Gibt es einen Zusammenhang von Klimawandel und Migration?

Der Klimawandel gefährdet die Lebensgrundlagen vieler Menschen und verstärkt Migration. Der Zusammenhang ist aber nicht eindeutig: Ob Menschen fliehen hängt unter anderem vom Wohlstandsniveau ab. Viele fliehen innerhalb ihres Landes.

Voraussichtlich werden immer mehr Menschen wegen Extremwetterereignissen ihre Heimat verlassen oder verlassen müssen. Die Klimakrise und ihre Folgen führen aber nicht automatisch zu Migration, so die gängige Forschungsmeinung. Ein Überblick:

  • Der Klimawandel und dadurch bedingte Umweltveränderungen (z.B. Dürren) oder Extremwettereignisse (z.B Stürme) bedrohen die Lebensgrundlage vieler Menschen. Das kann zu Vertreibung und Migration führen. Veränderte Umweltbedingungen können zudem bestimmte Faktoren, die zu Migration führen, verstärken – wie etwa eine angespannte Versorgungslage. Migration sei aber häufig schwer nur auf die Klimakrise zurückzuführen, so Fachleute. Denn auch berufliche, soziale und politische Faktoren spielen bei der Entscheidung zu migrieren eine Rolle. QuelleSchraven (2019): "Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration", bpb, LINK; Cattaneo et al. (2019): "Human Migration in the Era of Climate Change", European Institute on Economics and the Environment, Working Paper 19-13 LINK; Klepp (2018): "Führt der Klimawandel zu mehr Migration?", Gastbeitrag für den MEDIENDIENST, LINK; IPCC (2022): "Climate Change 2022, Impacts, Adaptation and Vulnerability", Ch. 7-48ff., LINK; Hoffmann et al (2021): "A meta-analysis of country-level studies on environmental change and migration" Nat. Clim. Chang. 10, 904-912, LINK;https://www.nature.com/articles/s41562-023-01689-4
  • Laut einer Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung 2023 verstärkt der Klimawandel grundsätzlich Migration. Dieser Effekt werde aber stark verringert, weil der Klimawandel auch das Wirtschaftswachstum in Ländern des globalen Südens schwächt und sich Menschen somit die Ausreise nicht leisten können.QuelleRikani et al. (2023): "More people too poor to move: Divergent effects of climate change on global migration patterns"; LINK
  • Ob Menschen migrieren oder nicht hängt auch davon ab, wie gut sie sich an veränderte Umweltbedingungen anpassen oder davor schützen können – und auch insbesondere davon, welche politischen Maßnahmen zum Schutz und zur Risikominimierung getroffen werden. Darüber hinaus zeigen Studien, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die durch den Klimawandel so arm werden, dass sie keine Mittel haben, um zu migrieren.QuelleSchraven (2019): "Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration", bpb, LINK; IPCC (2022): "Climate Change 2022, Impacts, Adaptation and Vulnerability", Ch. 7-48ff., LINKQuelleCattaneo et al. (2019): "Human Migration in the Era of Climate Change", European Institute on Economics and the Environment, Working Paper 19-13, S. 6 LINK; Hoffmann et al (2021): "A meta-analysis of country-level studies on environmental change and migration" Nat. Clim. Chang. 10, 904-912, LINK
  • Unterschiedliche Umweltereignisse können zu unterschiedlichen Formen von Migration führen: Schleichende Umweltveränderungen (wie der Anstieg des Meeresspiegels) führen eher zu geplanter und langfristiger Migration; Extremwetterereignisse wie Stürme häufig zu kurzfristigen Vertreibungen. Die Menschen bleiben dabei zu einem großen Teil innerhalb ihres Landes, bis sie wieder in ihre Heimat zurückkehren können.QuelleEine Übersicht zu unterschiedlichen Formen der Migration gibt es hier: IPCC (2022): "Climate Change 2022, Impacts, Adaptation and Vulderability", Ch. 7-51ff., LINK; Cattaneo et al. (2019): "Human Migration in the Era of Climate Change", European Institute on Economics and the Environment, Working Paper 19-13, S. 2 LINK; Hoffmann et al (2021): "A meta-analysis of country-level studies on environmental change and migration" Nat. Clim. Chang. 10, 904-912, LINK; Sachverständigenrat für Integration und Migration (2023): "Klimawandel und Migration: was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt", S. 31, LINK
  • Bei allem ist schwer zu unterschieden, welche Umweltereignisse direkt mit dem Klimawandel zusammenhängen und welche nicht – auch wenn unumstritten ist, dass Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen und Stürme mit dem Klimawandel deutlich zunehmen. Hinzu kommen menschengemachte Umwelteingriffe, die die Folgen der Klimakrise vielerorts verstärken.QuelleSchraven (2019): "Der Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration", bpb, LINK

Ob Menschen wegen veränderter Umweltbedingungen migrieren, ist regional sehr unterschiedlich. Das zeigt eine Meta-Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die 30 Studien zum Thema analysiert hat:

  • Eine Entscheidende Rolle spiele das Wohlstandsniveau: In Ländern mit mittlerem Einkommen migrieren besonders viele Personen. In Ländern mit niedrigen Einkommen weniger, unter anderem fehlen dort die Ressourcen. In reichen Ländern haben Menschen mehr Möglichkeiten, sich an die Umweltveränderungen anzupassen oder davor zu schützen.
  • Migration findet vor allem innerhalb der Länder oder in Länder mit geringem oder mittlerem Wohlstandsniveau statt.
  • Klimabedingte Migration ist vor allem dort stark ausgeprägt, wo viele Menschen von der Landwirtschaft abhängig sind, unter anderem in Regionen mit vielen Kleinbäuer*innen.
  • Regionen, die besonders stark betroffen sind, sind Sub-Sahara-Afrika, Lateinamerika, die Karibik, zudem Ostafrika sowie Süd- und Südostasien. Länder, die besonders für hohe Emissionen verantwortlich sind, sind weniger betroffen.QuelleHoffmann et al (2021): "A meta-analysis of country-level studies on environmental change and migration" Nat. Clim. Chang. 10, 904-912, LINK

Einer Analyse 2023 von Daten für die Jahre 2000-2019 zufolge spielt das Wohlstandsniveau – Menschen brauchen wirtschaftliche Ressourcen, um migrieren zu können – eine wichtigere Rolle für Migrationsbewegungen als klimatische Faktoren.QuelleNiva et al. (2023): "World's human migration patterns in 2000-2019 unveiled by high-resolution data", LINK

Klimaflüchtlinge, Klimavertriebene oder Umweltmigranten? Begriffe & Definitionen

Es gibt unterschiedliche Bezeichnungen für Menschen, die wegen der Folgen des Klimawandels ihre Heimat verlassen:

  • Häufig wird von "Umwelt- oder Klimaflüchtlingen" gesprochen. Die Begriffe sind nicht immer passend, denn nicht alle betroffenen Personen sind gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.Quellevgl.Migration Data Portal, IOM: Umweltmigration, LINK; Tangermann und Kreikebrink (2019): "Umwelt- und Klimamigration: Begriffe und Definitionen", bpb, LINK
  • Andere Bezeichnungen sind "Klimamigrant*innen oder Umweltmigrant*innen". Umweltmigranten kann geeigneter sein da nicht alle Umweltveränderungen auf den Klimawandel zurückgeführt werden können. Jedoch hängt die Entscheidung zu migrieren selten allein von Umweltveränderungen ab.QuelleIOM (2013): Migration, Environment and Climate Change: Evidence for Policy (MECLEP): Glossary, S. 13, LINKTangermann und Kreikebrink (2019): "Umwelt- und Klimamigration: Begriffe und Definitionen", bpb, LINK
  • AlsUmweltvertriebene gelten Personen, die wegen Umweltveränderungen – häufig Wetterextremen oder Naturkatastrophen – gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen oder evakuiert werden. QuelleIOM (2013): Migration, Environment and Climate Change: Evidence for Policy (MECLEP): Glossary, S. 13, LINK

Wichtige Quellen
• IPCC (2022): "Climate Change 2022, Impacts, Adaptation and Vulnerability", LINK
• Hoffmann et al (2021): "A meta-analysis of country-level studies on environmental change and migration" Nat. Clim. Chang. 10, 904-912, LINK• Sachverständigenrat für Integration und Migration (2023): "Klimawandel und Migration: was wir über den Zusammenhang wissen und welche Handlungsoptionen es gibt", LINK
• LpB Baden-Württemberg: "Auf der Flucht vor dem Klima", Dossier, LINK
• Hillmann et al. (2022): "Forschungsstand und Forschungsbedarfe zum Zusammenhang von Klimawandel, Migration und Sozialpolitik", LINK
• Cattaneo et al. (2019): "Human Migration in the Era of Climate Change", European Institute on Economics and the Environment, Working Paper 19-13 LINK
• Migration und Klimawandel, Dossier der bpb, LINK