Betroffene von Hassverbrechen kontaktieren

Bei der Berichterstattung über Hassverbrechen ist es wichtig, die Betroffenen-Perspektive sichtbar zu machen. Medienberichte und Interaktionen mit Reporter*innen prägen auch das Denken von Angehörigen und betroffener Communities: Falsche oder unsensible Berichterstattung kann Misstrauen oder Wut gegenüber den Medien auslösen. In der Webstory #imgespräch hat eine Klasse der Deutschen Journalistenschule folgende Empfehlungen für den Kontakt mit Betroffenen von Hassverbrechen erarbeitet:
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VOR DER KONTAKTAUFNAHME

Auch wenn die Zeit drängt, sollten Journalist*innen sich vor ihrer Berichterstattung immer über den Ort, die Menschen und die Community informieren – etwa über religiöse Feiertage. Ein Negativbeispiel: Nach dem antisemitischen und rassistischen Terroranschlag in Halle wurden Betroffene mehrfach am jüdischen Ruhetag Schabbat von Journalist*innen gestört, die den Schabbat und dessen Bedeutung nicht bedacht hatten.
Betroffene von Hassverbrechen - etwa Opfer eines rassistischen oder antisemitischen Anschlags - sind keine einheitliche Gruppe. Jede*r Betroffene hat eine eigene Perspektive. Betroffene sollten daher weder während der Kontaktaufnahme noch später in der Berichterstattung als Repräsentant*innen der gesamten Betroffenengruppe dargestellt werden (etwa: "die muslimische Stimme" nach einem Übergriff auf eine Moschee).

KONTAKTAUFNAHME ZU BETROFFENEN

Vermittlungspersonenkönnen bei der Kontaktaufnahme helfen und die Anfragen weiterleiten. Gute Ansprechpartner*innen sind Opferschutzstellen, Anwält*innen oder Menschen aus den betroffenen Communities. Der Mediendienst Integration kann bei Bedarf innerhalb von 30 Minuten Kontakte für die Berichterstattung vermitteln.Transparenz: Wichtig ist, transparent zu machen, worum es dem/der Journalist*in beim Thema geht, wofür das Interview gedacht ist, wie der Beitrag am Ende aussehen soll und welche Gesprächsinhalte im Zweifel nicht in der Veröffentlichung enthalten sein werden. Für die Betroffenen sind diese Informationen wichtig, um abzuwägen, ob sie mit den jeweiligen Medien sprechen möchten.
Betroffene brauchen Zeit: Wichtig ist, dass Journalist*innen ihnen ausreichend Bedenkzeit geben und wenn nötig auch mehrere Vorgespräche anbieten. So können Betroffene Vertrauen entwickeln und ein Verständnis für die Hintergründe und Strukturen journalistischer Arbeit bekommen.

NACH DEM GESPRÄCH

Freigabe: Oft kommt es zu Missverständnissen, wenn Aussagen der Protagonist*innen umgedeutet oder in einen anderen Kontext gesetzt werden. Eine Autorisierung der Aussagen im fertigen Beitrag kann das verhindern.
Keine Stereotype bedienen: Berichterstattung und Bilderauswahl sollten keine Stereotype reproduzieren. Journalist*innen sollten auf sensible, rassismuskritische Sprache achten. Hierfür kann das Glossar der Neuen Deutschen Medienmacher*innen hilfreich sein.
Langfristige Berichterstattung: Betroffene berichten vom Gefühl, dass niemand sich für das interessiere, was sie erlebt haben – wenn nicht gerade ein bestimmter Anlass oder Jahrestag ist. Journalist*innen sollten sich um eine langfristige und differenzierte Debatte über gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus bemühen.

LINKS & QUELLEN

Hinweise für die Berichterstattung• Webstory #imgespräch, Link
• Wie können Betroffene von rechter Gewalt besser geschützt werden? / MEDIENDIENST, Link
• Was bei der Berichterstattung über rassistische Anschläge besser laufen kann / Neue Deutsche Medienmacher*innen, Link
Wissenschaftliche Untersuchungen und Hintergrundinformationen zum Thema • Das Unwort erklärt die Untat, Die Berichterstattung über die NSU-Morde, eine Medienkritik (2015) / Virchow/Thomas/Grittmann, Otto-Brenner-Stiftung, Link
• Der NSU und die Medienberichterstattung / Kleffner, bpb (2017), Linkhttps://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/241161/der-nsu-und-die-medienberichterstattung

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