Wo gilt ein Kopftuchverbot?

Öffentliche Schulen dürfen Lehrerinnen nicht pauschal verbieten, ein Kopftuch zu tragen. Dasselbe gilt für Unternehmen. Ausnahmen sind möglich. Für Richterinnen und Staatsanwältinnen gilt in den meisten Bundesländern ein Kopftuchverbot.

Kopftuch im Staatsdienst

Schulen

Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen für unzulässig erklärt, weil es dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit widerspreche. Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. Nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens seien Einschränkungen erlaubt, urteilten die Richter*innen in Karlsruhe. Für Kindertagesstätten hat das Bundesverfassungsgericht 2016 ähnlich entschieden.QuelleBundesverfassungsgericht (2015): "Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015", LINK; (2016):"Beschluss vom 18.10.2016, 1 BvR 354/11, LINK

In mehreren Bundesländern unterrichten heute vereinzelt Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen.Quelle Wissenschaftliche Dienste Bundestag (2017): "Zur Situation kopftuchtragender Lehrerinnen in ausgewählten Bundesländern. Dokumentation", LINK

In Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gab es nie ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und andere Beamtinnen. Andere Bundesländer haben seit 2015 ihre bis dahin geltenden Verbote für Lehrerinnen und andere Staatsbeamtinnen geändert oder legen bestehende Gesetze nun verfassungskonform aus.

Nur Berlin hält an seinem strikten Kopftuch-Verbot fest. Dem 2005 erlassenen "Neutralitätsgesetz" zufolge dürfen Lehrkräfte keine "sichtbaren religiösen und weltanschaulichen Symbole" wie das Kopftuch tragen. Dieses Verbot gilt auch für Beamtinnen und Beamte in der Rechtspflege, dem Justizvollzug und der Polizei. Es gilt aber nicht für den Religions- und Ethikunterricht sowie für private Schulen und Berufsschulen. Im August 2020 wurde dieses Verbot vom Bundesarbeitsgericht als "unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff" bezeichnet, der Entschädigungsanspruch der kopftuchtragenden Lehrerin wurde bestätigt. In Zukunft müsse der Schulfrieden konkret gefährdet sein, um ein Kopftuchverbot an Schulen durchsetzen zu können. Ein pauschales Verbot sei nicht rechtens.

Eine Beschwerde des Lands Berlin gegen die Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht wurde im Januar 2023 nicht angenommen. Die Justizsenatorin kündigte an, das Gesetz zu ändern. Wie aus einer Anfrage der Linken an den Senat hervorgeht, hat das Land Berlin bisher Entschädigungen in Höhe von 22.170 Euro aufgrund des "Neutralitätsgesetzes" an abgelehnte Bewerberinnen gezahlt (Stand März 2023). Aus einem Rundschreiben der Bildungsverwaltung des Senats 2023 geht hervor, dass diese "von ihrer bisherigen wortgetreuen Anwendung des Neutralitätsgesetzes abrücken (wird)". Lehrerinnen wird somit das Tragen eines Kopftuchs nicht mehr pauschal verboten werden.QuelleGesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005, LINK; Bundesarbeitsgerichts (2020): "Pressemitteilung Nr. 28/2020 vom 27. August 2020", LINK; Berliner Senat (2023): "Antwort auf eine Schriftliche Anfrage von Elif Eralp, MdA für die Fraktion DIE LINKE. Drucksache 19/14937, 15.3.2023, LINK; Anfrage an die Senatsverwaltung für Bildung des MEDIENDIENST Integration vom 3.4.2023;

Pläne, auch Kindern an öffentlichen Schulen das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung 2018 ins Spiel gebracht, aber dann ad acta gelegt. Wie viele Mädchen in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuch tragen, ist ihr nicht bekannt.QuelleAntwort der Nordrhein-westfälischen Landesregierung (2018): "Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion. Drucksache 17 / 2669, 23.5.2018", LINK

Gerichte

Im Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal rechtmäßig ist. Geklagt hatte eine muslimische Rechtsreferendarin, weil sie wegen ihres Kopftuches unter anderem nicht mit auf der Richterbank sitzen durfte. In den meisten Bundesländern dürfen Richterinnen, Staatsanwältinnen, Referendarinnen oder Schöffinnen bei ihren Amtshandlungen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen. Eine Schöffin hat dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde eingelegt.QuelleBundesverfassungsgericht (2020): "Pressemitteilung Nr. 13/2020 vom 27. Feburar 2020", LINK; OLG Hamm (2024): Beschluss vom 11.4.2024, 5 Ws 64/24, LINK; Gesellschaft für Freiheitsrechte (2024): "Neutralität statt Vielfalt?", LINK

Kopftuchin der Privatwirtschaft

Private Arbeitgeber, die ihren Angestellten verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, verstoßen gegen das Allgemeine Antidiskriminierungsgesetz. Gleiches gilt, wenn sie Bewerberinnen einen Ausbildungsplatz oder eine Stelle verwehren, weil sie ein Kopftuch tragen. Ein Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz aus sachlichen Gründen – etwa, wenn die Arbeit mit Maschinen durch das Tragen eines Kopftuchs zu gefährlich ist – ist aber zulässig.

Arbeitgeber*innen dürfen außerdem das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten, wenn sie zugleich das sichtbare Tragen jedes anderen politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbieten. Der Wunsch des Arbeitgebenden, Neutralität am Arbeitsplatz zu wahren und von Beschäftigten ein neutrales Auftreten einzufordern, kann das Verbot rechtfertigen. Das gilt aber nur für Tätigkeiten, die im weiteren Sinne für das Unternehmen repräsentativ sind. Das wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2017 klargestellt und in erneuten Urteilen 2021 und 2022 bestätigt. Arbeitgeber*innen müssen die Entscheidung individuell gut begründen – ein pauschales Kopftuchverbot ist nicht möglich.QuelleEuropäischer Gerichtshof (2017): "Urteil vom 14. März 2017", LINK; Europäischer Gerichtshof (2021): "Urteil vom 15. Juli 2021", LINK; Europäischer Gerichtshof (2022): "Urteil vom 13. Oktober 2022", LINK

Kopftuchin kirchlichen Einrichtungen

Für kirchliche Einrichtungen gelten viele Ausnahmen vom übrigen Arbeitsrecht. Sie dürfen ihren Mitarbeiterinnen deshalb ebenfalls das Tragen eines Kopftuchs untersagen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt 2014 entschieden.QuelleBundesarbeitsgericht (2014): "Pressemitteilung Nr. 48/14 zum Urteil des 5. Senats vom 24.9.2014", LINK