Wie oft erleben Sinti und Roma in Deutschland Rassismus?

Sinti und Roma berichten, dass ihnen bei Behörden immer wieder Sozialbetrug unterstellt wird. Auch im Kontakt mit der Polizei, bei der Suche nach einem Kita- oder Schulplatz erfahren Sinti und Roma Diskriminierung.

Behörden

Der Kontakt mit Behörden ist der Lebensbereich, in dem Sinti und Roma laut MIA Jahresbericht am häufigsten Antiziganismus erfahren. 2024 erfasste die Meldestelle 369 Fälledazu zählen auch die oben genannten Vorfälle im Polizeikontakt. Beispielsweise unterstellen Behörden Sinti und Roma Betrug, wenn sie Sozialleistungen beantragen oder fordern irrelevante Unterlagen an.QuelleMIA (2025): "Antiziganistische Vorfälle 2024 in Deutschland", S. 28, LINK; Amaro Foro (2025): "Dokumentation antiziganistischer Vorfälle Berlin 2024", S. 10, LINK; Unabhängige Kommission Antiziganismus (2021): "Perspektivwechsel, nachholende Gerechtigkeit, Partizipation", S. 188-192, 253-269, LINK

Polizei

In der größten46.000 Befragte; aber nur ca. 15 Prozent aller angeschriebenen Polizist*innen nahmen teil. Studie zu rassistischen Einstellungen bei der Polizei, MEGAVO (2024), stimmten 41 Prozent der Polizist*innen der Aussage "Ich hätte ein Problem damit, wenn sich Sinti und Roma in meiner Gegend aufhalten" ganz oder teilsweise zu. Die Meldestelle MIA zählte 2024 deutschlandweit 102 Antiziganismusvorfälle bei der Polizei, darunter etwa unverhältnismäßige Kontrollen oder Durchsuchungen.QuelleDeutsche Hochschule der Polizei (2024): MEGAVO-Studie, S. 105, LINK; MIA (2025): "Antiziganistische Vorfälle 2024 in Deutschland", S. 28f, LINK ; Unabhängige Kommission Antiziganismus (2021): "Perspektivwechsel, nachholende Gerechtigkeit, Partizipation", S. 270-289, LINK

Schulen und Kitas

In einer Befragung (2021) von mehr als 600 Sinti und Roma in Deutschland gaben 62,9 Prozent an, dass sie in ihrer Schulzeit diskriminiert wurden. Das umfasst Schulbesuche in Deutschland und im Ausland. Eine qualitative Studie (2017) zu beruflich erfolgreichen Frauen aus Roma- und Sinti-Familien zeigt: Alle 15 Befragten haben in der Schule Diskriminierung erlebt.QuelleJonuz/Schuch (2017): "Widerstand ist möglich - Selbst- und Fremdkonstruktionen erfolgreicher Romnja und Sintizza entlang der Differenzkategorien class, race und gender", S. 738 ff, LINK; siehe auch Interview des MEDIENDIENSTES mit den Autorinnen vom 10. November 2016, LINK; Strauß (2021): "RomnoKher-Studie", S. 84, LINK, eigene Berechnung

Einer Studie der Universität Duisburg-Essen 2022 zufolge diskriminierten angehende LehrkräfteDie Untersuchung wurde mit 206 Lehramtsstudent*innen aus dem Ruhrgebiet durchgeführt. Kinder von Sinti oder Roma bei Schulempfehlungen: Sie sprachen ihnen trotz gleicher Leistungen im Vergleich zu türkeistämmigen Kindern oder solchen ohne Migrationsgeschichte am häufigsten eine Hauptschulempfehlung aus. Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Kinder der Minderheit überproportional häufig und oft fälschlich an Sonder- oder Förderschulen verwiesen werden. MIA berichtet, dass Schulen und Kitas den Kindern von Sinti und Roma oft Plätze verweigern.QuelleCivitillo et al. (2022): "Do infrahumanization or affective prejudice drive teacher discrimination against Romani students? A conceptual replication of Bruneau et al. (2020) in Germany", LINK ; MIA (2025): "Antiziganismus im Bildungsbereich", S. 32ff, LINK; Erfahrungsberichte & Fallbeispiele s. auch Randjelović et al. (2020): "Studie zu Rassismuserfahrungen von Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland", S. 111-149, LINK

Medien

Ein Pressemonitoring des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma (April bis Oktober 2024) zeigt: Medien berichten am häufigsten über die Minderheit beim Thema Gedenken, oft in Zusammenhang mit dem Völkermord im Nationalsozialismus. In jedem vierten Bericht werden Sinti und Roma allerdings in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Problemen wie Kriminalität gebracht. Qualitative Studien und Fallbeispiele zeigen, dass Medien Sinti und Roma oft in Verbindung mit sogenannten Schrottimmobilien, Betrug und organisierter Kriminalität erwähnen. Die Betroffenen erscheinen darin als kollektiv agierende, gefährliche Täter*innen. In Berichten über Polizei und Justiz thematisierten Journalist*innen dagegen häufiger auch rassistische Vorfälle gegenüber Sinti und Roma.QuelleZentralrat Deutscher Sinti und Roma (2025): "Presse- und Politikmonitoring Sinti* und Roma*", S. 9f, 14ff, LINK; Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma (2014): "Antiziganismus in der deutschen Öffentlichkeit", LINK; MIA (2025): "Antiziganistische Vorfälle in Deutschland 2024", S. 45ff, LINK

Was können Journalist*innen beachten, wenn sie über Sinti und Roma berichten? Tipps gibt's in unserem How To.