Im ersten Halbjahr 2025 erfassten die Behörden 2.044 antisemitische Straftaten, darunter 50 Gewalttaten. 2024 wurden 6.236 antisemitische Straftaten erfasst, 173 davon Gewalttaten. Das ist ein neuer Höchststand antisemitischer Straftaten. Bereits von 2022 auf 2023 hatten sich die antisemitischen Straftaten im Zusammenhang mit dem Krieg im Nahost fast verdoppelt.Quelle
Die registrierten antisemitischen Straftaten umfassen Volksverhetzung nach §130 StGB, Sachbeschädigungen, Beleidigungen bis hin zu körperlichen Attacken gegen Jüdinnen und Juden. Aktuell registriert die Polizei viele Fälle, die sie als Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach §86a StGB einstuft. Darunter fällt auch die Parole „From the river to the sea”. Ob die Parole tatsächlich strafbar ist, dazu urteilen Gerichte unterschiedlich. Laut Zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt es zunehmend Angriffe auf Gedenkstätten und Erinnerungsorte.Quelle
Vom wem werden die antisemitischen Straftaten begangen?
Rund 50 Prozent der Straftaten 2024 waren auf das rechte Milieuzurückzuführen, rund 31 Prozent einer "ausländischen Ideologie". Vor 2023 waren meist über 80 Prozent der Straftaten dem rechten Spektrum zuzuordnen. Der Anteil könnten aber zu hoch gelegen haben, da Straftaten bisher dem rechten Spektrum zugeordnet wurden, wenn es keine "gegenteiligen Anhaltspunkte" gab. Das ändert sich im Jahr 2024, nicht klar zuordenbare Straftaten werden jetzt in der Kategorie "Sonstige Zuordnung" erfasst.Quelle
Bei den Vorfällen, die die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus 2023 erfassten waren etwa 61 Prozent der Vorfälle keinem Milieu zugeordnet – u.a. da viele Schmierereien oder Beschädigungen mit unbekannten Täter*innen unter den Vorfällen waren. 9 Prozent wurden einem rechtsextremen Hintergrund zugeordnet.Quelle
Antisemitische Straftaten und Vorfälle seit dem 7. Oktober 2023
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der folgenden israelischen Gegenoffensive ist ein deutlicher Anstieg antisemitischer Vorfälle und Übergriffe zu verzeichnen:
- Rund 15.900 politisch motivierte Straftaten erfasste das BKA bis Ende September 2025 im Zusammenhang mit dem Nahost-Krieg. Davon wurden rund 6.400 als antisemitisch motiviert eingestuft. 2023 und 2024 wurden die meisten einer "ausländischen Ideologie“ oder "religiösen Ideologie" zugeordnet. Insgesamt hat sich die Zahl antisemitischer Straftaten von 2022 auf 2023 verdoppelt und erreichte 2024 einen weiteren Höchststand.Quelle
- Von den antisemitischen Straftaten, die 2024 im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost erfasst wurden, standen rund 27 Prozent im Zusammenhang mit Demonstrationen, 32 Prozent waren Volksverhetzung nach §130 StGB, 29 Prozent das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach §86a StG. Es wurden 21 Angriffe auf Gedenkstätten registriert. Die Zahlen für das laufende Jahr 2025 liegen dazu noch nicht vor.Quelle
- Zwischen Oktober 2024 und September 2025 hat die Beratungsstelle OFEK 1.108 Beratungsanfragen erhalten, 1.068 wegen antisemitischer Vorfälle. Das sind weniger Vorfälle als im ersten Jahr nach dem 7. Oktober (1.858 Beratungsfälle insgesamt). Die Zahlen liegen allerdings deutlich über den Werten aus den Jahren vor dem Angriff der Hamas auf Israel.Quelle
- 42 Prozent der jüdischen Gemeinden in Deutschland waren 2024 von antisemitischen Vorfällen betroffen, darunter Beleidigungen, Zuschriften, Drohanrufe und Schmierereien. Das zeigt eine Umfrage des Zentralrats der Juden in Deutschland unter Vorsitzenden jüdischer Gemeinden. 63 Prozent der Gemeinden geben an, dass der Krieg in Nahost negative Auswirkungen auf die Gemeinden habe – es gibt Angst vor Angriffen und einen spürbaren Anstieg von Antisemitismus. 43 Prozent der Gemeinden sagen, dass weniger Mitglieder am Gemeindeleben teilnehmen.Quelle
- Laut BMI haben seit dem 7. Oktober antisemitische Beiträge auf den sozialen Medien deutlich zugenommen.Quelle
Wie werden antisemitische Straftaten erfasst?
Die Landeskriminalämter übermitteln dem Bundeskriminalamt alle politisch motivierten Straftaten. Die Länder ordnen sie ausgehend von den Motiven zur Tatbegehung und den Tatumständen verschiedenen „Themenfeldern" zu (u. a. Hasskriminalität, eine Unterkategorie davon ist Antisemitismus) sowie einem „Phänomenbereich“ (-links-, -rechts-, -ausländische Ideologie-, -religiöse Ideologie-, -sonstige Zuordnung-), abhängig von den ideologischen Hintergründen und Ursachen der Tatbegehung.
Die PMK ist eine Eingangsstatistik, im Gegensatz zur Polizeilichen Kriminalstatistik. Straftaten werden also schon zu Beginn der polizeilichen Ermittlungen in die PMK aufgenommen. Bis Ende 2023 wurden antisemitische Straftaten automatisch der Kategorie -rechts- zugeordnet, wenn es keine anderen Anhaltspunkte gab. Das wurde für die Erfassung 2024 geändert: Straftaten, fallen unter -sonstige Zuordnung-, falls der Phänomenbereich unklar ist.Quelle
Mehr zur Schwächen der PMK-Statistik hier.
Welche weiteren Statistiken gibt es neben der polizeilichen Kriminalstatistik?
Die polizeiliche Erfassung antisemitischer Straftaten steht in der Kritik: Viele Übergriffe würden nicht registriert, sagen Fachleute. Eine Untersuchung der Universität Bielefeld zeigt: Nur rund ein Viertel der Betroffenen antisemitischer Vorfälle hat diese gemeldet. Betroffene haben oft kein Vertrauen darin, dass die Behörden sie ernst nehmen oder sich durch die Anzeige etwas ändere.
Verschiedene Organisationen führen daher eigene Zählungen durch:
- Die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) erfassten 2024 bundesweit 8.627 antisemitische Vorfälle, das ist ein Anstieg um knapp 77 Prozent gegenüber 2023 (4.886 Vorfälle). Die Daten basieren auf Meldungen beim Bundesverband oder einem der Landesverbänden von RIAS. Die Erfassung durch RIAS wird teilweise kritisiert mit der Begründung, dass der israelbezogene Antisemitismus zu weit gefasst würde.Quelle
- Der Verband VBRG veröffentlicht jährlich Zählungen von Opferberatungsstellen, darunter Zahlen zu antisemitischen Gewalttaten nach dem Strafgesetzbuch: Für 2024 erfasste der Verband 354 Angriffe (2023: 318). Davon waren 112 Körperverletzungen.Quelle
- Die Amadeu Antonio Stiftung führt eine Chronik antisemitischer Straftaten.Quelle