Remittances: Wie viel Geld schicken Migranten in ihre Herkunftsländer?

Es wird immer wieder behauptet: Flüchtlinge in Deutschland nutzen ihre Sozialleistungen, um Geld ins Ausland zu überweisen, etwa an Familien. Experten zufolge stammen die meisten Überweisungen von Arbeitsmigranten und Geflüchteten mit Job.

Insgesamt flossen im Jahr 2024 etwa 7,7 Milliarden Euro als Rücküberweisungen ("Remittances") ins Ausland, so Schätzungen der Bundesbank. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Anstieg von rund 14 Prozent. Experten schätzen, dass der Großteil von Arbeitsmigranten in Deutschland stammt – und nicht von Geflüchteten. Ein Großteil ging an Angehörige in Europa (ca. 5,5 Milliarden).QuelleBundesbank (2025) Zahlungsbilanz Tabelle "Heimatüberweisungen und Arbeitnehmerentgelte" sowie Mediendienst Integration (2024) : Die meisten Rücküberweisungen gehen nach Europa, Link

Besonders viel Geld ging in die Türkei, nach Polen, Italien und Rumänien. Das ist wenig überraschend, da aus diesen Ländern in der Vergangenheit die meisten Arbeitskräfte nach Deutschland kamen. Besonders stark stiegen in den vergangenen zwei Jahren Rücküberweisungen nach Indien (plus 25 Prozent im Vergleich zu 2022), in die Ukraine (plus 23 Prozent) und nach Afghanistan (plus 14 Prozent). Insgesamt wurden ca. 1,2Milliarden Euro oder 15 Prozent in Asyl-Herkunftsländer überwiesen, aus denen viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen (Ukraine, Syrien, Irak, Afghanistan).QuelleBundesbank (2025) Zahlungsbilanz Tabelle "Heimatüberweisungen und Arbeitnehmerentgelte"

Nur ein geringer Teil dieses Geldes dürfte aus Asylleistungen stammen. So zeigte eine Studie von 2024: Während unter Migrant*innen 12 Prozent Geld ins Ausland überweisen, sind es unter Geflüchteten 7 Prozent (Befragungen zwischen 2013 bis 2022).Ein weiterer Hinweis: Nur 14 Prozent aller Menschen aus Asylherkunftsländern bekommen überhaupt Asylleistungen. Die Gelder dürften deshalb vor allem von Geflüchteten stammen, die einen Job gefunden haben.QuelleDeutsches Instiitut für Wirtschaftsforschung (DIW) (2024): Geflüchtete senden seltener Geld ins Ausland als andere Migranten, DIW-Wochenericht 49/2024, Seite 3, Link;Bundesbank (2024) Zahlungsbilanz Tabelle "Heimatüberweisungen und Arbeitnehmerentgelte" sowie BIM, Brücker (2024): Eine Einschätzung der Bezahlkarte für Geflüchtete, Seite 8https://edoc.hu-berlin.de/bitstream/handle/18452/29109/BIM_News_2_Bruecker.pdf#page=8

Die Zahlen zu Remittances sind Schätzungen anhand verschiedener Statistiken (zur Methode siehe Box unten). Dazu werden freiwillige Meldungen von Kreditinstituten abgeglichen mit der Zahl der ausländischen Beschäftigten aus dem jeweiligen Land in Deutschland. Bei Abweichungen entscheidet die Beschäftigten-Zahl. Es ist nicht möglich, zu unterscheiden, ob Arbeits-Migrant*innen oder Geflüchtete das Geld überwiesen haben. Die Bundesbank betont: Auf Basis dieser Zahlen lässt sich keine Aussage treffen darüber, ob Geflüchtete Teile ihrer Sozialleistungen ins Ausland überweisen.QuelleAntwort der Bundesbank auf eine Anfrage des Mediendienstes (10/2023)

Zur Methode
Der größte Teil privater Rücküberweisungen wird von der Bundesbank geschätzt, im Rahmen der Zahlungsbilanz. Meldungen zu einzelnen Geldüberweisungen erhält sie nur bei Überweisungen von über 12.500 Euro.
Die Schätzungenerfolgen in zwei Schritten: Die Bundesbank erhält monatlich freiwillige Meldungen von Banken und Kreditinstituten zu vermutlichen privaten Überweisungen (gesammelte, nicht einzelne Werte). Im zweiten Schritt werden diese freiwilligen Meldungen einem "Plausibilitäts- Check" unterzogen. Anhand der aktuellen Zahlen der ausländischen Beschäftigten aus dem jeweiligen Land legt die Bundesbank einen "Plausibilitäts-Intervall" fest, in dem die Rücküberweisungen liegen sollten.
Bei Abweichungen – oder wenn nur sehr wenige Daten zu Überweisungen in ein Land vorliegen –entscheidet die Zahl der Beschäftigten. Besonders für Länder, in denen kein funktionierendes Banken-System existiert – wie zum Beispiel Syrien – ist es wahrscheinlich, dass vor allem anhand der syrischen Beschäftigten in Deutschland geschätzt wird. Ob das so ist, wollte die Bundesbank auf Anfrage des Mediendienstes nicht mitteilen, mit Verweis auf "statistische Geheimhaltung". Die Weltbank veröffentlicht keine Schätzungen zu Syrien. Mehr...

"Remittances" weltweit

Weltweit gesehen steigen Rücküberweisungen seit Jahren an. Expert*innen schätzen, dass dieser Trend anhalten wird. Trotzdem sieht die Weltbank aktuell für 2023 ein langsameres Wachstum oder sogar eine Stagnation bei den Remittances. Als Gründe nennt sie eine langsamere wirtschaftliche Entwicklung in Sendeländern und sinkende Reallöhne. Die meisten Remittances weltweit gehen laut Weltbank nach Indien, Mexiko, China, die Philippinen und Pakistan.QuelleWeltbank (2023): Remittances Remain Resilient but Likely to Slow, Link
Die Weltbank schätzt neben den ausgehenden Überweisungen auch, wie viele Remittances in Länder eingehen. Für europäische Länder schätzt sie höhere Werte für Zahlungen aus Deutschland: Polen (3,2 Mrd. USD), Türkei (1,8 Mrd. USD). Für Asyl-Länder schätzt sie deutlich niedrigere Werte von Zahlungen aus Deutschland für 2021: Afghanistan (24 Mio. USD), Irak (83 Mio. USD), für Syrien gibt es keine Angaben.QuelleWeltbank / KNOMAD (2023): Remittances, Table „Bilateral Remittance Matrix“, Link

Im internationalen Vergleich liegt Deutschland auf Platz vier der Länder, aus denen die höchsten Rücküberweisungen ausgehen. Vor 20 Jahren war es auf Platz drei.QuelleIOM, World Migration Report 2024 LINK

Gute und schlechte Folgen von Rücküberweisungen

Mit den Geldern finanzieren die Familien in den Herkunftsländern etwa Arztbesuche oder ermöglichen es Kindern, zur Schule zu gehen. Und sie reduzieren generell die Armut der Empfänger. In einigen Ländern, wie zum Beispiel Moldawien, gab es durch die höhere Nachfrage teilweise sehr schnelle Lohnsteigerungen.Quellevgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Wie sich Migration auf die Herkunftsländer auswirkt, Link

Es gibt aber auch Nachteile: Rücküberweisungen können die Inflation verstärken, da die Wirtschaft dadurch mehr importiert und selbst weniger konkurrenzfähig ist. Und Haushalte, die keine Rücküberweisungen erhalten, leiden an der Preissteigerung.Quellevgl. Bundeszentrale für politische Bildung (2021): Wie sich Migration auf die Herkunftsländer auswirkt, Link

Kaum Rückgänge während Corona

Der Einfluss der Corona-Pandemie auf die Rücküberweisungen war gering. Der Anstieg bei den Überweisungen setzte sich fort, wenn auch etwas verlangsamt. Auch weltweit sind die Werte der Rücküberweisungen im Jahr 2021 insgesamt stabil und vergleichbar mit denen vor Beginn der Pandemie.  Dafür könnte es verschiedene Gründe geben: Migrant*innen schicken oft kurzfristig mehr Geld in ihr Heimatland, wenn es benötigt wird, etwa bei Naturkatastrophen oder anderen Krisen. Viele würden eher bei sich sparen, als Rücküberweisungen an die Familie einzustellen.Quellevgl. Mediendienst Integration (2023): Migranten schicken mehr Geld in ihre Herkunftsländer, Link


Die wichtigsten Fragen zu Rücküberweisungen / Remittances beantworten wir in einem Factsheet, hier >>
Eine aktuelle Übersichtzum Forschungsstand zu "Rücküberweisungen" bietet die Bundeszentrale für politische Bildung, hier >>