Über postsowjetische Migranten berichten

In Deutschland leben circa 4,7 Millionen postsowjetische Migrant*innen und ihre Nachkommen. Über ihre Situation in der deutschen Gesellschaft ist wenig bekannt. Das How To bietet Hintergründe, Studien und Zahlen für eine fundierte Berichterstattung.


Große Einwanderergruppe in Deutschland

Als postsowjetische Migrant*innen bezeichnet man Personen, die aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion zugewandert sind, und ihre Nachkommen. Insgesamt leben 4,7 Millionen in Deutschland, 3,8 Millionen sind selbst zugewandert. Sie haben hauptsächlich Bezüge zur Ukraine (ca. 30 Prozent), zur Russischen Föderation (ca. 28 Prozent) und zu Kasachstan (ca. 26 Prozent). Es handelt sich vor allem um (Spät-)Aussiedler*innen und jüdische Kontingentflüchtlinge. Statistisch werden auch Personen aus der Ukraine dazugezählt. Ein Großteil von ihnen ist erst in den letzten drei Jahren nach Deutschland geflüchtet.QuelleStatistisches Bundesamt (2025): Bevölkerung mit Migrationshintergrund - Erstergebnisse 2024, LINK; Mediendienst Integration (2021): Postsowjetische Migration in Deutschland. Expertise von Jannis Panagiotidis, S. 2, LINK; Mediendienst Integration (2025): Flüchtlinge aus der Ukraine. LINK.

Großteil der in Deutschland lebenden Juden sind postsowjetische Migrant*innen

Seit 1990 kamen aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion rund 220.000 jüdische Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion. Aktuell leben rund 225.000 Juden und Jüdinnen in Deutschland.QuelleMediendienst Integration (2021): Postsowjetische Migration in Deutschland. Expertise von Jannis Panagiotidis. S. 2, LINK; Antisemitismusbeauftragter (o.J.): Jüdisches Leben. LINK; Berman Jewish Databank (2022): World Jewish Population 2021. S. 73, LINK.
In Ostdeutschland leben anteilig weniger postsowjetische Migrant*innen

Postsowjetische Migrant*innen leben über das gesamte Bundesgebiet verteilt. In einigen Gebieten im Norden und Westen ist ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung etwas höher, in Ostdeutschland geringer.QuelleMediendienst Integration (2021): Postsowjetische Migration in Deutschland. Expertise von Jannis Panagiotidis. S. 9, LINK.

Überqualifiziert in prekären Jobs

Postsowjetische Migrant*innen arbeiten oft in prekären Jobs unter ihrer Qualifikation und verfügen über ein niedrigeres persönliches Nettoeinkommen als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Laut einer Studiebasierend auf den Daten des Mikrozensus 2019, LINK des Sachverständigenrates für Integration und Migration (SVR) arbeiten unter den (Spät-)Aussiedler*innen Frauen eher im Dienstleistungssektor (Einzelhandel, Reinigung, Pflege und Gastronomie) und Männer eher im Bau- sowie im produzierenden Gewerbe.QuelleZEW (2022): 18 Jahre EU-Osterweiterung: Wo Osteuropäer/innen in Deutschland arbeiten, LINK; Mediendienst Integration (2021): Postsowjetische Migration in Deutschland. Expertise von Jannis Panagiotidis, LINK; SVR (2022): Integration gelungen? Lebenswelten und gesellschaftliche Teilhabe von (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedlern, LINK.

Postsowjetische Migrant*innen größte wahlberechtigte Minderheit in Deutschland

Postsowjetische Migrant*innen bilden die größte Minderheit unter Wahlberechtigten mit Migrationsbiografie. Laut einer Befragung des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung zur Bundestagswahl können sie sich am ehesten vorstellen, die CDU oder SPD zu wählen. Die Zustimmung zur SPD ist im Vergleich zu anderen Wählergruppen jedoch niedrig, ebenso die zu den Grünen, der Linken und zur FDP. Die Wahrscheinlichkeit, AfD zu wählen, ist bei postsowjetischen Migrant*innen am höchsten.

Der Erfolg der AfD in der Gruppe liegt Forschern zufolge unter anderem daran, dass sich die AfD im Gegensatz zu anderen Parteien früh um postsowjetische Wähler*innen bemüht habe. Zudem würden postsowjetische Migrant*innen mit anderen Einwanderungsgruppen um ihre Position in der Gesellschaft konkurrieren und so einwanderungskritische Parteien wählen. Laut einer Studie des ZOiS enthält das Parteiprogramm der AfD außerdem Forderungen, wie zum Beispiel die Reparatur von Nord Stream 2 und ein Ende der Sanktionen gegen Russland, die von Teilen der postsowjetischen Wählerschaft geteilt würden.QuelleZOiS (2025): Wechselnde Loyalitäten: Familien mit Russlandbezug und die Bundestagswahl, LINK; Mediendienst Integration (2021): Postsowjetische Migration in Deutschland. Expertise von Jannis Panagiotdis, LINK; DeZIM (2024): Vernachlässigtes Wähler*innenpotenzial? Über politische Problemwahrnehmungen, Alltagssorgen und Parteipräferenzen von Menschen mit Migrationshintergrund. S. 5, LINK.

Antiosteuropäischer Rassismus: Weit verbreitet und kaum anerkannt

Laut dem Rassismusmonitor 2024 des Deutschen Zentrums für Integration- und Migrationsforschung (DeZIM) erleben 39 Prozent der männlichen und 55 Prozent der weiblichen befragten osteuropäischen Migrant*innen mindestens eimal im Monat subtile Diskriminierung (zum Beispiel unfreundliche Behandlung). 15 Prozent der männlichen und 23 Prozent der weiblichen befragten Personen erleben mindestens einmal im Monat offenkundige Diskriminierung wie Beleidigungen oder Belästigungen.

Seit 1990 zählt die Amadeu Antonio Stiftung elf rechtsextreme Morde mit rassistischem Motiv an Menschen osteuropäischer Herkunft. Obwohl postsowjetische Migrant*innen Rassismus erfahren, wird dieser häufig im Vergleich zu anderen Diskriminierungsformen weniger ernst genommen, da viele Menschen in Deutschland Personen osteuropäischer Herkunft als "weiß" wahrnehmen.QuelleAmadeu Antonio Stiftung (o.J.): Todesopfer rechter Gewalt, LINK; DeZIM (2025): NaDiRa-Monitoringbericht 2025. S. 27, LINK.

KONTAKTE ZU POSTSOWJETISCHEN ORGANISATIONEN

In Deutschland gibt es eine Vielzahl an Forschungsinstituten und Organisationen, die für die Berichterstattung kontaktiert werden können. Eine Auswahl:

  • Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien

    Das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) ist ein unabhängiges Forschungsinstitut mit Schwerpunkt Osteuropa.

  • Osteuropa-Institut

    Das Osteuropa-Institut (OEI) ist ein interdisziplinäres Regionalinstitut an der Freien Universität Berlin.

  • Forschungsstelle Osteuropa

    Die Forschungsstelle Osteuropa ist eine außeruniversitäre Forschungseinrichtung an der Universität Bremen.

  • Norddeutscher Koordinierungsrat russischsprachiger Bürger e. V.

    Der Norddeutsche Koordinierungsrat russischsprachiger Bürger (NDKRUS) umfasst mehrere Vereine und Firmen russischsprachiger Bürger*innen aus Hamburg und Umgebung. Unter anderem sorgt der Verein für den Informationsaustausch zwischen russischsprachigen und europäischen Medien.

  • Boris Nemtsov Stiftung für Freiheit

    Die Boris Nemtsov Stiftung für Freiheit organisiert Bildungsprogramme und unterstützt russischsprachige unabhängige Medien.

  • Dekoder

    Dekoder übersetzt Beiträge aus den wichtigsten und unabhängigen russischen Medien und Internetmedien.

  • Vereinigung zur Integration der russlanddeutschen Aussiedler e. V.

    Die Vereinigung zur Integration der russlanddeutschen Aussiedler (VIRA) ist eine Vereinigung verschiedener russlanddeutscher Vereine aus Nordrhein-Westfalen.

  • Bundesverband russischsprachiger Eltern e. V.

    Der Bundesverband russischsprachiger Eltern (BVRE) ist eine bundesweite Dachorganisation gemeinnütziger Vereine, die in vielen unterschiedlichen sozialen, kulturellen und Bildungsbereichen aktiv ist.

  • Zentrum für Antislawismusforschung e. V.

    Das Zentrum für Antislawismusforschung (ZAf) engagiert sich für eine kritische und intersektionale Sensibilisierung gegenüber Antislawismus in der deutschen Gesellschaft.

  • Zentralrat der Juden

    Der Zentralrat der Juden ist die größte Dachorganisation jüdischer Gemeinden in Deutschland und vertritt diese auf Bundesebene.

  • Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e. V.

    Der Verein Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR) versteht sich als Interessenvertreter, Hilfsorganisation und Kulturverein der Deutschen aus der ehemaligen Sowjetunion.

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