Warum sind Menschen staatenlos?

Staatenlosigkeit hat viele Ursachen: Sie kann vererbt werden, durch Staatsauflösung sowie den Entzug der Staatsbürgerschaft entstehen. Oder ganze Gruppen oder Minderheiten werden von der Staatsangehörigkeit ausgeschlossen.

Eine Person kann aus verschiedenen Gründen staatenlos sein oder es werden. Oft kommen mehrere Faktoren zusammen. 

"Vererben" der Staatenlosigkeit durch die Eltern

Staatenlose und Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit "vererben" ihre Staatenlosigkeit an ihre Kinder. Wer in Deutschland geboren wird, hat nicht automatisch ein Anrecht auf die deutsche Staatsangehörigkeit – im Gegensatz etwa zu den USA.QuelleMehr dazu in diesem Dossier unter:'Rechtliche Situation: Was heißt "anerkannt staatenlos" und "ungeklärte Staatsangehörigkeit"?'; Destatis (2023) 'Glossar: Ungeklärte Staatsangehörigkeit', LINK. Statefree e.V. (2023) ‚Stellungnahme von Statefree e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts‘, Juni, S. 4. LINK

Es gibt auch Länder, die eine Weitergabe der Staatsangehörigkeit nur durch den Vater erlauben. Laut einem Bericht der Organisation Equality Now hatten 2022 weltweit 49 Länder solche Vorschriften.QuelleSachverständigenrat für Integration und Migration (2023) "Ein Leben ohne Pass: Die Situation staatenloser Menschen in Deutschland", Policy Brief, S. 10, LINK; Hoffmann (2017) "Staatenlosigkeit – Rechte und rechtliche Folgen", Asylmagazin, LINK; Equality Now (2022) "The State we're in: Ending Sexism in Citizenship laws", LINK, S. 7.

Staatsauflösung

Personen können staatenlos werden, wenn sich Staaten auflösen und sie nicht automatisch die Staatsbürgerschaft der Nachfolgestaaten bekommen. Betroffen sind hiervon zum Beispiel ehemalige UdSSR-Bürger*innen in Russland oder Kasachstan.QuelleGulina, Olga (2021) 'Kommentar: Staatenlosigkeit nach dem Zusammenbruch der UdSSR', Bundeszentrale für politische Bildungsarbeit, LINK.

Tausende europäische Rom*nja wurden auf ähnliche Weise staatenlos: Viele waren Staatsbürger*innen des ehemaligen Jugoslawien, einige bekamen aber nicht die Staatsangehörigkeit der Nachfolgestaaten wie etwa Serbien. Gründe waren, dass sie etwa keine Geburtsurkunde vorlegen oder die Kosten für neue Dokumente nicht aufbringen konnten. Manche waren in ein anderes Land wie etwa Italien gezogen und hatten weder ein Anrecht auf Staatsangehörigkeit im Herkunfts- noch im Aufenthaltsland.QuelleERRC (2017) 'Roma Belong: Statelessness, Discrimination and Marginalisation of Roma in the Western Balkans and Ukraine', S. 22f. LINK; Bundeszentrale für politische Bildungsarbeit (2022) 'Bilderstrecke: Staatenlosigkeit – ein globales Phänomen', Roma. LINK. Open Society Foundations (2013) 'Trapped in Limbo: Italy’s Stateless Roma', LINK.

Ausschluss von Minderheiten

Es gibt Fälle, in denen Staaten Gruppen von der Staatsbürgerschaft ausschließen, oft sind ethnische, religiöse oder andere Minderheiten betroffen. Beispiele:

  • Im Rahmen eines Zensus der syrischenRegierung 1962 wurden etwa 120.000 Kurd*innen im Norden des Landes staatenlos.QuelleEuropean Network on Statelessness (2021) 'Navigating intersecting statelessness: Syrian Kurds in Europe', LINK.
  • Im Baltikum etwa schlossen LettlandDort lebten 2020 knapp 200.000'nicht-Staatsbürger*innen', also zehn Prozent der Bevölkerung. und Estland2020 waren offiziellen Statistiken zufolge rund 70.000 Einwohner*innen des Landes 'nicht-Staatsbürger*innen', also fünf Prozent der estnischen Bevölkerung. im Zuge des Zerfalls der UdSSR überwiegend Angehörige der russischen Minderheiten von der Staatsbürgerschaft aus und führten die Kategorie der 'nicht-Staatsbürger' ein.QuelleLRT.News (2020) 'Estonia's mainly Russian stateless population continues to decline', LINK.; Amnesty International (2020) Report: 'Estonia', LINK; Croft (2016) 'Nicht-Staatsbürger in Estland und Lettland: Die Zeiten ändern sich - wird es Zeit für eine Veränderung?', OSZE-Jahrbuch 2015, LINK; Statelessness (2022) 'Latvia', LINK.
  • Weitere Beispiele sind Thailand in den 1960er Jahren und, vor allem in den letzten Jahren, Myanmar.QuelleUNHCR (2021) 'How Thailand's grassroots organizations are working to end statelessness', LINK; MSF (2022) 'THE ROHINGYA: THE WORLD'S LARGEST STATELESS POPULATION', LINK.

Situation der Palästinenser*innen

Im Zusammenhang mit der Staatsgründung Israels flohen etwa 700.000 Palästinenser*innen in Nachbarländer wie den Libanon oder Syrien. Dort könnten sie sich und ihre Kinder aber nicht einbürgern lassen. Inzwischen sind mehrere Millionen geflüchtete palästinensische Volksangehörige staatenlos. Der Bundestag ging 2018 von über fünf Millionen staatenlosen Palästinenser*innen in den umliegenden Staaten aus, sowie 1,4 Millionen im Gaza-Streifen und dem Westjordanland.QuelleBundeszentrale für politische Bildungsarbeit (2023) '75 Jahre nach der Nakba', LINK.; League of Arab States (1965) 'Protocol for the Treatment of Palestinians in Arab States ("Casablanca Protocol")'. Verfügbar über UNHCR, LINK; Bundestag (2018) 'Zur Staatenlosigkeit von Palästinensern und zur Anerkennung Palästinas und der von seinen Behörden ausgegebenen Reisedokumente', S. 5. LINK.

Entzug der Staatsbürgerschaft

Jemanden "auszubürgern", also der Person die Staatsangehörigkeit zu entziehen, widerspricht internationalen Konventionen. Dennoch entziehen immer wieder Staaten ihren Bürger*innen die Staatsangehörigkeit. Letztes Jahr entzog ein Gericht in Russland einem in Deutschland wohnhaften Aktivisten die Staatsbürgerschaft. Auch in Großbritannien kam es zu Fällen, in denen einzelne Bürger*innen staatenlos wurden.QuelleZeit Online (2022) 'Russland entzieht Klimaaktivist die Staatsbürgerschaft', LINK; The Guardian (2022), British man made stateless by Home Office has citizenship reinstated, LINK.