Gesundheitsversorgung von Menschen in der Illegalität

Illegalisierte Menschen haben Anspruch auf medizinische Grundversorgung. Viele meiden jedoch Ärzte, weil sie Sorge haben, dass ihre Daten weitergegeben werden könnten.

Eigentlich sollten Menschen, die ohne Papiere in Deutschland leben, im Falle einer Krankheit zum Arzt gehen können. Sie sind zwar von der regulären Krankenversicherung ausgeschlossen – ihnen steht aber laut AsylbewerberleistungsgesetzAsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. §§ 4 und 6 eine Basis-Gesundheitsversorgung zu.

Das Problem: De factokönnen Papierlose diese Gesundheitsversorgung in den meisten Fällen nicht in Anspruch nehmen. Denn die medizinische Leistung müssen sie zunächst beim Sozialamt beantragen. Das Sozialamt unterliegt in diesen Fällen allerdings der Übermittlungspflicht an die Ausländerbehörde. Das heißt: Beantragt eine Person ohne Aufenthaltsstatus beim Sozialamt eine medizinische Leistung, gibt das Amt die Daten an die Ausländerbehörde weiter. Die Ausländerbehörde erlangt dadurch Kenntnis über die aufenthaltsrechtliche Illegalität. Viele Papierlose vermeiden es deswegen, zum Arzt zu gehen, weil sie befürchten, abgeschoben zu werden.Quelle§ 87 Aufenthaltsgesetz; Informationsportal von Medibüros/Medinetzen: "Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"; Bundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 4.

Eine Ausnahme gibt es nur für medizinische Notfälle. Hier beantragen Papierlose nicht vorher die medizinische Leistung beim Sozialamt, sondern werden direkt behandelt. Für die Kostenerstattung wenden sich anschließend die Ärzte oder das Krankenhaus direkt an die Sozialbehörde. In diesen Fällen unterliegt das Sozialamt dem verlängerten Geheimnisschutz. Das heißt, es darf die Daten nicht an die Ausländerbehörde weiterleiten. Doch auch hier gibt es Probleme – unter anderem weil die Anforderungen für eine Kostenübernahme hoch sind. Manche Krankenhäuser behandeln Papierlose deswegen auch in Notfällen nicht.QuelleBundesarbeitsgruppe Gesundheit/Illegalität (2018): "Krank und ohne Papiere". Fallsammlung, S. 5; Katholisches Forum Leben in der Illegalität: "Forderung der Gewährleistung der Gesundheitsversorgung für Menschen in der aufenthaltsrechtlichen Illegalität in Deutschland". Positionspapier, S. 5

Zivilgesellschaftliche Akteure setzen sich schon lange für die Abschaffung der Übermittlungspflicht im Gesundheitsbereich ein. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte und der Verein Ärzte der Welt argumentieren in einer Studie, dass die Übermittlungspflicht das internationale Menschenrecht auf einen diskriminierungsfreien Zugang zu Gesundheitsversorgung verletze und daher verfassungswidrig sei.QuelleGesellschaft für Freiheitsrechte; Ärzte der Welt (2021): „Ohne Angst zum Arzt – Das Recht auf Gesundheit von Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus in Deutschland.“; Gesellschaft für Freiheitsrechte (2023): Ohne Angst zum Arzt; Katholisches Forum Leben in der Illegalität (2022): "Gesundheitsversorgung ohne Angst in Anspruch nehmen".

Wo finden Papierlose in der aktuellen Situation Hilfe?

Karitative Einrichtungen wie der Malteser Hilfsdienst bieten medizinische Versorgung für Papierlose und Menschen ohne Krankenversicherung an. Hier behandeln Ärzte unter Wahrung der Anonymität. Die bundesweiten Medibüros oder Medinetze vermitteln ebenfalls unter Wahrung der Anonymität Patienten an kooperierende Ärzte. Und auch die Organisation Ärzte der Welt bietet Sprechstunden für Papierlose unter Wahrung der Anonymität in mehrerem Bundesländern an.QuelleInformationsportal von Medibüros/Medinetzen: Einschränkung im Zugang zum Gesundheitssystem durch behördliche Übermittlungspflichten für Menschen ohne rechtlichen Aufenthaltsstatus"

In einigen Bundesländern gibt es zudem erste Projekte, die die Problematik mit einem anonymen Krankenschein zu überbrücken versuchen: In Berlin können Menschen ohne Papiere seit April 2020 solche Scheine bei einer Clearingstelle erhalten. In Thüringen läuft derzeit das Pilotprojekt "Anonymer Krankenschein". Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es Clearingstellen, an die sich Papierlose im Krankheitsfall wenden können.