Von den 7,1 Millionen Wahlberechtigten mit Einwanderungsgeschichte hatten bei der Bundestagswahl 2025 laut Statistischem Bundesamt rund eine Million Personen eine Einwanderungsgeschichte aus der Türkei.Quelle
Welche Parteien wählen Menschen mit türkischer Migrationsgeschichte?
Politische Präferenzen sind wie in anderen Gruppen sehr heterogen. Menschen mit Migrationsgeschichte in der Türkei haben lange traditionell die SPD gewählt, unter anderem wegen der politischen Sozialisation über die Gewerkschaften. Die Zustimmung bröckelt seit mehreren Jahren, wie Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung (2025) sowie eine Analyse des DIW 2021 zeigt. Die Zustimmung zur CDU und vor allem auch kleineren Parteien nimmt zu.Quelle
Dennoch hat die SPD im Vergleich zu anderen Parteien bei den Türkeistämmigen immer noch das größte Wählerpotential. Das zeigen zwei Befragungen vor und kurz nach der Bundestagswahl 2025. Ein vergleichsweise hohes Wählerpotential hat in der Gruppe zudem die Linke und das BSW, geringer ist die Sympathie mit AfD, CDU und Grünen, auch die Zustimmung zur FDP ist vergleichsweise niedrig. Das ergaben auch die Umfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung (2025).Quelle
Die hohe Zustimmung zur SPD zeigte sich auch bei zwei Befragungen, die Forscher*innen nach den Bundestagswahlen 2017 und 2021 durchgeführt haben.
Welche Themen sind wichtig?
Eine Befragung des DeZIM 2023/2024 zeigt: Die wirtschaftliche Situation und die Inflation werden unter allen Befragten derzeit als wichtigste Probleme benannt. Der soziale Zusammenhalt und Rechtsextremismus bereiten Wahlberechtigten aus der Türkei und MENA-Region vergleichsweise viele Sorgen. Eine Nachwahlbefragung zeigt zudem: Das Thema "Umwelt und Klimaschutz" ist ihnen weniger wichtig als anderen Gruppen.Quelle
Im Vergleich zu anderen Gruppen stellen Befragungen immer wieder eine besonders niedrige Wahlbeteiligung unter Türkeistämmigen fest. Auch das Interesse an der Bundestagswahl 2025 war unter Personen mit Bezug zur Türkei und der MENA-Region in einer Befragung am niedrigsten. Fehlende Zugehörigkeit, aber auch weniger Vertrauen in politische Systeme, mangelnde Informationen über die Politik oder auch Diskriminierungserfahrungen können dabei eine Rolle spielen: Wenn man sich willkommener und zugehöriger fühlt, geht man eher wählen. Die Studie des DeZIM zeigt, dass Menschen mit Migrationshintergrund seltener glauben, dass politische Parteien aktuelle Probleme lösen können.Quelle
Immer wieder gründen sich Parteien, die sich explizit an die türkische Community richten. Zuletzt 2024 die Partei DAVA, sie trat bei der Europawahl 2024 an und erhielt 0,4 Prozent der Stimmen, bei der Bundestagswahl 2025 wurde sie formal zugelassen, trat aber nicht an. Zudem gibt es seit 2010 die BIG Partei, die als deutscher Ableger der AKP gilt, und vor allem auf regionaler Ebene aktiv ist.Quelle
Wahlen in der Türkei 2023: Abstimmungsverhalten in Deutschland
Am 14. Mai 2023 fanden in der Türkei Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Am 28. Mai gab es eine Stichwahl für die Präsidentschaft, bei der sich der regierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit rund 52,2 Prozent der Wähler*innenstimmen durchgesetzt hat. Auch im Parlament hält die Regierungskoalition unter Vorsitz der AKP trotz Verlusten eine Mehrheit.
Rund die Hälfte der insgesamt etwa drei Millionen "Auslandstürk*innen", die an den Türkei-Wahlen teilnehmen konnten, lebte in Deutschland. Nach Angaben der türkischen Wahlkommission waren hierzulande 1.501.152 Personen zur ersten Wahlrunde zugelassen.Quelle
An der Stichwahl für die Präsidentschaft haben in Deutschland rund 49,7 Prozent der etwa 1,5 Millionen Wahlberechtigten teilgenommen. Wie bereits in der ersten Wahlrunde hat eine deutliche Mehrheit der Wähler*innen in Deutschland für den regierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gestimmt:
- Recep Tayyip Erdoğan (AKP): 67,4 Prozent,
- Kemal Kılıçdaroğlu (CHP): 32,6 Prozent.
Wie bei der Parlamentswahl gab es bei der Stichwahl starke Unterschiede zwischen den verschiedenen Wahlbezirken: In Essen haben knapp 79 Prozent der Wähler*innen für den regierenden Präsidenten gestimmt. In Berlin waren es rund 51 Prozent.
Bereits bei den vergangenen Wahlen stimmten Wähler*innen in Deutschland deutlich konservativer ab als in der Türkei:
Die Parlamentsergebnisse zeigen jedoch: Auch in Deutschland verliert die AKP Stimmen. Es gibt jedoch regionale Unterschiede:
Wissenschaftler*innen sehen die Ursache darin, dass die türkeistämmige Bevölkerung und ihre verschiedenen Communities in Deutschland regional unterschiedlich vertreten sind. Im Ruhrgebiet gebe es etwa ein konservatives Milieu, das geprägt sei von Personen, die im Zuge der Gastarbeiterregelung in den 1960er und 1970er Jahren eingewandert sind. In anderen Regionen (zum Beispiel in Berlin) gebe es hingegen progressive und kurdische Milieus, denen Personen angehören, die seit den 1990er Jahren wegen Krieg und politischer Verfolgung nach Deutschland gekommen sind.Quelle
Weitere Zahlen zur Wahl hier
Interview mit der Soziologin Sinem Adar zu Bedeutung der Wahl für die türkische Community in Deutschland LINK