Welche psychologischen Angebote gibt es für Flüchtlinge?
Einen Therapieplatz bekommen Geflüchtete eher selten: Solange sie Asylbewerberleistungen erhalten, geht dies nur in Ausnahmefällen (mehr dazu unter Rechtslage). Selbst wenn sie krankenversichert sind, ist es schwer, einen Therapieplatz zu finden: Denn es gibt lange Wartezeiten. Die Finanzierung einer Übersetzung scheitert oft an bürokratischen Hürden, zudem sind wenige Therapeut*innen auf die Erfahrungen von Kriegsflüchtlingen spezialisiert oder für den Umgang mit Rassismus sensibilisiert.Quelle
Geflüchtete können Unterstützung bei den Psychosozialen Zentren finden. Davon gibt es deutschlandweit aktuell 71, rund 50 sind in der Bundesweiten Arbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) organisiert (Stand Mai 2025). Die Angebote sind kostenlos, Übersetzer*innen stehen dort zur Verfügung. In einigen Fällen können die Zentren an Therapeut*innen weitervermitteln.
Es wird geschätzt, dass 30 Prozent der Geflüchteten potentiell eine psychologische Betreuung benötigen. In Deutschland wären das bei rund 3 Millionen Geflüchteten über 900.000 Personen. Die BAfF-Zentren konnten 2023 rund 31.200 Personen behandeln oder weitervermitteln – und damit nur 3,3 Prozent des Bedarfs abdecken. Es gibt noch rund 20 Zentren, die nicht in der BAfF organisiert, für diese liegen keine Zahlen vor. Eine Therapie über andere Wege zu finden ist für Geflüchtete schwierig, so die Arbeitsgemeinschaft. In Bayern gibt es die Therapeutischen Angebote für Flüchtlinge (TAFF) mit mehreren StandortenQuelle
Auch eine nicht-repräsentative Studie für Deutschland stellte 2024 fest, dass nur wenige Geflüchtete Unterstützung finden: 7 Prozent der Personen mit Behandlungsbedarf erhielten demnach das Minimum an angemessener Psychotherapie.Quelle
Laut BAfF werden somit viele Erkrankungen nicht oder zu spät behandelt. Sie können sich dadurch verschlimmern und chronisch werden. Die Belastungen erschweren auch soziale Kontakte und die Integration, wie etwa das Erlernen der Sprache.Quelle
Psychische Belastung bei Geflüchteten: Zahlen und Studien
Geflüchtete sind stärker von psychischen Belastungen betroffen als die Gesamtbevölkerung – das zeigt eine Auswertung von mehr als 30 Studien: Danach zeigten rund 30 Prozent Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), rund 40 Prozent depressive Symptome. Die Zahlen hängen davon ab, wann man welche Gruppe von Geflüchteten befragt, und können nach Herkunftsland oder Alter stark variieren, wie eine Befragung für Deutschland zeigt. Fachleute gehen als Richtwert davon aus, dass rund 30 Prozent der Geflüchteten potentiell eine psychologische Betreuung benötigen.Quelle
Viele Geflüchtete machen vor und auf der Flucht belastende und traumatisierende Erfahrungen durch Krieg und Verfolgung – einer repräsentativen Befragung zufolge trifft das auf 87 Prozent der Geflüchteten zu, die seit 2013 nach Deutschland gekommen sind. In einer weiteren Befragung gaben drei Viertel der Geflüchteten aus Syrien, Afghanistan und dem Irak an, eine Form von Gewalt erlebt zu haben.Quelle
Neben den Erfahrungen vor und während der Flucht können auch in Deutschland weitere Belastungen hinzukommen bzw. bestehende sich verschlimmern: etwa durch die Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen mit wenig Raum und Privatsphäre, Diskriminierungserfahrungen sowie unsichere Zukunftsperspektiven. Eine wichtige Rolle spielt die Trennung von der Familie, sie stellt eine große Hürde bei der Genesung dar.Quelle
Psychologische Versorgung von Flüchtlingen: Rechtslage
Mit dem Rückführungsverbesserungsgesetz, welches im Februar 2024 in Kraft trat, erhöhte sich die Zeit, in der Asylsuchende Asylbewerberleistungen empfangen, von 18 auf 36 Monate. Das bedeutet, dass sie in den ersten 3 Jahren in Deutschland nur im Notfall oder bei akuten Erkrankungen zum Arzt gehen können. Eine Psychotherapie können sie nur in Ausnahmen machen und benötigen dafür die Zustimmung der Behörden.Quelle
Anerkannte Flüchtlinge und Schutzsuchende, die sich länger als 36 Monate in Deutschland aufhalten, erhalten die regulären Leistungen der Krankenkasse. Die Kassen übernehmen dann auch eine Psychotherapie, jedoch nicht die Kosten für eine Übersetzung. Die kann beim Sozialamt oder beim Jobcenter beantragt werden. Der BAfF zufolge kommt es dabei zu langen Bearbeitungszeiten, Übersetzer*innen kommen selten zum Einsatz.Quelle