Antisemitismus ist die Feindschaft gegenüber Juden und Jüdinnen. Es gibt verschiedene Erscheinungsformen:
- Der klassische Antisemitismus sind Vorurteile und eine Weltsicht, in welchen Juden und Jüdinnen bestimmte biologische oder kulturelle Eigenschaften zugeschrieben werden. Diese Stereotype verbinden sich häufig zu Verschwörungserzählungen. Beispielhafte Aussagen sind etwa: "Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß" / "Die Juden haben etwas Besonderes und Eigentümliches an sich und passen nicht so recht zu uns." So ist etwa das stereotype Bild von Juden als mächtige Akteure in der Finanzwelt gängiger Bestandteil antisemitischer Vorurteilsstrukturen.
- Sekundärer Antisemitismus ist eine Form der Judenfeindschaft, die vor allem im Kontext der Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen sichtbar wird. Er kann sich etwa in Relativierung oder Leugnung des Holocaust, der Forderung nach einem Schlussstrich unter die Erinnerungskultur und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen, oder in der rhetorischen Umkehr von Opfern und Tätern äußern. Beispiele hierfür sind Aussagen wie "Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen“ oder „Ich bin es leid, immer wieder von den deutschen Verbrechen an den Juden zu hören."
- Israelbezogener Antisemitismus: Kritik an Israel ist antisemitisch, wenn traditionelle Stereotype auf den Staat Israel übertragen werden oder die Politik Israels mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt wird; wenn Juden weltweit für die Politik Israels verantwortlich gemacht oder wenn an israelische Politik andere Standards als an andere Demokratien angelegt werden. Beispiele sind Aussagen wie "Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“ oder „Durch die israelische Politik werden mir die Juden immer unsympathischer.“
Laut "Unabhängigem Expertenkreis Antisemitismus" (UEA) dient die Unterscheidung in Ideologieformen der Einordnung. In der Realität treten oft Mischformen auf. Gerade bei den neueren Ideologieformen, wie dem sekundären und dem israelbezogenem Antisemitismus, könne es schwierig sein, zwischen kritischen und antisemitischen Äußerungen zu unterscheiden.Quelle
In Abgrenzung zum Rassismus werden bei Antisemitismus Betroffene nicht nur abgewertet, sondern für überlegen gehalten, etwa als mit Einfluss auf Politik und Wirtschaft. Das biete Anschluss für Verschwörungserzählungen und diene als Modell für eine Welterklärung.Quelle
Streit um Antisemitismus-Definitionen
Eine genaue Definition von Antisemitismus ist umstritten. Oft wird die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) herangezogen. Viele Organisationen, Universitäten und Länder nutzen sie. 43 Staaten haben laut IHRA (Stand Mai 2024) die Definition angenommen, 2017 auch die Bundesregierung.
Die IHRA-Definition lautet: "Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ Die Bundesregierung hat außerdem folgende Erweiterung verabschiedet: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein."Quelle
Insbesondere wegen dieses Satzes gibt es mitunter Kritik an der Anwendung der Definition: Es sei nicht klar, wie sich Kritik an der israelischen Regierung und antisemitische Äußerungen voneinander abgrenzen. Unter anderem deshalb stellte eine Reihe von Wissenschaftler*innen eine weitere Definition in der „Jerusalemer Erklärung zum Antisemitismus“ vor. Demnach ist Antisemitismus "die Diskriminierung, Vorurteil, Feindseligkeit oder Gewalt gegen Jüdinnen und Juden als Jüdinnen und Juden (oder jüdische Einrichtungen als jüdische)." Auch an dieser Definition gibt es wiederum Kritik, etwa, dass sie israelbezogenen Antisemitismus verharmlose.
In einem Entschließungsantrag forderte der Bundestag Ende 2023, die IHRA unter anderem als Grundlage für Förderanträge zu verwenden. Das wird in der Antisemitismus-Resolution bekräftigt, die der Bundestag am 7. November 2024 angenommen hat. Einige Personen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft sprachen sich dagegen aus. Ein Argument: Die Definition sei zwar hilfreich für ein Monitoring von Antisemitismus – also um Antisemitismus in seinen unterschiedlichen Ausprägungen zu erkennen. Für eine rechtliche Anwendung sei sie aber insbesondere hinsichtlich der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit zu unpräzise.Quelle