Wie viele Menschen mit Migrationshintergrund gehen wählen?

Wahlberechtigte mit Einwanderungsgeschichte gehen immer häufiger zur Wahl. In den letzten Jahren haben sie sich bei diesem Thema dem Rest der Bevölkerung angenähert.

Personen mit EinwanderungsgeschichteEinwanderungsgeschichte hat, wer selbst zugewandert ist oder wessen Eltern beide zugewandert sind; ist nicht gleichzusetzen mit dem Migrationshintergrund. Beiden Begriffen liegen feststehende, statistische Definitionen zugrunde. Weitere Erläuterungen zu den Definitionen und Hinweisen zur Verwendung gibt es hier und hier. wählen bei Bundestagswahlen insgesamt etwas seltener als Personen ohne Einwanderungsgeschichte – der Unterschied ist aber in den letzten Jahren geringer geworden. 

Einer repräsentativen Befragung (German Longitudinal Election Study) zufolge betrug der Unterschied in der Wahlbeteiligung bei den Bundestagswahlen 2021 knapp sieben Prozentpunkte (95,2 Prozent Wahlbeteiligung bei Menschen ohne Einwanderungsgeschichte im Vergleich zu 88,4 Prozent bei Menschen mit Einwanderungsgeschichte). 2017 waren es gut 13 Prozentpunkte, 2013 noch 28 Prozentpunkte. Zu der tatsächlichen Wahlbeteiligung gibt es keine Zahlen, die Daten beruhen auf repräsentativen Befragungen unter Wähler*innen. Dabei kann es zu "Overreporting" kommen: Befragte passen sich an die Erwartungen der Fragestellenden an und antworten eher sozial erwünscht – sie geben etwa fälschlicherweise an, gewählt zu haben.QuelleDashboard Integration; teilweise eigene Berechnungen (2024), LINK; Integrationsbeauftragte der Bundesregierung (2024) 'LAGEBERICHT zum Stand der Integration in Deutschland, Dezember, S. 11, S. 218f., mit Verweis auf: Caballero, C: "Nichtwahl", in: Jürgen W. Falter/Harald Schoen (Hg.), Handbuch Wahlforschung, 2. Aufl., Springer VS, Wiesbaden, 2014, S. 437-488; SVR (2020) "Politische Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland", S. 29.

Auch die Befragung des Integrationsbarometers 2022 des Sachverständigenrats für Integrations– und Migrationsfragen (SVR) zeigt eine geringere Wahlbeteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund (nicht: Einwanderungsgeschichte. Unterschied siehe hier und hier) bei der Bundestagswahl 2021. Dort gaben 70,4 Prozent der Befragten mit Migrationshintergrund an, gewählt zu haben, bei Personen ohne Migrationshintergrund waren es 87,9.QuelleSVR (2022) "Integrationsklima 2022: Leicht verbessert mit einzelnen Eintrübungen SVR-Integrationsbarometer 2022", S. 23-24.

Eine Auswertung der German Longitudinal Election Study kam zum Ergebnis, dass sich die Wahlbeteiligung je nach Herkunftsland der Wähler*innen unterscheidet: Türkeistämmige Personen wählten etwa seltener als Spätaussiedler*innen.QuelleSVR (2020) "Politische Partizipation und zivilgesellschaftliches Engagement von Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland", S. 28 ff; E. Goerres, D. Spies, S.J. Mayer (2018): Deutsche mit Migrationshintergrund bei der Bundestagswahl 2017. Erste Auswertung der Immigrant German Election Study zu Deutschtürken und Russlanddeutschen.

Mögliche Grüne für geringere Wahlbeteiligung

Eine weitere Expertise der Autoren zur Beteiligung der türkeistämmigen Wähler*innen an den Bundestagswahlen 2021 zeigt: Personen mit höherem Einkommen und Bildungsniveau gehen eher wählen – und zwar unabhängig von ihrer Einwanderungsbiografie. Mangelnde Sprachkenntnisse und Diskriminierungserfahrungen wirkten sich hingegen negativ auf Wahlbeteiligung aus.QuelleGoerres et al. (2022) "Die Wahlbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern mit familiärer Migrationsgeschichte. Möglichkeiten und Grenzen der Förderung", Expertise der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung, Universität Duisburg-Essen, September, S. 7-9; SVR: Mitten im Spiel - oder nur an der Seitenlinie, 2020, Seite 28 f.