.Quelle
Das Café Central in Berlin war einer der Treffpunkte Schwarzer Menschen. Auch Film-, Theater- und Zirkusdirektoren suchten dort Schwarze Darsteller*innen. In den späten 1920er Jahren hatten sie kaum andere Arbeitsmöglichkeiten, und so verdienten Schwarze Menschen ihren Lebensunterhalt oft mit der Darstellung stereotyper Rollen. Die Kulturszene ermöglichte den gegenseitigen Austausch und Begegnungen für Schwarze Menschen.Quelle
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und im Zuge ihres Rassekonzepts wurden Schwarze Menschen systematisch aus der Gesellschaft ausgeschlossen. Familien wurden aus ihren Häusern vertrieben und verloren ihre Lebensgrundlage. Schwarze Kinder waren in der Schule erst verstärkt rassistischen Beleidigungen ausgesetzt und konnten dann keine Schulen mehr besuchen. Viele entschieden sich für die Flucht aus Deutschland. Die Nürnberger Gesetze von 1935, die die Eheschließung zwischen „Ariern" und Juden untersagten, wurden auch auf Schwarze Menschen angewendet. Die Nationalsozialisten drohten mit Sterilisation und Inhaftierung und versuchten so, Paare zu trennen und weitere Generationen Schwarzer Deutscher zu verhindern.Quelle
Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verstärkte sich die Gewalt gegenüber Schwarzen Menschen und ihren weißen Partner*innen. Sie wurden zunehmend in Konzentrationslagern, Zwangsarbeitslagern und Sanatorien inhaftiert, zwangssterilisiert und/oder ermordet.Quelle
Viele überlebten die NS-Zeit nicht oder verließen Deutschland. Zurück blieb eine deutlich kleinere Schwarze Bevölkerung, sie lebte verstreut und war traumatisiert. In der öffentlichen und historischen Erinnerung bleiben die Erfahrungen der Schwarzen Gemeinschaft im Dritten Reich oft unbeachtet. Auch die gesamte Schwarze Vergangenheit ist weitestgehend unsichtbar in der allgemeinen deutschen Geschichtsschreibung.Quelle