Altersarmut unter Gastarbeitern aus der Türkei

Ehemalige Gastarbeiter aus der Türkei sind häufig von Altersarmut betroffen. Sie beziehen vergleichsweise niedrige oder gar keine Rente. Während ihrer Berufslaufbahn verdienten sie oft weniger als ihre deutschen Kollegen.

Rentner mit türkischer Staatsangehörigkeit erhalten in Deutschland im Schnitt etwa 352 Euro weniger RenteAlters- und Erwerbsminderungsrente als Deutsche: 852 Euro im Vergleich zu 1.204 Euro pro Monat Ende 2024, so eine Sonderauswertung der Deutschen Rentenversicherung für den Mediendienst. Besonders betroffen sind Frauen, die über die Hälfte der Rentenempfänger*innen ausmachen. Ihre Rente liegt etwa ein Drittel unter der von deutschen Rentenempfängerinnen (651 Euro im Vergleich zu 1003 Euro). Insgesamt gab es 2024 in Deutschland 344.000 RentenempfängerAlters- und Erwerbsminderungsrente mit türkischer Staatsbürgerschaft. Zum großen Teil dürfte es sich dabei um ehemalige Gastarbeiter handeln, es sind aber auch Personen enthalten, die später zum Arbeiten nach Deutschland kamen.QuelleZahlen der Deutschen Rentenversicherung auf Anfrage des Mediendienst (August 2025)

Viele ehemalige Gastarbeiter beziehen eine niedrige oder auch keine Rente. Deshalb erhalten einige Sozialleistungen im Alter.QuelleWSI-Report (2014): Die Gastarbeiter, Seite 17, LINK,

Gastarbeiter sind häufig von Altersarmut betroffen: Laut Mikrozensus 2024 liegt die Armutsgefährdungsquote bei Rentner*innen aus Gastarbeiterstaaten, die selbst zugewandert sind, bei 34,3 Prozent – bei Rentner*innen ohne Migrationshintergrund sind es 16,8 Prozent, bei Rentner*innen mit Migrationshintergrund 31 Prozent.QuelleDeZIM (2022): "Alter(n) und Migration in Deutschland", LINK, S. 9 und 10; WSI-Report (2014): Die Gastarbeiter, S. 17, LINK, BIM (2017): "Armutsgefährdung bei Personen mit Migrationshintergrund", LINK; Statistisches Bundesamt (2025): Bevölkerung mit Migrationshintergrund 2024, Tabelle 12211-60, LINK

Es gibt mehrere Gründe für die niedrigeren Renten der ehemaligen türkischen Gastarbeiter:

  • Sie haben im Schnitt weniger als ihre deutschen Kollegen verdient. Zunächst haben viele die niedrigeren Löhne noch durch Überstunden und Zulagen für Schwerstarbeit kompensiert. Später, während der Ölkrise in den 70ern, haben sie aber als Randarbeiter in den Fabriken als erste ihre Jobs verloren.Quellevgl. Sozialforscher Eric Seils im Interview mit dem Mediendienst 2023
  • Die Gastarbeiter erhielten keine Sprachkurse, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Einige2013 waren es 42,6 Prozent der über 65-Jährigen, die zwischen 1956 und 1973 aus Anwerbeländern kamen verfügten über keinen Schulabschluss und es gab wenige Weiterbildungsmöglichkeiten. Dadurch waren sie oft in schlechter bezhalten Tätigkeiten angestellt. Eine Rolle spielten auch Diskriminierungserfahrungen bei der Arbeitsplatzsuche.QuelleDeZIM (2022): "Alter(n) und Migration in Deutschland", LINK, S. 9
  • Zudem konnten sie weniger Erwerbsjahre für die Rentenansprüche ansammeln. Das liegt zum einen daran, dass einige schon deutlich älter waren, als sie ihren ersten Job in Deutschland angetreten haben. Zum anderen waren Gastarbeiter*innen stärker vom Abbau von Arbeitsplätzen in den 1970er und 1980er Jahren betroffen und wurden zwischenzeitlich arbeitslos. Viele übten körperlich schwere Arbeit aus und sind dadurch in Frührente gegangen. All das wirkt sich heute auch auf ihr Rentenniveau aus.QuelleDeZIM (2022): "Alter(n) und Migration in Deutschland", LINK, S. 9
  • Eine Rolle spielt dabei auch Immobilienbesitz: Rentner*innen mit Migrationshintergrund verfügen deutlich seltener über ein Eigenheim. Sie müssen deshalb im Schnitt mehr für die Miete ausgeben.QuelleWirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Böckler Stiftung (2014) Die Gastarbeiter Geschichte und aktuelle soziale Lage, Seite 19 LINK

Viele ehemalige Gastarbeiter sind in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt oder pendeln zwischen dem Herkunftsland und Deutschland. Eine Rolle können einer Studie zufolge die niedrigeren Lebenshaltungskosten in der Türkei spielen.QuelleKahveci et al. (2020): "Tactical mobility: navigating mobile ageing and transnational retirement between Turkey and Germany. A comparison between Turkish-German and German retirees", LINK; DeZIM (2022): "Alter(n) und Migration in Deutschland", LINK, S. 6

Mit dem neuen Staatsangehörigkeitsgesetz, das 2024 in Kraft trat, können sich ehemalige Gastarbeiter leichter einbürgern lassen. Sie müssen keine schriftlichen Sprachnachweise mehr auf B1-Niveau erbringen, sondern es reicht aus, sich mündlich "ohne nennenswerte Probleme im Alltagsleben" auf Deutsch verständigen zu können. Damit soll ihre Lebensleistung gewürdigt und berücksichtigt werden, dass sie damals keine Sprachkurse erhielten. Auch die Verpflichtung zu einem Einbürgerungstest entfällt.QuelleBMI: Fragen und Antworten: Reform des Staatsangehörigkeitsrechts, LINK