Wie berichten Medien über Islam und Muslime?

Wenn Medien über Muslime berichten, geht es oft um negative Themen wie Terrorismus oder Flucht. Muslimische Männer werden häufig als bedrohlich, Musliminnen als rückschrittlich dargestellt.

Studien zeigen, dass die Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen oft stereotyp und negativ ist. So zeichneten mehr als drei Viertel aller Berichte, die das Forschungsinstitut Media Tenor International 2016Medientenor International (2016): Das Medienbild zum Islam treibt die Angst. Link in einer Langzeitstudie auswertete, ein negatives Bild von Muslim*innen und dem Islam. Ältere Studien kamen zu ähnlichen Ergebnissen.Hafez, Kai (2002): Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung, 2 Bde., Baden-Baden; Hafez, Kai/Carola Richter (2007): "Das Islambild von ARD und ZDF", in: Aus Politik und Zeitgeschichte 26-27(2007), S. 40-46

Diese Ergebnisse heißen aber nicht, dass Medien pauschal islamfeindlich und vor allem nicht explizit negativ berichteten, so Tim Karis vom Centrum für Religionswissenschaften (CERES). Das Problem sei eher eine unterschwellige, wiederkehrende Themensetzung oder das Rückgreifen auf stereotype Islam-Bilder.QuelleKaris, Tim (2019). Muslime in den Medien, S. 110. In: Handbuch Islam und Muslime. Mediendienst Integration: Berlin.

Weitere Studien haben ergeben:

  • Insbesondere nach den Anschlägen vom 11. Septembers 2001 wurde der Islam in der Berichterstattung oft in Zusammenhang mit Terrorismus gebracht und als "Bedrohung"Koller, C. & Schatz, R. (2015): Openness for Dialogue Reached a New Low. Media Tenor. Annual Dialogue Report 2015, S.7. Link für die westliche Welt dargestellt.
  • Seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 werden Geflüchtete und der Islam in deutschen Medien häufig thematisch miteinander verknüpft. Darüber hinaus werden muslimische Geflüchtete oft als kulturell "Andere" präsentiert, die einer "europäischen christlichen Kultur" gegenüberstünden. Das ist das Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 2018Müller, T. (2018): Constructing cultural borders: depictions of Muslim refugees in British and German media. Zeitschrift für Vergleichende Politikwissenschaft, Volume 12, S. 263-277, die vergleicht, wie die "Flüchtlingskrise" in der deutschen und britischen Presse dargestellt wurde. 
  • Insbesondere männliche muslimische Migranten werden oft als eine unterschätzte Bedrohung für die deutsche Gesellschaft dargestellt, so das Ergebnis einer UntersuchungWigger, I., 2019: Anti-Muslim Racism and the Racialisation of Sexual Violence: 'Intersectional Stereotyping' in Mass Media Representations of Male Muslim Migrants in Germany. In: Culture and Religion 20 (3), S. 264-266 aus dem Jahr 2019. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt auch eine Studie 2016Abadi et al., 2016: Leitkultur and discourse hegemonies: German mainstream media coverage on the integration debate between 2009 and 2014,S. 565-566: Muslim*innen werden in deutschen Zeitungen meist als problematische, andersartige, bedrohliche und homogene Gruppe dargestellt.
  • Auch über muslimische Frauen gibt es gängige Stereotype: verschiedene Analysenzur Übersicht: Lüneborg, M. (2011): Migrantinnen in den Medien, S. 19-21 zeigen, dass Musliminnen in den Medien als rückschrittlich oder kulturell fremd dargestellt werden.

Neben der inhaltlichen Berichterstattung spielt auch die Bildauswahl eine zentrale Rolle in der Darstellung des Islam und von Muslim*innen in den Medien:

  • Wiederkehrende "Symbolbilder" in Artikeln über islamische Themen und Muslim*innen seien vollverschleierte Frauen, bewaffnete Islamist*innen oder anonyme Menschenmassen in Mekka, schreiben die Medienwissenschaftler*innen Sabrina Schmidt und Kai HafezHafez, K., Schmidt, S. (2020): Rassismus und Repräsentation: das Islambild deutscher Medien im Nachrichtenjournalismus und im Film. Link. Insbesondere das Kopftuch werde zu veranschaulichenden Zwecken eingesetzt. Anstatt die Vielfältigkeit muslimischen Lebens abzubilden, wirke diese Bildsprache anonymisierend, homogenisierend und entmenschlichend. 

Verschiedene Online-Plattformen, der MEDIENDIENST INTEGRATION sowie Wissenschaftler*innen geben Anregungen für Medienschaffende, wie eine ausgewogene Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen aussehen könnte:

  • Der Fotojournalist Julius Matuschik hat den Blog "Moin und Salam" ins Leben gerufen, um die Vielfalt muslimischen Lebens in Deutschland zu zeigen, als Gegenentwurf zu einer einseitigen BildberichterstattungDeutschlandfunk Kultur (2021): Das andere Bild vom Islam. Link.
  • Für eine ausgewogenere Berichterstattung über den Islam und Muslim*innen bedarf es der Perspektive von Muslim*innen und Gemeinden. Der MEDIENDIENST hat zwei Info-Papiere zur muslimischen Zivilgesellschaft und zu islamischen Verbändenin Deutschland mit Hintergrundinformationen und Ansprechpartner*innen zusammengestellt.
  • Weitere Hinweise finden sich in unserem Handbuch "Muslime in den Medien"Karis, Tim (2019). Muslime in den Medien, S. 110. In: Handbuch Islam und Muslime. Mediendienst Integration: Berlin. Link.