Wie viele Gewerkschaftsmitglieder haben einen Migrationshintergrund?

Die Gewerkschaften haben schon früh damit begonnen, gezielt Migranten oder Menschen mit Migrationshintergrund anzusprechen. Inzwischen ist deren Anteil in Gewerkschaften nahezu so hoch wie in der Bevölkerung.

Die Gewerkschaft IG Metall lässt regelmäßig in einer Studie erheben, wie viele ihrer Mitglieder einen "Migrationshintergrund" haben. Die Ergebnisse 2022 sind:

  • Mit schätzungsweise 23,6 Prozent liegt der Anteil der Mitglieder mit Migrationshintergrund ziemlich nah am Bevölkerungsdurchschnitt (28,7 Prozent). Bei IG-Metall-Mitgliedern in Betrieben entspricht er ihm mit 26,7 Prozent sogar fast. Die IG Metall sei somit die einzige Groß-Organisation in Deutschland für die solche Daten vorliegen; und die sich hinsichtlich des Migrationshintergrundes als "Spiegel der Gesellschaft" bezeichnen kann.
  • Ein noch höherer Anteil zeigt sich bei IG Metall-Mitgliedern, die eine gewerkschaftliche Funktion im Betrieb oder in der Gewerkschaft ausüben: Rund 29,3 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund.
  • Einzig unter Betriebsratsvorsitzenden sind Personen mit Migrationshintergrund unterrepräsentiert, dort sind es rund 16,9 Prozent mit Migrationshintergrund.QuelleBerliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) (2023): "ProjektberichtMitglieder mit Migrationshintergrund in der IG Metall", Seite 9, Seite 11, Seite 66 und Seite 68 (Seitenzahlen im pdf jeweils +1)

Weitere Ergebnisse:

  • Das am häufigsten vertretene Herkunftsland unter allen Mitgliedern mit Migrationshintergrund ist mit 19,3 Prozent die Türkei, gefolgt von Polen, Kasachstan, Russland und Italien.
  • Im Schnitt sind Mitglieder mit Migrationshintergrund jünger als die ohne – 46 Jahre im Vergleich zu 52 Jahren.QuelleBerliner Institut für Integrations- und Migrationsforschung (BIM) (2023): "Projektbericht Mitglieder mit Migrationshintergrund in der IG Metall", S.17

Laut Studie haben sich Gewerkschaften schon früh dafür eingesetzt, Migranten in ihre Struktur zu integrieren. Bereits 1961 richtete die IG Metall das Referat "Ausländische Arbeitnehmer" ein und erkannte ausländische Arbeitnehmer 1983 als "eigenständige Personengruppe" an. Damit habe sie ihnen besondere Mitbestimmung bei Beschlüssen des Gewerkschaftstages ermöglicht.

Als ein weiterer Grund gilt das 1972 eingeführte Betriebsverfassungsgesetz, erklärt Serhat Karakayali, Mitautor der Studie, in einem Gastbeitrag für den MEDIENDIENST. Das Gesetz regle, dass auch Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit bei Betriebsratswahlen wählen und gewählt werden können. Da Gewerkschaftsmitglieder oft auch in Betriebsräten aktiv seien, liege die Vermutung nahe, dass das Gesetz dazu geführt hat, dass sich Gewerkschaftsmitglieder mit Migrationshintergrund stärker engagieren.