Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden

Rechtsextreme Chatgruppen unter Polizisten, Soldaten unter den festgenommenen „Reichsbürgern“ um Heinrich Prinz Reuß, Drohschreiben und Waffenfunde: In Deutschland häufen sich Berichte über Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden.

In den vergangenen Jahren häuften sich Skandale um Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden: Unter den "Reichsbürgern" um Heinrich Prinz Reuß waren aktive und ehemalige Soldaten und Polizisten. Hunderte Polizist*innen und Soldat*innen sollen Teil von rechtsextremen Chatgruppen gewesen sein. Hinzu kamen Waffenfunde, Drohschreiben und Pläne für rechtsextreme Anschläge. Brisant sind diese Fälle unter anderem, weil Sicherheitsbehörden über Exekutivbefugnisse (also Staatsgewalt über Bürger*innen) und Waffen verfügen.QuelleMediendienst Integration (Oktober 2021): "Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden" 

Die Lageberichte verschiedener Behörden geben Einblicke in die Ermittlungen wegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen. Sie deuten darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden das Thema zunehmend ernster nehmen. Dennoch rechnen Expert*innen mit einer hohen Dunkelziffer.QuelleBundesamt für Verfassungsschutz (2024): "Lagebericht. Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden, LINK; Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle (2024): Bericht für das Jahr 2023,LINK

Zahlen zu rechtsextremen Vorfällen in Sicherheitsbehörden

Rechtsextreme Vorfälle inSicherheitsbehörden gesamt
Der Verfassungsschutz veröffentlicht regelmäßig Zahlen zu Rechtsextremisten in allen Sicherheitsbehörden, darunter Bundeswehr, Polizei, Nachrichtendienste und Zoll. Vom 1. Juli 2021 bis 31. Dezember 2022 untersuchten die Behörden in Bund und Ländern 739 Fälle. Bei 364 Beschäftigten von Sicherheitsbehörden fanden sie konkrete Anhaltspunkte für Rechtsextremismus. Im vorherigen Lagebericht (dreijähriger Untersuchungszeitraum, 1.7.2017-30.6.2021) wurden 860 Fälle ausgewertet, bei 327 Bediensteten fanden sich konkrete rechtsextremistische Anhaltspunkte.QuelleBundesinnenministerium (2024): "Neuer Lagebericht zu Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden", LINK

 

Rechtsextreme Vorfälle in derBundeswehr
Zahlen zu Verdachtsfällen veröffentlicht regelmäßig die Koordinierungsstelle für Extremismusverdachtsfälle. Sie untersteht wie auch die Bundeswehr dem Bundesverteidigungsministerium. 2024 bearbeitete die Koordinierungsstelle 875 rechtsextreme Verdachtsfälle, darunter 216 neue Fälle (Plus 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr) sowie 58 Untersuchungen im Bereich "Reichsbürger und Selbstverwalter". Die meisten dieser Vorgänge sind Altfälle, die schon mindestens seit dem Vorjahr in Bearbeitung sind. Rechtsextreme Verdachtsfälle machten drei Viertel aller extremistischen Verdachtsfälle aus. Seit 2022 werden unter "Verdachtsfällen" anders als zuvor nur noch sogenannte Abwehroperationen gezählt und nicht mehr die "Prüfoperationen"Hierbei wird zunächst geprüft, ob der Militärische Abschirmdienst zuständig ist und ob es Anhaltspunkte für Extremismusverdacht gibt.. Die Zahlen sind daher nicht mit den Vorjahren vergleichbar. Laut Bundesverteidigungsministerium sind allerdings auch die Prüffälle zurückgegangen.QuelleBundesverteidigungsministerium (2025): "Jahresbericht KfE 2024", S.6, LINK

2024 entließ die Bundeswehr Medienberichten zufolge 97 Soldat*innen wegen rechtsextremer Bestrebungen (2023: 62). Zudem zählte die Bundeswehr 280 Meldungen über rechtsextreme, rassistische oder antisemitische Vorfälle (2023: 205).QuelleTagesschau (2025): "97 Bundeswehrangehörige wegen Rechtsextremismus entlassen", LINK; Bundestag (2024): Drucksache 20/14002, LINK; (2025): "Drucksache 21/1321", S. 9-22, LINK

Unabhängige wissenschaftliche Studien zur Frage, wie verbreitet Rechtsextremismus in der Bundeswehr ist, gibt es bislang nicht.

Was tun die Behörden gegen Rechtsextremismus in den eigenen Reihen?

  • UnabhängigePolizei-Beschwerdestellen: Diese gibt es in neun BundesländernBaden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen (Stelle seit 2020 unbesetzt), Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen (Stelle noch nicht besetzt) Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein sowie für Bundespolizei und BKA.
  • Disziplinarverfahren: Seit der Reform des Disziplinarrechts 2024 können Behörden selbst Disziplinarverfügungen gegen extremistische Beamte verhängen, z.B. die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Bislang waren Gerichte zuständig, die Verfahren dauerten oft Jahre, die Beschuldigten erhielten solange oft weiterhin Bezüge.

Fachleute und Betroffene fordern weitere Maßnahmen, um gegen Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden vorzugehen. Eine Recherche des MEDIENDIENST 2021 zeigte: Nur wenige Behörden setzen diese Maßnahmen um.QuelleMediendienst Integration (Oktober 2021): "Rechtsextreme in Sicherheitsbehörden", S. 3 f. 

  • Im Einstellungsverfahren: Bislang überprüfen nur sechs Bundesländer regelmäßig, ob Polizei-Bewerber*innen bereits durch rechtsextremes Verhalten dem Verfassungsschutz aufgefallen sind (Bayern, Bremen, Hamburg, NRW, Rheinland-Pfalz, Saarland). Öffentlich sichtbare Inhalte in Sozialen Medien überprüfen nur zwei Bundesländer (Bremen, Niedersachsen). 
  • Fortbildungen: Nur ein Bundesland (NRW) führt verpflichtende Fortbildungen zu Rassismus und Rechtsextremismus für alle Polizist*innen durch. 
  • Polizeiinterne Extremismusbeauftragte gibt es nur in fünf Bundesländern (Berlin, Brandenburg, NRW, Sachsen und Sachsen-Anhalt).