Wenn eine Person "ausreisepflichtig" ist, hat sie prinzipiell zwei Optionen, um aus diesem Zustand zu kommen: Entweder verlässt sie die Bundesrepublik oder sie bekommt einen Aufenthaltstitel. Im ersten Fall wird sie abgeschoben beziehungsweise verlässt das Land freiwillig. Im zweiten Fall muss sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.
Einer Analyse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge aus dem Jahr 2023 zufolge bleiben abgelehnte Asylbewerber*innen im Durchschnitt vier Jahre in der "Ausreisepflicht". Etwa ein Drittel der ausreisepflichtigen Personen kommen aus der "Ausreisepflicht" indem sie das Land verlassen. Ein weiteres Drittel bekommt eine Aufenthaltserlaubnis. Lediglich in 10 Prozent der Fälle wird die "Ausreisepflicht" durch eine Abschiebung beendet.Quelle
Ob ausreisepflichtige Personen eine Aufenthaltserlaubnis bekommen oder das Land verlassen, hängt vor allem davon ab, woher sie kommen: Personen aus den Westbalkan-Staaten und Pakistan verlassen mehrheitlich die Bundesrepublik. Personen aus Afghanistan, dem Irak, dem Iran, Nigeria oder Russland bekommen hingegen öfter einen Aufenthaltstitel.Quelle
Der Chancen-Aufenthalt
Zum 31. Dezember 2022 trat das "Chancen-Aufenthaltsrecht" in Kraft. Demnach können Geduldete, die zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre oder länger in Deutschland leben, gemeinsam mit ihren Angehörigen eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" für 18 Monate bekommen. Innerhalb dieser Zeit müssen sie die Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht erfüllen. Dazu gehört, dass sie überwiegend selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können, ausreichende Deutschkenntnisse haben und ihre Identität geklärt ist.
Der Koalitionsvertrag vom 1. April 2025 sieht keine Fortführung der Regelung zum Chancen-Aufenthalt vor. Es soll eine Folgeregelung geben, jedoch mit höheren Voraussetzungen.Quelle
Sind die Voraussetzungen erfüllt, soll die Aufenthaltserlaubnis nach AufenthG §25a/b (s. unten) verlängert werden. Wenn nicht, fallen die Betroffenen in die Duldung zurück. Ausgeschlossen vom neuen Gesetz sind Geduldete, die Falschangaben über ihre Identität gemacht haben oder straffällig geworden sind.
Die Zahlen
Zum Stichtag 30. April 2025 besaßen laut Ausländerzentralregister (AZR) rund 31.400 Personen einen Aufenthaltstitel nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht. Die meisten von ihnen kamen aus dem Irak (ca. 5.100 Personen), der Russischen Föderation (3.900) und Nigeria (2.000 Personen). Rund 16.600 Personen mit Chancen-Aufenthaltstitel haben bereits den Übergang in die vorgesehene Folge-Aufenthaltserlaubnis geschafft.Quelle
Einige Personen werden auch wieder zurück in die Duldung gefallen sein, denn seit Beginn des Chancenaufenthaltsrechts haben etwa 84.100 Personen einen Titel nach dem Chancen-Aufenthaltsrecht bekommen.Quelle
Nach einer Analyse Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatten bis September 2024 rund die Hälfte der langjährig Geduldeten einen Chancenaufenthalt erhalten – das entspricht rund einem Viertel aller Ausreisepflichtigen. Ob Personen den Aufenthalt beantragen, hängt auch von ihrem Aufenthaltsort ab: Während in Brandenburg mehr als 80 Prozent der potentiell Berechtigten den Chancenaufenthalt beantragt haben, waren es im Saarland etwa ein Drittel (Stand: August 2024).Quelle
Das Chancen-Aufenthaltsrecht fördert dem BAMF zufolge die Identitätsfeststellung bei undokumentierten Personen: Besonders viele Personen ohne Identitätsdokumente, die deshalb eine "Duldung Light" hatten, haben einen Antrag gestellt – und mussten dabei ihre Identität nachweisen.Quelle
Andere Wege aus der Duldung
Seit 2015 können "Langzeit-Geduldete" sowie Menschen, die nicht abgeschoben werden können, eine Aufenthaltserlaubnis beantragen. Das betrifft vier Gruppen:
- Geduldete, die "nachhaltig integriert" sind. Nachhaltig integriert heißt: Sie leben schon länger in Deutschland und verdienen ihren Lebensunterhalt überwiegend selbst. Bei Alleinstehenden müssen es mehr als acht Jahre sein, bei Familien mit minderjährigen Kindern mehr als sechs Jahre. Zum Stichtag 30.06.2024 haben 37.673 Personen eine solche Aufenthaltserlaubnis erhalten.Quelle
- Jugendliche (14 bis 18 Jahre) und Heranwachsende (18 bis 21), die vier Jahre in der Bundesrepublik gelebt oder hier einen Schul- oder Berufsabschluss erworben haben. Auch ihre Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner können dann ein Bleiberecht bekommen. Im Juni 2024 waren es rund 21.321 Jugendliche und Heranwachsende.Quelle
- Wer eine "qualifizierte Berufsausbildung" abgeschlossen hat beziehungsweise seit mindestens drei Jahren als Fachkraft arbeitet und über ausreichende Sprachketnnisse und Wohnraum verfügt, kann ebenfalls eine Aufenthaltserlaubnis bekommen (Aufenthaltsgesetz §18a und §19d). Eine Aufenthaltserlaubnis können ausreisepflichtige Personen auch zum Zweck der Berufsausbildung bekommen (AufenthG §16g). Zum Stichtag 30.06.2024 waren es 10.014 Menschen.Quelle
- ebenso wie Menschen, bei denen nicht anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit abgeschoben werden können (AufenthG §25 Abs. 5). Mit dieser Aufenthaltserlaubnis lebten in Deutschland rund 56.154 Personen.Quelle